Mohamed Laabdallaoui, 08. Juni 2011

zu Wer steckt hinter der Burka? von Sahar Khalifa

Der Essay ist aufschlussreich und sicherlich in der Lage, das Anliegen der Autorin "fühlbar" zu machen, wie sie schreibt. Doch so nachvollziehbar sie den Gang der Dinge bis hin zu den treffend geschilderten "durcheinandergeratenen Papieren" beschreibt, so vereinfachend stellt sie die Kette von Ursache und Wirkung dar. Es entsteht der Eindruck, dass Islamismus, Orthodoxie und Feminismus-Feindschaft ein reines Produkt westlicher Machenschaften sind. Das stimmt nicht.
Schon die heftige Ablehnung der Thesen des ersten arabischen Feministen Qasim Amin (gest. 1908) war eine autochthone Reaktion der religiösen Eliten. Die spätere Ablehnung von Sozialismus und Feminismus mit Maududi und Qutb als Vordenkern ebenfalls. Und Nasser war eben ein Diktator, patriotisch und sozialistisch zwar, aber brutal im Umgang mit den Islamisten. Die Hinrichtung von Sayyid Qutb bleibt eine hässliche Narbe seiner Zeit. Ähnlich verhält es sich auch mit Bourguiba in Tunesien. Sozialismus und Modernismus sind in der Erfahrung der Islamisten auch Feinde des Islam.
Im Ergebnis behält die Autorin aber Recht: Geistiges Chaos und durcheinandergeratene Papiere. Die Entstehung dieses Chaos ist zum Teil so, wie die sie beschreibt, zum Teil sind die Faktoren von Anfang an unabhängig von einander oder gegenläufig. Die "islamische" Bewegung auf ihre westlich instrumentalisierten Ableger zu reduzieren, ist genauso falsch wie die Reduzierung des arabischen Sozialismus/Feminismus auf die staatshörige "Ideologie" in Tunesien unter Benali oder des arabischen Nationalismus auf den Staats-Baath in Irak und Syrien.
Islamische Bewegung, Feminismus/Sozialismus und arabischer Nationalismus waren alle in erster Linie emanzipatorische Bewegungen mit dem wichtigen Anliegen der Befreiung aus der Hegemonie des Westens. Statt den Pluralismus der ideologischen Entwürfe zu akzeptieren und konstruktiv im Sinne der gemeinsamen Interessen zusammenzuarbeiten, haben sie sich gegenseitig zu Feinden erklärt.