Öl ins Feuer

Der Konflikt zwischen der AKP-Regierung und dem Doğan-Mediengiganten eskaliert. Hintergrund ist die kritische Berichterstattung über einen Spendenskandal, in den auch hochrangige AKP-Mitglieder verwickelt sind und der immer weitere Kreise zieht. Von Ömer Erzeren

Der Konflikt zwischen der AKP-Regierung und dem Doğan-Mediengiganten eskaliert. Hintergrund ist die kritische Berichterstattung über einen Spendenskandal in Deutschland, in den auch hochrangige AKP-Mitglieder verwickelt sind und der immer weitere Kreise zieht. Ömer Erzeren informiert aus Istanbul.

Medienkonzern Dogan Medya in Istanbul; Foto: dpa
Kraftprobe mit der AKP-Regierung - Mediengigant Dogan Medya in Istanbul

​​Eine regelrechte Schlammschlacht lieferten sich vor kurzem der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan und der Medienunternehmer und Industrielle Aydın Doğan:

Über eine Woche hinweg attackierte der türkische Ministerpräsident Doğan persönlich. Er zeichnete das Bild eines gewissenlosen Kapitalisten, der die Regierung erpresse, um wirtschaftliche Vorteile zu ergattern. Erpressung sei das Motiv für die regierungsfeindliche Berichterstattung der Doğan-Medien, so Erdoğan.

Doğans "Revolverhelden"

In Wirklichkeit ginge es Doğan um eine Baugenehmigung für das von ihm erworbene Hilton-Grundstück in Istanbul und die Vergabelizenz terrestischer Frequenzen für den Fernsehsender CNN. Die Journalisten, die für Doğan-Medien arbeiten, bezeichnete der Ministerpräsident als "Doğans Revolverhelden". Schließlich rief Erdoğan sogar zum Boykott der Zeitungen und Zeitschriften der Doğan-Medien auf.

Abgeordnete der Regierungspartei gingen sogar noch einen Schritt weiter: Der Abgeordnete der türkischen Regierungspartei AKP, Kemal Göktas, heizte während einer Parteiversammlung ein: "Ich würde mich nicht wundern, wenn eines Tages Aydın Doğan um 6.00 Uhr morgens in seiner Wohnung festgenommen und in Handschellen zur Polizeiwache abgeführt wird."

Eine "Geisteshaltung, wie beim Saddam Hussein Regime" witterte der 72-jährige Aydın Doğan. Er wurde gänzlich von den Attacken des Ministerpräsidenten überrascht. Die Anträge auf die Baugenehmigung des Hilton Hotels sowie die Frequenz-Lizenz von CNN-Türk waren ganz gewöhnliche Anträge im gesetzlichen Rahmen, wie sie bei einem großem Mischkonzern üblich sind.

Der Ministerpräsident versuche vielmehr kritischen Journalismus mundtot zu machen. Auch Journalistenverbände reagierten empört auf die Ausfälle Erdoğans.

Selbst die liberale Tageszeitung "Radikal" aus dem Hause Doğan, die eher für besonnene Schlagzeilen bekannt ist und in der auch Kolumnisten schreiben, die der Regierungspartei AKP nahe stehen, war mit der Geduld am Ende. Auf der ersten Seite titelte die Zeitung über einem Foto der nationalsozialistischen Bücherverbrennung mit der Schlagzeile: "Die Fussstapfen des Faschismus".

Der Leuchtturm-Fall

Anlass für den Konflikt war ein Spendenskandal in Deutschland, den Zeitungen und Fernsehsender der Doğan-Gruppe aufgegriffen hatten und über den sie ausführlich berichteten.

Drei Türken waren vom Landgericht Frankfurt wegen Spendenbetrugs zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Sie hatten von in Deutschland lebenden Türken Spenden für den islamischen Wohltätigkeitsverein "Deniz Feneri" (Leuchtturm) gesammelt und unrechtmäßig Millionenbeträge in die Türkei verschoben.

Aydın Doğan; Foto: AP
Aydın Doğan, türkischer Medienmogul und Industrieller, steht unter Druck der Erdoğan-Regierung, weil seine Medien über den "Leuchtturm-Skandal"</wbr> berichteten, in den auch AKP-Mitglieder verstrickt sind.

​​Der Hauptangeklagte, Mehmet Gürhan,wurde inzwischen zu einer Freitheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Doch die Hintermänner und Empfänger des Geldes sitzen nach wie vor in der Türkei. Sie bekleiden heute Spitzenpositionen im Medienbereich.

Zahid Akman, einst Nachrichtensprecher des AKP-nahen Fernsehsenders Kanal 7, ist heute Vorsitzender des Rundfunk- und Fernsehrates (RTÜK, Radyo Televizyon Üst Kurulu). Er soll als Geldkurier die Spendengelder des Leuchtturm-Vereins Kanal 7 zugeführt haben.

