Rehabilitierter Schmusesänger

Er ist ein Star in der deutsch-türkischen Community, wurde von Bundesaußenminister Steinmeier zum Vorzeige-Migranten auserkoren und stand unter Islamismus-Verdacht. Nun veröffentlichte R'n'B-Sänger Muhabbet sein drittes Album. André Tucic berichtet.

Er ist ein Star in der deutsch-türkischen Community, wurde von Bundesaußenminister Steinmeier zum Vorzeige-Migranten auserkoren und stand unter Islamismus-Verdacht. Nun veröffentlichte R'n'B-Sänger Muhabbet sein drittes Album. Von André Tucic

Muhabbet; Foto: © DW/Dominik Butzmann
Für die türkische Tageszeitung "Hürriyet"</wbr> ist er der "König des deutschen Arabesk"</wbr>: der 25jährige deutsch-türkische Sänger Muhabbet aus Köln.

​​"Sie liegt in meinen Armen" wurde 2005 zur Hymne in der deutsch-türkischen Community, geschrieben hat das Lied Murat Ersen, alias Muhabbet. Der 24jährige R'n'B-Sänger verbindet orientalische Popmusik mit Hip Hop- und Rhythm & Blues.

Nun hat er sein drittes Album mit dem wenig subtilen Titel "Das Album" veröffentlicht. "Die Lieder haben einen dreckigen R'n'B-Touch", sagt Muhabbet. Er ist ein Star in der deutsch-türkischen Musikszene und hat sogar die türkische Hymne zur Fußball-Europameisterschaft 2008 geschrieben.

Der Erfolg des Sängers begann, als er 2003 die Single "Sie liegt in meinen Armen" im Internet veröffentlichte. Das pathetische Schmuselied wurde mehrere tausend Mal herunter geladen, Produzent Ünal Yüksel holte ihn daher zu Plak Music. Yüksel sorgte auch dafür, dass Muhabbet bei Sony BMG anheuerte.

Das erste Album mit dem Titel "RnBesk" wurde 2005 veröffentlicht und "Sie liegt in meinen Armen" über 250.000 Mal in Download-Portalen vertrieben. Folgerichtig ging Muhabbet auf Tour, der Höhepunkt war dabei der "Tag der Türken" in Berlin, wo er vor 150.000 Fans auftrat. Im Sommer 2007 veröffentlichte er "In deinen Straßen", sein zweites Album.

Soziales Engagement

Seine Bekanntheit nutzt Muhabbet für gesellschaftlich relevante Initiativen: Er unterstützte eine Anti-Gewalt-Kampagne des Jugendmagazins Bravo, engagierte sich als UNICEF-Repräsentant und wurde zum Vorbild des Jahres 2006 der SOS-Kinderdorfinitiative Berlin. Ebenso war er Botschafter für "Fußball trifft Kultur", ein Bildungsprojekt der Frankfurter Buchmesse.

Darüber hinaus ist Muhabbet eingebunden in die Ernst-Reuter-Initiative, die Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und der damalige türkische Außenminister Abdullah Gül 2006 zum bilateralen Kultur- und Jugendaustausch begründeten.

Aktuell engagiert er sich bei der Deutschen Knochenmarkspende. Diese Engagements kommen nicht von ungefähr – Muhabbet weiß, wie schwer es Migranten haben können. Der 24jährige Sohn anatolischer Einwanderer lebt seit vier Jahren in Berlin, aufgewachsen ist er in Köln-Bocklemünd – einem sozialen Brennpunkt.

Muhabbet ging auf die Gesamtschule, war ein auffälliger Schüler und saß bereits im Alter von zwölf Jahren in U-Haft: "Ich war überheblich und hatte schlechte Noten", sagt Muhabbet, "jedes zweite Jahr hat man mich zum Schulpsychologen geschickt." Mit 16 Jahren hat er sein Elternhaus verlassen und ist nicht mehr zurückgekehrt.

Zwischen Provokation und Gewaltverherrlichung

Betreuer eines Jugendzentrums erkannten sein Talent und ermutigten ihn, mit der Musik zu beginnen. Also gründete er mit seinem Bruder Levent die Band "Kanaken Kollabo" – die beiden produzierten harte Rap-Musik mit weichem Soul-Gesang. Die Musik wurde als sexistisch und gewaltverherrlichend eingestuft.

"Wir waren jung und wollten provozieren", sagt Muhabbet heute. In einem der über 500 Lieder, die beide aufnahmen und über das Internet vertrieben, wurde sogar den Grauen Wölfen gehuldigt.

"Wir wussten nicht, wofür sie einstehen. Kurdische und alevitische Freunde haben uns aufgeklärt, dann haben wir es schnell wieder gelassen", sagt Muhabbet, der sich von der rechtsextremen Partei, die für ein großtürkisches Reich plädiert, distanziert.

