Machtgefüge der Vereinigten Arabischen Emirate
Ein Kronprinz und seine Brüder

Die offensive Außenpolitik der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ist in aller Munde. Ihr Architekt ist der Kronprinz von Abu Dhabi. Er trifft in Absprache mit einigen seiner Brüder und dem Herrscher von Dubai die Entscheidungen. Von Matthias Sailer

Die VAE sind ein 1971 gegründeter Zusammenschluss von sieben Emiraten. Ihr höchstes Entscheidungsgremium, der Oberste Unionsrat, bestimmt die grundsätzlichen politischen Leitlinien des Bundesstaates. In ihm sitzen die sieben Herrscher der einzelnen Emirate, die den jeweiligen Königsfamilien angehören.

Doch die tatsächliche Machtverteilung spiegelt sich in dieser formalen Institution nicht wieder. Denn die wirkliche Macht entspricht dem Reichtum der jeweiligen Emirate. So ist Abu Dhabi, das etwa 95 Prozent der Öl- und Gasreserven der VAE besitzt, das mit Abstand politisch mächtigste Emirat, gefolgt von Dubai, dessen Einfluss vor allem von seiner Rolle als Wirtschafts- und Handelszentrum im Nicht-Öl-Sektor herrührt.

Doch seit der Finanzkrise 2008/2009 ist Dubais politisches Gewicht gegenüber Abu Dhabi deutlich zurückgegangen, nachdem das Emirat Dubais damals hochverschuldete Staatsfirmen mit etwa 20 Mrd. US-Dollar vor der Insolvenz bewahrt hat. Die restlichen, kleineren Emirate spielen politisch eine immer geringere Rolle, da sie zu stark von der Unterstützung Abu Dhabis abhängig sind.

Vor diesem Hintergrund ist es heute vor allem die Königsfamilie von Abu Dhabi, die Al-Nahyan, die in der Außen- und Sicherheitspolitik der Emirate den Ton angibt und in der sich die politische Macht der autokratisch geführten VAE konzentriert.

Laut Verfassung ist Präsident Khalifa bin Zayed Al-Nahyan der mächtigste Mann im Land. Doch wie aus Wikileaks-Dokumenten von 2009 hervorgeht, hat der damalige US-Botschafter in den VAE, Richard Olson, schon zu dieser Zeit vermutet, dass Khalifa nur das letzte Wort in Entscheidungen mit großer finanzieller Tragweite und der Ölpolitik hatte.

Der heimliche Herrscher der Emirate

Das gilt bis heute und zeigt sich darin, dass Khalifa noch immer den Vorsitz sowohl in dem die Ölpolitik bestimmenden Obersten Petroleumrat als auch des wichtigsten Staatsfonds, der Abu Dhabi Investment Authority, hat. In allen anderen Bereichen bezeichnete der Botschafter Khalifas Halbbruder, Kronprinz Mohammed bin Zayed Al-Nahyan (MbZ), als denjenigen, der die VAE leitet. Nach Präsident Khalifas Schlaganfall im Januar 2014 hat sich MbZs Einfluss noch vergrößert.

Fahne der Vereinigten Arabischen Emirate neben einem Standbild Sheikh Khalifa bin Zayed Al-Nahayan in Abu Dhabi; Foto: Reuters/Ahmed Jadallah
Kristallisationspunkt der Macht: Es ist heute vor allem die Königsfamilie von Abu Dhabi, die Al-Nahyan, die in der Außen- und Sicherheitspolitik der Emirate den Ton angibt und in der sich die politische Macht der autokratisch geführten VAE konzentriert.

Seine Karriere begann MbZ im Militär. Nach dem Abschluss an der Sandhurst Militärakademie (1979) hatte er zahlreiche militärische Kommandoposten inne, wurde 1993 Generalstabschef der Streitkräfte, war der wichtigste Berater des damaligen Präsidenten in Sicherheitsfragen und wurde 2005 stellvertretender Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Dieser Posten ist bedeutend, weil die Übernahme des Amtes des Verteidigungsministers durch den Herrscher von Dubai vor allem symbolischen Charakter hatte und letztlich Abu Dhabi über Militärangelegenheiten entscheidet. Dies ist der einzige offizielle Titel, den MbZ auf Bundesebene hat– er ist weder Mitglied des Obersten Unionsrats noch des Kabinetts.

Wie mächtig MbZ dennoch bereits in den 1990er Jahren war, zeigt die Tatsache, dass auf zahlreichen während dieses Zeitraums geschlossenen milliardenschweren Kaufverträgen für Rüstungsgüter seine Unterschrift zu finden ist. Besonders ausgeprägt ist MbZs Wille zu enger Zusammenarbeit mit dem Westen und besonders den USA.

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