Angst vor Rückkehr der Gewalt nach Sri Lanka

Bisher war die sri-lankische Terrorgruppe "National Thowheeth Jama'ath" weltweit recht unbekannt. Das hat sich nun geändert. Möglicherweise hatte die NTJ Unterstützer von international bekannten Terrororganisationen. Einzelheiten von Shamil Shams

Von Shamil Shams

Es soll eine Terror-Organisation aus Sri Lanka selbst sein, die für die Bombenanschläge von Ostersonntag verantwortlich ist: Die Regierung des Landes sieht die radikal-islamische Gruppe mit dem Namen "National Thowheeth Jama'ath" (NTJ) als Drahtzieher der Attentate an, bei denen 310 Menschen getötet wurden.

Nun untersuche man, ob die NTJ "internationale Unterstützung" gehabt habe, teilte der Sprecher des sri-lankischen Kabinetts, Rajitha Senaratne, mit. "Wir sehen nicht, wie nur eine kleine Organisation in diesem Land all das tun kann. Wir untersuchen jetzt, wo die Selbstmordattentäter herkamen und wie sie die Bomben hergestellt haben."

Bereits am Sonntag (21.4.2019) war bekannt geworden, dass Sri Lankas Geheimdienst Hinweise auf einen möglichen Anschlag einer kaum bekannten örtlichen Islamistengruppe hatte, die Angriffe unter anderem auf Kirchen plane.

Die zerstörte Fassade des Shangri-La Hotels in Colombo. Foto: picture alliance / AA / Chamila Karunarathne
Ungelöste Konflikte in Sri Lanka: Eigentlich galt Sri Lanka nach dem Ende des Bürgerkrieges 2009 als friedliches Touristenparadies. Doch die ethnischen und religiösen Konflikte in dem Inselstaat wurden nie richtig überwunden. Dennoch hat es in der Vergangenheit keine Unruhen oder Ausschreitungen zwischen Muslimen und Christen in Sri Lanka gegeben.

Wer ist "National Thowheeth Jama'ath"?

"Wir wissen nicht viel über NTJ, aber die Gruppierung weist Ähnlichkeiten zu vielen anderen in Südasien aktiven Terrorgruppen auf, wie etwa "Ansarullah Bangla Team" (ABT) in Bangladesch. Wie ABT scheint auch NTJ von Al-Kaida inspiriert zu sein", sagt Siegfried O. Wolf, Südasien-Experte beim Brüsseler Think Tank "South Asia Democratic Forum" im Gespräch mit der Deutschen Welle.

"Ihr Hauptziel ist es, eine dschihadistische Ideologie zu verbreiten und Angst und Hass zu erzeugen. Sie arbeiten daran, ethnische und religiöse Konflikte am Leben zu erhalten", ergänzt Wolf.

Die Bevölkerungsmehrheit Sri Lankas ist buddhistischen Glaubens, zehn Prozent sind Muslime, nur sechs Prozent der Einwohner sind Katholiken. Die Beziehungen zwischen der mehrheitlich buddhistischen Bevölkerung Sri Lankas und der muslimischen Minderheit waren in den letzten Jahren angespannt.

Im März 2018 erklärte die sri-lankische Regierung den landesweiten Ausnahmezustand, um die Gewalt zwischen Muslimen und der buddhistischen Mehrheit der Singhalesen zu bekämpfen.

Beobachtern zufolge gibt es in Sri Lanka bislang zwar keine nennenswerten islamistischen Gruppen. Doch der der religiöse Extremismus in Südasien wächst - sowohl auf muslimischer, als auch auf buddhistischer Seite.

Mindestens acht Detonationen ereigneten sich im Zentrum und Vororten der Hauptstadt Colombo und zwei weiteren Orten. Grafik: DW
Die Bombenanschläge sind ein großer Rückschlag für die sri-lankischen Behörden, die es geschafft haben, die Gewalt im Land in den letzten zehn Jahren einzudämmen. Bei jahrzehntelangen Konflikten mit den tamilischen Separatisten der "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) im Norden des Landes waren Tausende Menschen getötet worden.

Verbindungen zu globalen Terrornetzwerken?

Vor diesem Hintergrund stellt sich jedoch die Frage, warum sich die NTJ als mutmaßliche Drahtzieherin der Terror-Attacken dazu entschied, Kirchen und Ausländer anzugreifen, anstatt zu versuchen, Buddhisten Schaden zuzufügen. "Internationale Terroristengruppen missbrauchen zunehmend lokale Konflikte, um den globalen Dschihad auf verschiedene Teile der Welt auszudehnen“, erklärt Südasien-Experte Wolf.

Der Uiguren-Konflikt in der westlichen Provinz Xinjiang in China und der Rohingya-Konflikt in Myanmar seien zwei Beispiele dafür. In beiden Fällen versuchten globale Terror-Organisationen, wie der "Islamischer Staat" und Al-Kaida, lokale Probleme zu instrumentalisieren, um so weitere Unterstützer zu finden. Sri-lankische militante Gruppen hätten außerdem bereits seit langem Verbindungen zu internationalen Terror-Organisationen. "Die Notwendigkeit, Geld zu beschaffen, hat selbst separatistische Gruppen wie die 'Tamil Tigers' veranlasst, Hilfe von außen zu suchen", erklärt Wolf.

Mit enormen Anstrengungen seitens der Regierung habe sich Sri Lanka in den letzten zehn Jahren zu einem der beliebtesten Touristenziele entwickelt. "Ein Angriff in einer Touristenregion verspricht internationale Aufmerksamkeit", sagt Wolf, und Kirchen eigneten sich als "weiche Ziele".

Starke Spannungen

Hochrangige Vertreter der muslimischen Minderheit verurteilten die Terrorangriffe auf Kirchen und Hotels als "hinterhältige Taten", die eine "maximale Bestrafung" verdienten. "Im Namen der sri-lankischen muslimischen Gemeinschaft sprechen wir den Menschen christlichen Glaubens unser Beileid aus und strecken unsere Hände der Freundschaft in Solidarität aus", hieß es vom Rat der muslimischen Theologen.

Dennoch wecken die Anschläge nun Befürchtungen vor einem Wiederaufleben ethnischer und religiöser Gewalt in Sri Lanka. So berichtete die Polizei bereits am Sonntagabend von Angriffen mit Brandsätzen auf eine Moschee im Nordwesten sowie auf muslimische Geschäfte im Westen.

Die Bombenanschläge sind ein großer Rückschlag für die sri-lankischen Behörden, die es geschafft haben, die Gewalt im Land in den letzten zehn Jahren einzudämmen. Bei jahrzehntelangen Konflikten mit den tamilischen Separatisten der "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE)  im Norden des Landes waren Tausende Menschen getötet worden. Ex-Präsident Mahinda Rajapaksa hatte die LTTE 2009 schließlich mit einer Militäroperation besiegt.

Doch allein das Fehlen von Gewalt bedeute noch lange nicht, dass Sri Lanka seine schweren sozialen und politischen Spaltungen überwunden habe, sagt Südasien-Kenner Wolf. "Der ethnisch-religiöse Konflikt zwischen der buddhistischen singhalesischen Mehrheit und der hinduistisch-tamilischen Minderheit wurde 2009 zwar offiziell beendet, der Konflikt im Land besteht jedoch nach wie vor, da es für dieses vielschichtige Problem bislang keine politische Lösung gegeben hat."

Shamil Shams

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