Muhabbet und Frank-Walter Steinmeier; Foto: AP
2007 nahm Muhabbet mit Außenminister Steinmeier und seinem französischen Amtskollegen Kouchner einen Song auf, der für Integration und für ein weltoffenes Deutschland warb.

​​Heutzutage ist er bei einigen deutschen Politikern für sein soziales Engagement beliebt. So kam es, dass Muhabbet im Juli 2007 beim Sommerfest von Bundespräsident Horst Köhler auftrat. Vier Monate später nahm er mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und seinem französischen Kollegen Bernard Kouchner einen Song auf, der für ein weltoffenes und tolerantes Deutschland warb.

Unter Islamismus-Verdacht

Kurz danach kam es zu einem Eklat: Die Journalistin Esther Schapira beschuldigte den Sänger, dass er die Ermordung des niederländischen Filmemachers, Publizisten und Satirikers Theo Van Goghs gutgeheißen habe. Van Gogh wurde 2004 in Amsterdam auf offener Strasse von dem Marokkaner Mohammed Bouyeri ermordet.

Der Grund: Van Gogh hatte in seinem Film "Suspension" einer nackten Frau, die in einer Moschee stand, Koranverse auf die Haut projiziert. Schapira wurde im Rahmen des "Prix Europa" – einem europäischen Preis für Fernsehproduktionen 2007 – für ihre Dokumentation, "Der Tag, an dem Theo Van Gogh ermordet wurde", ausgezeichnet.

Muhabbet war ebenfalls zugegen und soll in einem Gespräch mit Schapira gesagt haben, dass Van Gogh Glück gehabt habe, so schnell gestorben zu sein. Es hätte genügend Leute gegeben, die ihn in den Keller gesperrt und gefoltert hätten. Schapira hatte diese Aussagen an die Öffentlichkeit gebracht, woraufhin Muhabbet einige Zeit unter Islamismus-Verdacht stand.

Muhabbet bei einer Autogrammstunde in Berlin Steglitz; Foto: © Wikimedia Commons
Ungebremste Popularität: Allein in den letzten drei Monaten wurde Muhabbets Song "Wie Lange" rund 200.000 Mal auf seiner Website herunter geladen.

​​Die Angelegenheit ging vor das Landgericht Berlin, dem Sänger wurde Recht zugesprochen. "Das Verfahren wurde eingestellt, weil keine Beweise vorlagen. Das ganze war eine bodenlose Frechheit", erinnert Muhabbet. Teile der Fangemeinde hat er nicht eingebüßt. "Die Fans stehen hinter mir. Aber vor Journalisten hüte ich seither", sagt der Sänger.

Trotz der Skepsis ist Muhabbet bemüht, das neue Album bekannt zu machen. Aber nicht um jeden Preis, der Musikstar hat sich sogar von seiner Plattenfirma getrennt. "Bei dieser Art von Musik-Business mache ich nicht mehr mit. Es ist nicht mein Interesse, Clips bei Privatsendern einzuspielen oder Autogrammstunden in Einkaufsmärkten zu geben", sagt Muhabbet.

Neben dem Verdruss gab es auch strategische Beweggründe für seinen Schritt: "Der Verkauf im Handel ist tot, alle machen illegale Downloads im Internet. Also habe ich mich entschlossen, meine Songs im Internet zum Kauf anzubieten und ans Gewissen der Fans zu appellieren", sagt Muhabbet.

An Beliebtheit hat er weder durch den Islamismus-Verdacht, noch wegen seiner Selbstvermarktung eingebüßt: In den letzten drei Monaten waren rund drei Millionen Menschen auf seiner Website, der Song "Wie Lange" wurde über 200.000 Mal herunter geladen.

André Tucic

© Qantara.de 2009

Qantara.de

Deutsch-türkische Popszene
Bassturk, Muhabbet, Tarkan & Co.
Spätestens seit den 90er Jahren geht die türkisch-deutsche Musikszene eigene Wege und entwickelt kreative und erfolgversprechende neue Stile, wie zum Beispiel "R'n'Besk" – eine Symbiose aus türkischen Arabesk-Gesang und gospeligen R'n'B-Standards. Daniel Bax hat sich umgehört.

Türkischer Arabesk-Gesang
Machos mit Herz
Wenn Männer zu sehr lieben: Türkischer Arabesk-Gesang erobert die deutschen Charts. Im Internet erarbeiteten sich Muhabbet oder Mehmet & Murat eine Fanbasis. Nun beißen die Plattenfirmen an. Von Daniel Bax

Dossier
Musikwelten
In der islamischen Welt und Europa hat sich längst eine eigenständige, moderne Musikszene entwickelt, die sich fernab von Bauchtanz- und Folkloreklischees bewegt. In diesem Dossier stellen wir einige ihrer wichtigsten Akteure, Stilrichtungen und Begegnungen vor.