
Militärdiktaturen in der islamischen WeltDie wahren Feinde des Arabischen Frühlings
In mehr als einem arabischen Land wird derzeit die Macht von einem Militärherrscher zum nächsten weitergereicht. Auch wenn es oberflächlich gesehen von Fall zu Fall Unterschiede gibt, bleibt das Prinzip das gleiche. Von Algerien über den Sudan, Mauretanien und Libyen bis nach Ägypten wiederholt sich dies nun seit einem halben Jahrhundert immer wieder.
Dass sie das Militär dazu gebracht haben, öffentlich Stellung zu beziehen und sich als der wahre Herrscher über das Land zu erkennen zu geben, war wohl der größte Erfolg der jüngsten Proteste in Algerien. Nach der Absetzung Abdelaziz Bouteflikas und seiner Entourage gilt jetzt der Oberbefehlshaber der Armee, Ahmed Gaid Salah, als der starke Mann im Staat.
In Wahrheit herrschten die Militärs jedoch die ganze Zeit über Algerien. Sie waren es, die als "Präsidenten-Macher" vor zwanzig Jahren Abdelaziz Bouteflika aus seinem Exil in den Emiraten zurückholten und ihn als ewigen Herrscher über das algerische Volk installierten und von da an aus dem Hintergrund mitregierten.
Im Sudan taktiert unterdessen nach dem Sturz Omar al-Baschirs der Militärrat, sozusagen der verlängerte Arm seines Regimes, um nicht auf die Forderungen der zivilgesellschaftlich getragenen Revolutionsbewegung eingehen zu müssen. Stattdessen arbeitet er an einer Neuauflage der alten Militärherrschaft, die seit der Unabhängigkeit des Sudan vor etwas mehr als sechzig Jahren die Macht im Land hat.
In Mauretanien gestaltet sich die Lage noch eindeutiger: Der selbst durch einen Militärputsch an die Macht gekommene General Mohamed Abdel Aziz will die Regierungsverantwortung mittels höchst fragwürdiger Wahlen an seinen Verteidigungsminister General Mohamed Ghazouani übergeben, damit die Macht in den Händen des Militärs bleibt.
Im Würgegriff der Generäle
Und um Libyen steht es noch schlimmer: Dort versucht ein pensionierter General, Khalifa Haftar, sich mit Waffengewalt zum Herrscher zu machen, ganz im Stile des Tyrannen Muammar al-Gaddafi, der über vier Jahrzehnte lang die libysche Bevölkerung unterjocht hatte.

Und Ägypten? Am Nil hat das Militär, das seit dem Putsch 1952 über das Land herrscht, nicht nur die Politik fest im Griff. Es kontrolliert ein riesiges Wirtschafts- und Medienimperium, das den Staat quasi in der Hand hat und jedes Detail in der Gesellschaft bestimmt und steuert.
Insgesamt gibt die Lage ein äußerst düsteres Bild ab. Das gilt umso mehr angesichts dessen, dass es innerhalb der politischen Kräfte in diesen Ländern Fraktionen gibt, die nach wie vor glauben, dass das Militär die Rolle eines gesellschaftlichen Motors für neue Revolutionen übernehmen könnte – sogar unter den Revolutionären selbst. Und das, obwohl es das Militär ist, das seit mehr als einem halben Jahrhundert über die arabischen Staaten herrscht und ihre Gesellschaften im Würgegriff hat.
Die Vorstellung von der "Unantastbarkeit" der Armee, die als Hüter über Gesellschaft, nationale Einheit und territoriale Integrität hohes Ansehen genießt, ist in der arabischen Welt weit verbreitet und fest im kollektiven Bewusstsein verankert.
Der verblichene Mythos des Militärs
Aber als die Menschen in den vergangenen sieben Jahren in Syrien, Libyen, Ägypten und dem Jemen auf die Straße gingen, um ihr Recht auf Selbstbestimmung einzufordern, ist dieser Mythos vor aller Augen in sich zusammengefallen. Denn alle diese Staaten wurden und werden immer noch von Militärregimen regiert, die nicht zögern, alles zu opfern, um an der Macht zu bleiben, selbst wenn dann nur noch Ruinen bleiben, über die sie herrschen können.