Gelder aus der gemeinsamen Sparbüchse

Die indonesische Organisation Dian Mandiri vergibt Mikrokredite vor allem an so genannte muslimische Sparklubs. Diese Gelder sollen den Menschen helfen, eigene Geschäfte aufzubauen. Aus Jakarta berichtet Christina Schott.

​​"Was ist wichtig für Euer Geschäft?" Etwa 20 Frauen in knallbunten Kleidern und Kopftüchern sitzen vor der rundlichen Trainerin, die diese Frage in die Runde geworfen hat. "Morgens früh aufstehen und immer zur gleichen Zeit den Laden öffnen", ruft eine Dame aus der hinteren Reihe. "Dass mein Mann und ich uns gegenseitig vertrauen können", murmelt eine andere.

"Disziplin", "Pünktlichkeit" und "Vertrauen" stehen zusammen mit vielen anderen Schlagwörtern auf Indonesisch an einer Tafel auf der Holzveranda, wo die Versammlung auf Bastmatten hockt. Seit vier Jahren treffen sich die Frauen der Mikrokreditgruppe "Sari Ayu" jede Woche im Dorf Kiyarapayung im Landkreis Tangerang, anderthalb Stunden westlich von der indonesischen Hauptstadt Jakarta – immer abwechselnd im Haus eines Mitglieds.

Mit umfassendem Konzept zum Erfolg

Nicht jede Woche allerdings gibt es ein Training. Diese Fortbildung gehört zum Programm der Dian Mandiri-Stiftung, die seit 1998 Mikrokredite an so genannte Sparklubs in ärmeren Wohngebieten in und um Jakarta vergibt, darunter auch in Kiyarapayung. Ziel ist es, mittellosen Menschen, vor allem Frauen, den Aufbau eines eigenen Geschäfts zu ermöglichen, indem sie nicht nur Kleinkredite erhalten, sondern auch entsprechend ausgebildet und betreut werden.

Neumitglieder bekommen erst nach mindestens acht Schulungstreffen einen ersten Kredit in Höhe von umgerechnet etwas mehr als 40 Euro, der – inklusive der 3,5 Prozent Zinsen – in Wochenraten zurückgezahlt werden muss. "Das ist zwar mehr als bei einer normalen Bank, aber die würde uns erst gar keinen Kredit geben. Dafür bekommen wir hier gleich noch eine Fortbildung dazu", sagt Soleha, die seit der Gründung bei "Sari Ayu" dabei war.

Christlicher Hintergrund spielt keine Rolle

Obwohl Dian Mandiri eine christliche Organisation ist, sind 95 Prozent ihrer Klienten Muslime, zum größten Teil sind sie weiblich. "Wir sind eine professionelle, keine missionarische Organisation: Unsere Religion hat nichts mit unserer Arbeit zu tun", erklärt Dino V. Hadjarati, Einsatzmanager von Dian Mandiri.

"Wenn Fragen nach unseren Absichten kommen, verweisen wir auf die Geschäftsbedingungen. Daran halten wir uns und sind bislang gut damit gefahren. Um unseren Kunden gerecht zu werden, bilden wir uns momentan außerdem im Bereich Syariah Banking fort."

Auch die Frauen von "Sari Ayu " sehen die Religion nicht als Hindernisgrund. "Wir haben von Anfang an mit diesen Leuten zusammengearbeitet, und sie haben sich immer an ihre Versprechen gehalten. Wir haben sogar schon Angebote von anderen Mikrokredit-Organisationen abgelehnt, weil wir Dian Mandiri voll vertrauen – ob christlich oder nicht", sagt Soleha mit Nachdruck.

In mittlerweile sieben Kreditzeiträumen konnte die 33jährige den kleinen Bambuskiosk vor ihrem Haus in Kiyarapayung zu einem gemauerten Tante-Emma-Laden ausbauen. Mit den Zusatzeinnahmen bezahlt sie das Schulgeld für ihre drei Kinder, für das der Verdienst ihres Mannes als Fischer allein nicht ausreichen würde. "Ohne die Kreditgruppe und unsere Trainingsstunden hätte ich das nicht geschafft", erklärt Soleha.

Aus Prinzip solidarisch

Soleha mit ihrer jüngsten Tochter; Foto: Christina Schott
Die christliche Organisation Dian Mandiri genießt auch bei Muslimen großes Vertrauen, meint Soleha.

​​Sparklubs haben eine lange Tradition in Indonesien. Ob Frauen, Männer oder Jugendliche – jeder kennt "Arisan", regelmäßige Versammlungen, auf denen gemeinsam gebetet und gegessen wird, bevor jeder etwas Geld in die gemeinsame Sparbüchse steckt.

In jedem Dorf beteiligen sich die Bewohner außerdem mit Kleinstbeträgen an den Kosten für Gemeinschaftsanschaffungen, die ein Nachtwächter aus alten Blechdosen oder Einmachgläsern vor der Haustür klaubt. Auf diese Weise kann die Dorfgemeinschaft auch mal aushelfen, wenn etwa jemand stirbt.

Auch bei Dian Mandiri gilt dieses Prinzip der Nachbarschaftshilfe. Kann ein Mitglied seine Kreditrate einmal nicht bezahlen, etwa aus Krankheitsgründen, dann muss die Gruppe dafür einstehen. Im aktuellen Fall von Rohayati klappt das gut: Da die 40jährige momentan ihren todkranken Mann pflegen muss, kann sie nicht mehr genug arbeiten, um das ausstehende Geld zurückzuzahlen. Die anderen "Sari Ayu"-Frauen strecken die Summe gemeinsam vor.

Absicherung durch Zusatzversicherung

Damit im Todesfall eines Kreditnehmers aber die Schulden nicht auf den Hinterbliebenen lasten, hat Dian Mandiri seit vergangenem Jahr eine Versicherungspflicht eingeführt.

Zusammen mit der Allianz Indonesien und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) bietet die Organisation nun für zusätzliche zwölf Cent eine kombinierte Kredit- und Lebensversicherung an: Sollte ein Klient sterben, dann wird nicht nur der Kredit getilgt, sondern der Begünstige erhält außerdem das Doppelte des ursprünglich geliehenen Betrags als Prämie.

"Ich hatte noch nie zuvor in meinem Leben eine Versicherung", sagt Soleha. "Doch ich fühle mich tatsächlich besser, seitdem ich weiß, dass meine Familie keine Schulden abzahlen muss, sollte mir etwas zustoßen." Zum Abschluss des Treffens beten alle zusammen zu Allah – die Kopftuch tragenden Frauen gemeinsam mit ihren christlichen Trainern.

Christina Schott

© Qantara.de 2007

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