Zekeriya Karaman, einst Partner von Gürhan, steht heute an der Spitze von Kanal 7. Akman und Karaman sind enge Weggefährten Ministerpräsident Erdoğans.

Gegen Akman ist ein weiteres Ermittlungsverfahren in Deutschland anhängig. Es geht um Betrug und Insolvenzverschleppung. Die "Offenbacher und Frankfurter Wohnungsbaugenossenschaft", in deren Vorstand sowohl der in Frankfurt verurteilte Gürhan, als auch Akman saßen, soll Gelder sowie Eigenheimzulagen von 1.300 türkischen Kleinanlegern in Deutschland veruntreut haben.

Schützenhilfe für Erdoğan

Die Werbespots für die Wohnungsbaugenossenschaft schaltete der Fernsehsender Kanal 7. Besonders delikat hierbei ist, dass die Medien, die mutmaßlich mit Spendengeldern aus Deutschland finanziert wurden, Schützenhilfe bei den Attacken des Ministerpräsidenten auf die Doğan-Mediengruppe leisten.

Der türkische Ministerpräsident Erdoğan; Foto: AP
Ministerpräsident Erdoğan wirft dem Medienunternehmer Doğan vor, eine Verleumdungskampagne gegen die AKP zu führen.

​​Doch der Spendenskandal war nur Anlass, nicht Ursache des Konfliktes. Tatsächlich ist die Dominanz der Doğan-Gruppe im Medienbereich der regierenden AKP ein Dorn im Auge. Die Konzentration im Mediensektor ist groß.

Eine Studie der Kartellbehörde vom vergangenen Jahr führt das Ausmaß dieser Konzentration vor Augen. Im Fernsehsektor beträgt der Marktanteil der Doğan-Gruppe (u.a. die nationalen Fernsehkanäle Kanal D und Star) 45,9 Prozent. Die Çalık-Gruppe (u.a. der nationale Kanal ATV und die Tageszeitung Sabah) kommt auf 22,9 Protzent und die Çukurova-Gruppe (Show TV) auf 16,4 Prozent.

Dahinter liegt weit abgeschlagen der staatliche Sender TRT mit einem Marktanteil von gerade einmal 3,3 Prozent. Die gleichen Konzerne teilen ebenfalls unter sich den Markt im Printmediensektor auf. 85 Prozent der Werbeeinnahmen im Mediensektor – mit einem Gesamtvolumen von ca. zwei Milliarden Euro – gehen auf die Doğan- und die Çalık-Gruppe.

Die Hauptgewinne erwirtschaften die Konzerne nicht im Medienbereich, sondern in anderen Sektoren, wie dem Bankgewerbe, der Energie- und Bauwirtschaft). Und die geballte Macht der Medien manifestierte sich auch stets bei der Verteidigung wirtschaftlicher Interessen. Die Doğan-Gruppe ist Eigentümerin der Raffinerie POAS mit einem Marktwert von fast 2,5 Milliarden US-Dollar.

Krieg gegen Istanbuler Großkapital

Die regierende AKP hat mit den jüngsten Ausfällen gegen Aydin Doğan einen Krieg gegen das Istanbuler Großkapital gestartet, urteilt der Politologe Hasan Bülent Kahraman.

Tatsächlich läßt sich nicht übersehen, dass die AKP versucht, die Dominanz der Doğan-Gruppe zu brechen und bestrebt ist, regierungsfreundlichen Unternehmern zur Medienmacht zu verhelfen.

Der Medienverbund Merkez wurde vom Bankeinlagensicherungsfonds TMSF im Jahr 2007 in einer höchst umstrittenen Entscheidung beschlagnahmt und unterstand zeitweilig der Finanzaufsicht des Staates.

Nach einer Prozessflut und einer letztendlichen Übereinkunft mit dem ehemaligen Eigentümer Turgay Ciner wurden große Teile des Medienverbunds zum Verkauf ausgeschrieben.

Im Dezember 2007 kam es schließlich zum Verkauf des Medienverbunds Sabah-ATV für 1,1 Miliarden US-Dollar an den Mischkonzern Çalık. Staatliche Banken gewährten großzügige Kredite. Der Konzern Çalık war bislang vor allem im Energie-, Textil-, Bau- und Finanzsektor aktiv.

An die Spitze der Mediengruppe wurde Serhat Albayrak, Bruder des Schwiegersohnes von Ministerpräsident Tayyip Erdoğan, berufen. Und Sabah hebt sich heute, im Gegensatz zu den Doğan-Medien, durch eine der AKP loyale Berichterstattung hervor – ganz nach Geschmack des Ministerpräsidenten.

Ömer Erzeren

© Qantara.de 2008

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