Neue Themen, alte Gesichter

Seit dem Eklat der Islamkonferenz im letzten Jahr ist der Dialog zwischen Staat und Muslimen ins Stocken geraten. Nun will Innenminister Thomas de Maizière eine Neuausrichtung des Forums. Was kann eine Deutsche Islam Konferenz künftig leisten? Ulrike Hummel informiert.

Von Ulrike Hummel

Antimuslimische Ressentiments in der Mitte der Gesellschaft, negative, mit Vorurteilen beladene Islambilder und reihenweise krude Thesen und hetzerische Äußerungen von Islamkritikern. Das sind nur einige drängende Problemfelder, die die Lebenswirklichkeit zwischen Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland bestimmen.

Doch seit Beginn der von Wolfgang Schäuble ins Leben gerufenen Deutschen Islam Konferenz (DIK) im Jahr 2006 haben sich die Fronten innerhalb der Gesellschaft eher noch verhärtet. Was also hat der Dialog zwischen Staat und Muslimen bislang gebracht? "Die eigentlich großen Erfolge der Islamkonferenz sind in der ersten Periode unter der Ägide von Wolfgang Schäuble zu verzeichnen", meint der Islamwissenschaftler Michael Kiefer. In dieser Phase sei der Grundstein für die Einführung des islamischen Religionsunterrichts gelegt worden. Ein Meilenstein.

Doch spätestens seit dem Eklat der Islamkonferenz im letzten Jahr verharrt das Gremium des Dialogs im Stillstand, Kritiker sprechen gar von einem Scherbenhaufen. "Die Islamkonferenz ist daran gescheitert, dass Innenpolitiker und Verfassungsschutzbehörden vorgaben, mit wem geredet wird und mit wem nicht", sagt Kiefer. Die letzte Konferenz unter dem früheren Innenminister Hans-Peter Friedrich habe gezeigt, dass der faktische Ausschluss der Milli Görüs dazu geführt habe, dass nicht mehr alle Muslime an einem Tisch sitzen.

Dialogpartner nicht repräsentativ

Kritiker der Islamkonferenz sehen in der bisherigen Zusammensetzung ohnehin nur eine Minderheit der in Deutschland lebenden Muslime vertreten. Im Plenum, dem obersten Gremium der Islamkonferenz, sitzen 15 Vertreter der staatlichen Seite sowie 15 Vertreter auf muslimischer Seite.

Der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich begrüßt Teilnehmerinnen der Deutschen Islamkonferenz; Foto: dpa/picture-alliance
Falsche Prioritätensetzung: de Maizières Vorgänger Hans-Peter Friedrich (CSU) war in die Kritik geraten, da in seiner Amtszeit Sicherheitsthemen zu sehr in den Vordergrund gerückt worden sein. Zuletzt hatten muslimische Verbände beklagt, im bisherigen Format habe die Runde keinen Sinn mehr.

Was Deutschlands Muslimen am Herzen liegt, bestimmen vor allem die konservativ ausgerichteten Verbandsfunktionäre. "Die Islamkonferenz war immer eine beidseitige Show-Veranstaltung", sagt SPD-Politikerin Lale Akgün. Für die jeweiligen Innenminister sei sie eine ideale Gelegenheit, um zu zeigen, wie tolerant sie seien. Und die Vertreter muslimischer Verbände könnten sich einmal jährlich neben dem Innenminister präsentieren.

"Ein Panoptikum von Leuten, die den Islam in Deutschland etablieren oder weiterbringen sollen? Nein, ich glaube, die Islamkonferenz war nur dazu da, um zu zeigen: 'Wir machen etwas für die Muslime'", kritisiert Akgün.

Konservativer oder liberaler Islam?

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ist nun angetreten, um den Scherbenhaufen zu beseitigen. Er sucht den Dialog auf Augenhöhe und will eine Neuausrichtung der Islamkonferenz in Gang bringen.

Erste Gespräche mit den Verbänden hat es bereits gegeben: "Dabei haben wir uns auf die Inhalte konzentriert und gemeinsam diskutiert, wie wir unseren Dialog ergebnisorientiert und nach vorne schauend fortsetzen können", sagt de Maizière.

Bis Mitte März soll das neue Konzept stehen: Zielsetzung, Themen-Agenda sowie die Struktur sollen neu definiert werden um "gemeinsam am Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu arbeiten."

Ignoriert wird dabei ein weiteres Mal, dass die vereinsmäßig organisierten Muslime in der Minderheit sind. Die Bedürfnisse und Befindlichkeiten einer recht heterogenen Mehrheit von Muslimen kommen schon im Vorfeld nicht zur Sprache. Das hat damit zu tun, dass es aus staatlicher Sicht an weiteren Ansprechpartnern mangelt, weil der Islam an sich nicht organisiert ist.

