Nach dem Friedensabkommen mit den Taliban
Ein Präsident auf Abruf

Nach dem Abkommen zwischen den USA und den Taliban Ende Februar in Doha stehen die politischen Perspektiven für den wiedergewählten Präsidenten Ashraf Ghani denkbar schlecht. Emran Feroz hat sich im afghanischen Mussahi umgehört.

Eine Gruppe von Männern und Kindern steht am Flussufer. Skeptisch schauen sie auf eine kleine Bewässerungspumpe, die trotz aller Bemühungen nicht anlaufen will.

Ein junger Mann versucht verzweifelt, den Pumpenmotor zum Laufen zu bringen, indem er am Seilzugstarter zieht und dabei auf den Ansaugschlauch starrt. Doch das Wasser im Fluss nimmt weiter seinen gewohnten Weg. Ein Verwandter aus Deutschland hat die Pumpe geschickt. Aber sie funktioniert einfach nicht.

Diese Geschichte ist symptomatisch für den Distrikt Mussahi in der Provinz Kabul, 30 Kilometer südlich der Hauptstadt. Hier funktionieren viele Dinge seit geraumer Zeit nicht mehr. Die Szene am Fluss verweist unabsichtlich auf eine größere Geschichte. Denn ähnlich wie diese Wasserpumpe in Mussahi funktioniert auch der größte Teil Afghanistans nicht – zumindest außerhalb der großen Städte.

Die Stadt Kabul hat in den achtzehn Jahren der US-geführten Invasion viele Veränderungen durchlaufen: Neu gebaute Hochhäuser prägen die Skyline der Stadt, immer mehr Straßen werden asphaltiert und renovierte Denkmäler erinnern an vergangene Epochen.

Eine kleine, aufstrebende Klientel schlürft mittlerweile Café Latte zu 1 Dollar den Becher und fördert damit die allmähliche Verbreitung westlicher Kaffeebars. Dieser Wandel wird durch viele streng gesicherte Villen und mondäne Hochzeitssäle gekrönt – Orte, an denen die städtischen Eliten ihren Wohlstand zur Schau stellen.

Land der Gegensätze

Doch nur wenige Autominuten südlich der Stadt liegt eine andere Welt, die von Jahren in Armut und Krieg zeugt. Mussahi ist seit Jahrzehnten Teil der Provinz Kabul und wie andere Bezirke der Provinz wird dieser Distrikt de facto von den Taliban kontrolliert.

Nicht funktionierende deutsche Wasserpumpe in Mussahi; Foto: Emran Feroz
Hilfe, die keinem hilft: Die Geschichte der defekten Wasserpumpe ist symptomatisch für den Distrikt Mussahi in der Provinz Kabul, 30 Kilometer südlich der Hauptstadt. Hier funktionieren viele Dinge seit geraumer Zeit nicht mehr. Die Szene am Fluss verweist unabsichtlich auf eine größere Geschichte. Denn ähnlich wie diese Wasserpumpe in Mussahi funktioniert auch der größte Teil Afghanistans nicht – zumindest außerhalb der großen Städte.

Dabei ist Mussahi nur ein Beispiel von vielen. Oft scheint es, als existiere das ländliche Afghanistan in den Köpfen vieler Stadtbewohner gar nicht. Vor allem in Kabul leben die politischen Eliten seit jeher in ihrer Blase. Das ist durchaus nicht neu, sondern hat Tradition.

Als die Briten versuchten, Afghanistan zu regieren, saßen die von ihnen installierten Monarchen in Kabul, während die Afghanen auf dem Land Widerstand leisteten. Als die Sowjets in das Land eindrangen, profitierten die Menschen in den Städten von Wohnungsbauprojekten und Infrastrukturmaßnahmen, während die Rote Armee und ihre afghanischen kommunistischen Verbündeten gleichzeitig die Dörfer von der Landkarte fegten.

Entfremdet von Kabuls Regenten

Diesen Regelkreis konnte auch die Regierung von Präsident Ashraf Ghani bislang nicht durchbrechen, zumal sie zum großen Teil aus westlich geprägten Technokraten besteht, die oft die doppelte Staatsbürgerschaft innehaben und teilweise die Regionalsprachen gar nicht beherrschen. Stattdessen fügte sich auch diese Regierung in den historischen Lauf der Dinge ein und schuf ihre eigene Blase.

Als Ghani im August letzten Jahres im jüngst wiederaufgebauten Dar-ul-Aman-Palast in Kabul den 100. Jahrestag der Unabhängigkeit Afghanistans feierte, erreichten die amerikanischen Luftangriffe und die nächtlichen Razzien der von der CIA unterstützten afghanischen Milizen in den ländlichen Gebieten des Landes einen Höhepunkt. Gleichzeitig eskalierte auch die Gewalt der Aufständischen. Weite Teile des Landes standen unter der Kontrolle der Taliban.

Die gesamte Regierung Ghani ist von wirtschaftlicher und militärischer Hilfe abhängig. Vielen Afghanen erschien es daher mehr als paradox, unter solchen Umständen die vermeintliche Unabhängigkeit zu feiern. 

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