Sonntag, 25. Mai 2003 18:02

„The bloody dog is dead!“ So einfach und klar, mein lieber Abbas, ging es früher zu, bei den eindeutigen, den gerechten Kriegen gegen die ...

„The bloody dog is dead!“

So einfach und klar, mein lieber Abbas, ging es früher zu, bei den eindeutigen, den gerechten Kriegen gegen die Deutschen: Als Vollzug gemeldet wurde, der schnurrbärtige Diktator tot war, und die alliierten Truppen in der Hauptstadt standen, da war der Krieg aus, und der Frieden und Wiederaufbau begann. Die deutschen Verlierer, die eben noch aus allen Rohren auf ihre bolschewistisch-jüdischen Feinde geschossen hatten, hängten die weiße Fahne raus, bedankten sich für die Befreiung vom Faschismus und reihten sich – je nachdem wessen MPs ihnen auf die Brust zeigten – in die Kurse für Demokratisierung bzw. für Sozialismus ein. Ja, wir Deutschen zeigten uns, nachdem wir 30 Millionen umgebracht hatten, und nachdem sieben Millionen der unseren umgebracht worden waren, als sehr einsichtig, und taten wortwörtlich und eifrig genau das, was unsere Bezwinger/Befreier von uns verlangten und erwarteten, machten unseren Diener und sagten „Vielen Dank auch“ und „Wohl bekomms“ und „Ja, hätten wir das alles mal schon früher gewußt“ ...

Ach, könnte es doch überall so zugehen, nichtwahr, Herr Bush!
Daß die Diktatoren am Ende des Kriegs gefangen oder tot sind, daß die Bevölkerung kapiert, daß man sie nicht besiegen, sondern befreien wollte, daß sie versteht, daß natürlich dennoch der Sieger regieren muß, und daß sie zum Teufel noch mal DANKBAR ist für all das.

Unter uns gesagt, lieber Abbas, wirft man einen Blick auf die Gefängnisse, auf die Massengräber und die anderen Zeugnisse der Schreckensherrschaft Saddams, dann kann man kaum anders als dankbar zu sein, daß die Amerikaner seinem Regime ein Ende gemacht haben. Die Frage, die sich stellt, ist ja nicht mehr die nach der Legitimität und Legalität dieses Kriegs, die wäre Wochen nach seinem Ende nur noch lächerlich. Die Frage, die sich stellt, ist: Was soll an die Stelle dieses Regimes treten? Etwa ein islamischer Gottesstaat unter der Kontrolle schiitischer Mullahs? Von Saddams Regen in die islamistische Traufe zu kommen, wäre ein etwas bitteres Ergebnis des Kriegs Aber was sonst? Was haben sich die Amerikaner gedacht? Waren sie wirklich so naiv zu glauben, die Iraker wären ähnliche Leute wie die Deutschen 1945, würden ihnen die Füße küssen und sich als beflissene Demokratieschüler versuchen? Oder ist es ihnen egal, was für ein Regime letztlich die Macht im Irak übernimmt, Hauptsache, sie kontrollieren das Öl und ihre Unternehmen verdienen am Wiederaufbau? Haben sie einen utopisch-idealistischen demokratischen Masterplan für die ganze Region, nach dessen Logik noch ein paar weitere autokratische Regimes fallen müssen, oder sind sie so blöd, so naiv, so ausschließlich imperialistisch, wie die europäische Intelligenzia glaubt?

All diese Fragen lassen sich schwer bebildern, und deswegen werden sie auch im Fernsehen nicht mehr gestellt. Ja, der Irak ist von den Titelseiten verschwunden, wir haben ihn offen gestanden ein bißchen über, jetzt wollen wir wieder einmal anderes hören und sehen, ein bißchen deutsche Innenpolitik, ein bißchen Erdbeben in Algerien. Aber, dies ist eine der Erkenntnisse des Kriegs: Was wir hoffen und wollen, was wir sehen und nicht sehen, spielt keine Rolle. Die Vereinigten Staaten von Amerika werden sich entscheiden, gewisse Dinge zu tun oder nicht zu tun. Die Iraker und übrigen Araber werden sich darüber freuen oder ärgern, und die USA ein bißchen mehr oder weniger hassen. Wir hier in Europa werden beizeiten darüber informiert werden. Beizeiten heißt, nachdem die Entscheidungen gefallen sind.

M.Kleeberg