"Die Islamkonferenz sollte in Würden begraben werden. Ein Weitermachen, eine Neuauflage bringt überhaupt nichts", meint Lale Akgün. Bei einer neu ausgerichteten Islamkonferenz würden sich wieder die gleichen, orthodoxen Verbandsvertreter am Tisch versammeln, wie die letzten Jahre zuvor. "Was kann ich eigentlich von Leuten erwarten, die im Moment gegen den einzig liberalen Theologieprofessor in Deutschland, Mouhanad Khorchide, zu Felde ziehen?" Liberale Muslime fühlten sich durch sie keineswegs vertreten, so Akgün weiter.

Abkehr von sicherheitspolitischen Themen

Die Verbände dagegen begrüßen den Vorstoß de Maizières und zeigen sich nach ersten Gesprächen optimistisch. Der Innenminister hatte insgesamt sieben Vereine eingeladen, darunter die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), den Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und den Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Geht es nach dem Willen der Verbände, sollen sicherheitspolitische Themen künftig allenfalls am Rande stattfinden. Themen wie die Anerkennung des Islams als Körperschaft des öffentlichen Rechts hingegen sollen in den Mittelpunkt rücken.

Wie aber kann der gesellschaftliche Zusammenhalt von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen gefördert werden? Wie kann der Mehrheitsgesellschaft ein Islambild vermittelt werden, das einer friedliebenden Religion gerecht wird – ohne die üblichen negativen Konnotationen? Kann eine neu ausgerichtete Islamkonferenz dazu beitragen, dass alle in Deutschland lebenden Menschen an einem Strang ziehen, frei von Vorurteilen und Angst vor "Islamisierung". Nein, das kann sie nicht.

SPD-Politikerin Lale Akgün, Foto: DW
Harsche Kritik an der bisherigen Umsetzung der Islamkonferenz: "Ein Panoptikum von Leuten, die den Islam in Deutschland etablieren oder weiterbringen sollen? Nein, ich glaube, die Islamkonferenz war nur dazu da, um zu zeigen: 'Wir machen etwas für die Muslime'", meint die SPD-Politikerin Lale Akgün.

"Man muss klar sehen, dass die Fragen des Zusammenlebens auf den Länder- und Kommunalebenen geklärt werden müssen", sagt Michael Kiefer. Viele Bundesländer hätten Konsequenzen aus diesem grundlegenden Sachverhalt gezogen: Hamburg und Bremen hätten einen Staatsvertrag mit Muslimen und Niedersachsen befände sich gerade in Staatsvertragsverhandlungen. Vorbereitende Gespräche fänden zudem in weiteren Ländern statt. "Hier wird beispielsweise geregelt, wie die Partnerschaft in Bezug auf den islamischen Religionsunterricht aussehen muss, wie Feiertagsregelungen gestaltet werden und welche Rahmenbedingungen für islamische Friedhöfe geschaffen werden können."

Neue Strukturen im Wohlfahrtssektor

Was aber kann eine Islamkonferenz dann noch leisten? Welche Themen sollen auf der Agenda stehen und zu konstruktiven Lösungen hinsichtlich des Zusammenlebens beitragen? Eines der großen Themenfelder der nächsten Jahre wird die Trägerschaft muslimischer Vereine für Wohlfahrtsinstitutionen sein. Seniorenwohnheime, muslimische Seelsorge in Gefängnissen, Militärseelsorge oder muslimische Pflegeeinrichtungen.

"Der Wohlfahrtssektor mit weit über einer Million Beschäftigten in der Bundesrepublik Deutschland ist noch so aufgestellt, wie in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts", sagt Kiefer. Man habe noch nicht zur Kenntnis genommen, dass eine weitere große Religionsgemeinschaft in Deutschland lebe, die ähnlich wie die Caritas oder die Diakonie mit Religion verbundene Dienstleistungen erbringen wolle. Hierbei wird es auch um staatliche Zuschüsse und öffentliche Trägerschaften gehen. Eine erstmalige Einladung der kirchlichen Vertreter zur Islamkonferenz ist daher wahrscheinlich.

Kritiker der Dialog-Veranstaltung sehen allenfalls in der Symbolpolitik eine Chance. Doch auch die laufe derzeit in die falsche Richtung, sagt Lale Akgün. "Diese Symbolpolitik wertet die orthodoxen Verbände auf, die sich nicht an der Gleichberechtigung orientieren, die Andersdenkende, liberale Muslime nicht respektieren."

Eine konstruktive Symbolpolitik müsse die freundliche Seite des Islams zeigen und deutlich machen, dass der Islam durchaus Schritt halten könne mit der Moderne. "Wir bräuchten viel mehr islamische Religionspädagoginnen, mehr ausgebildete Imaminnen und  Hochschul-Theologinnen, die eine feministische Sicht des Islams in die Gesellschaft hineintragen können."

Für eine solch zukunftsweisende Symbolpolitik jedoch sind Staat, Gesellschaft und auch viele Muslime längst nicht bereit. In wenigen Wochen steht fest, welche Themen künftig den Dialog zwischen Staat und Muslimen beherrschen – an der Zusammenstellung der Gästeliste freilich dürfte sich wenig ändern.

Ulrike Hummel

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Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de