Jazz im orientalischen Gewand

Persische Lyrik aus 1001 Nacht prallt auf urbanen Jazz der modernen Welt, und beide vertragen sich ganz wunderbar. Das ist die Geheimwissenschaft der vierköpfigen Berliner Band Cyminology. Von Suzanne Cords

Von Suzanne Cords

Nach drei CDs, in denen sich das Quartett die Gedichte alter Meister vornahm, hat die Berliner Band Cyminology mit "Saburi" 2011 ein Album mit eigenen Texten herausgebracht. "Saburi" heißt Geduld, und genau die braucht Sängerin Cymin Samawatie, wenn sie an die politische Situation im Iran denkt. Sie selbst ist zwar in Braunschweig aufgewachsen, ihre Eltern aber stammen aus dem Iran, und so fühlt sie sich dem Land eng verbunden.

Das Titelstück auf dem bislang letzten Album ist eine Reaktion auf das gewaltsame Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte nach der Präsidentschaftswahl 2009. Es ist Cymins Art des Protests. "Meine Hände können nicht spielen, was meine Ohren hören“, singt sie. "Meine Worte nicht beschreiben, was meine Augen sehen. Mein Herz nicht tragen, was meine Gefühle hervorrufen. Meine Tränen nicht auffangen, was das Leben hinterlässt."

Hoffnung und Sinnfragen

"Ich habe auch schon mal erwogen, auf Deutsch zu singen, aber der Klang des Persischen ist einfach farbenfroher und kommt meiner Gefühlswelt näher", erklärt die deutsch-iranische Sängerin Cymin Samawatie.

Auch die anderen Stücke kommen sehr philosophisch daher; es werden Lebens- und Sinnfragen gestellt, die Cymin Samawatie in den aus dem 12. und 13. Jahrhundert überlieferten Gedichten Rumis oder Khayyams entdeckte. Prägt ein Mensch sein Umfeld? Kann er etwas verändern? Wie echt ist das Bild, das ich von mir habe?

Die Sängerin hat alle Texte auf Deutsch zu Papier gebracht und dann von jemandem in Farsi übersetzen lassen, der in der Sprache heimischer ist als sie. "Ich habe auch schon mal erwogen, auf Deutsch zu singen, aber der Klang des Persischen ist einfach farbenfroher und kommt meiner Gefühlswelt näher", erklärt sie.

Angefangen hat die Band 2002 mit englischen Texten. Bis Cymin bei einer Tante eine CD mit mittelalterlichen Versen ihres Lieblingsdichters Khayyam entdeckte und so begeistert war, dass sie zunächst ihrem Jazzprofessor und dann der Band eine vertonte Variante vorlegte. Das war der Grundstein einer neuen Ära für Cyminology.

"Ich liebe den Klang der Sprache, gerade diese alten Gedichte, da steckt unheimlich viel drin, die haben so viele Bedeutungen", schwärmt sie. "Es geht um Sehnsüchte oder die Fragen, die einen beschäftigen: Woher komme ich, wohin gehe ich, warum bin ich überhaupt. Und ich finde es traurig, dass bei der Übersetzung so viel verloren geht. Ich sag' dann immer, die Leute sollen Persisch lernen. Goethe hat mit 60 noch Persisch gelernt, es ist also nie zu spät."

Begleitet wird Cymin auf ihrer Reise zwischen Okzident und Orient von einer deutsch-französisch-indischen Band, die mühelos die Balance zwischen urbanem Jazz und arabesken Schnörkeln hält. Elegische Klaviermomente wechseln sich mit dynamischen Schlagzeugsequenzen und pulsierendem Bass ab, und über allem schwebt wie ein weiteres exotisches Instrument geheimnisvoll und samten Cymins Stimme. "Das ist gerade für Außenstehende, die den Text nicht verstehen, eher so etwas wie Instrumentalmusik – ähnlich wie klassische Musik", findet sie. "Man nimmt den Klang wahr und kann darin eintauchen."

Musik mit Botschaft

Cyminology hat sich längst auf internationalen Festivals von New York bis Korea und auch im Nahen Osten einen ausgezeichneten Ruf erspielt. Auf Tour hat die Band dann neben der Musik auch immer diese Botschaft im Gepäck: "Wir verbinden verschiedene Kulturen, und wir präsentieren die schönen Seiten des Irans. Man vergisst halt schnell, dass in den Nachrichten eher das Negative gezeigt wird. Wir haben die Chance, durch die Kunst auch die positiven Seiten zu zeigen."

2011 gewann Cyminology den Weltmusikpreis Creole; für die Band selbst eine große Überraschung, für das Publikum wohl weniger. Denn was das Quartett bietet, ist ein ausgefeiltes dynamisches Klangerlebnis mit intimem Kammermusikcharakter, der zu überzeugen weiß.

Suzanne Cords

© Deutsche Welle 2013

Redkation: Nimet Seker/Qantara.de