Tee im Garten Timurs

In seinem Buch "Tee im Garten Timurs" widmet sich Michael Lüders den Krisengebieten nach dem Irak-Krieg, vorwiegend den Staaten in Zentralasien. Er analysiert, weshalb es in diesen Regionen radikalislamische Bewegungen gibt und wie hier hochbrisante Konfliktherde entstehen.

In seinem Buch Tee im Garten Timurs widmet sich Michael Lüders den Krisengebieten nach dem Irak-Krieg, vorwiegend den Staaten in Zentralasien: Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan. Er analysiert, weshalb es in diesen Regionen radikalislamische Bewegungen gibt und wie hier hochbrisante Konfliktherde entstehen.

Die Antiterror-Koalition ist eine bunte Truppe. Ihr gehören auch Staaten an, die als Unrechtsregime gelten, die von Rechtsstaat und Demokratie weit entfernt sind. Wie beispielsweise die fünf zentralasiatischen Republiken, mit denen die USA nach dem 11. September verstärkt zusammenarbeiten. In der Folge des 11.Septembers wurden ihre autoritären Präsidenten zu Verbündeten des Westens.

Was sich jedoch in diesen Ländern innenpolitisch abspielt, wie schlecht es um Menschenrechte und demokratische Spielregeln bestellt ist, davon handelt das Buch des Politologen und Islam-Fachmanns Michael Lüders "Tee im Garten Timurs", das im Arche-Verlag erschienen ist.

Die zentralasiatische Region mit ihren fünf Republiken ist für Lüders die "geographische Fortsetzung des Nahen und Mittleren Ostens". Sie drohe zum Teil eines durchgehenden Krisenbogens zu werden, der von Israel/Palästina bis Pakistan/Indien reiche. Einen Krisenbogen, den der Autor als eine "Zone endemischer Gewalt mit unklaren Fronten" charakterisiert.

Soziale Explosion droht

Die Politik der USA nach dem 11. September werde der krisenhaften Entwicklung nicht gerecht. Der Autor kritisiert: Die Freiheit, wie sie die neokonservative amerikanische Regierung verstehe, sei eine "Moral unter Waffen, die nicht den Ausgleich suche, sondern die Festigung bestehender Vorherrschaft". So kooperiere die amerikanische Regierung wissentlich mit Unrechtsregimen wie dem des tadschikischen Präsidenten Rachmonow.

Gerade Tadschikistan ist in den Augen des Autors eine Schlüsselregion für die weitere politische Entwicklung – ähnlich wie Afghanistan. Tadschikistan gilt als das Armenhaus Zentralasiens: 80 Prozent der Bevölkerung leben in bitterster Armut. Ein Drittel, vielleicht sogar die Hälfte des tadschikischen Volkseinkommens wird durch den Drogenhandel von Afghanistan nach Europa erwirtschaftet.

An ihm verdienen hohe Regierungsbeamte, Sicherheitskräfte und Militär. Angesichts der Verelendung des bis 1997 von einem Bürgerkrieg erschütterten Landes, so Lüders, sei es nur eine Frage der Zeit, bis Tadschikistan eine soziale Explosion erlebe.

Mangelnde Legitimation der Regime

Nach der Unabhängigkeit hat der Islam in allen fünf zentralasiatischen Republiken einen Aufschwung erlebt. Lüders unterscheidet drei Varianten des Islam: einen volkstümlichen und einen radikalen Islam - der sich aus der Wechselwirkung von politischer Repression, Identitätssuche und wirtschaftlichem Niedergang ergebe, sowie einen offiziellen Regierungs–Islam, der in erster Linie der Legitimation der autoritären Regime diene. Die Gefahr einer islamischen Revolution in Zentralasien schätzt der Autor gleichwohl gering ein.

Zwar ist die in Zentralasien verbreitete Armut Nährboden für radikale Ideologien. Doch haben 70 Jahre Sowjetunion und staatlich verordneter Atheismus die Säkularisierung der Gesellschaften weit vorangetrieben. Nirgendwo scheint deshalb der radikale Islamismus so fehl am Platze wie in den zentralasiatischen Republiken. Der traditionelle Islam in dieser Region ist vielmehr eine volkstümliche Religion, ein mythisch-mystischer Volksglaube, tolerant, meditativ und friedlich.

Darum sei die politische Instabilität der Region weniger auf einen islamischen Faktor zurückzuführen - wie es die Regime in der Hoffnung auf westliche Gelder stets betonen - als auf die mangelnde Legitimation der Regime und ihr Unvermögen, wirtschaftlichen Niedergang und soziale Ungerechtigkeit zu stoppen. Schwarz-weiße Lagertheorie trägt nicht. Dass der amerikanische Anspruch, im Nahen und Mittleren Osten mittelfristig demokratische Verhältnisse zu schaffen, offensichtlich auf Zentralasien keine Anwendung findet, wird besonders deutlich an Turkmenistan.

Dieses "Nordkorea in der Wüste", wie Lüders es treffend nennt, wird geführt vom allmächtigen Präsidenten Nijasow und seinem Staatsapparat. Es gibt keine Parteien, keine Opposition, keine unabhängigen Medien. Doch das Land verfügt über gewaltige Erdölreserven, die es schon in wenigen Jahren zu einem der Top-Ten-Produzenten weltweit machen können. Deshalb gehen sowohl die USA wie Russland vorsichtig um mit dem Diktator in Aschgabat.

Am Beispiel Zentralasiens führt Lüders dem Leser vor Augen, dass die von den US-Führung wiederholte, schwarz-weiße Lagertheorie – hier die Achse des Bösen, dort die Bündnispartner der Internationalen Anti-Terror-Koalition - nicht trägt.

Ute Schaeffer

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