"Wie ein Dach auf einem Haus"

In Nordrhein-Westfalen, wo die meisten Ausländer leben, ist bislang noch keine Entscheidung hinsichtlich eines Kopftuchverbotes gefallen. Ungefähr zwanzig Lehrerinnen in NRW wären von einem Kopftuchverbot betroffen. Elena Ern hat eine von ihnen besucht.

In Nordrhein-Westfalen, wo die meisten Ausländer leben, ist bislang noch keine Entscheidung in Punkto Kopftuchverbot gefallen. Ungefähr zwanzig Lehrerinnen in NRW wären von einem Kopftuchverbot betroffen. Elena Ern hat eine von ihnen besucht.

Türkinnen in Deutschland, Foto: AP
Türkinnen in Deutschland

​​Hanife Yilmaz sitzt im Lehrerzimmer des Ricarda-Huch-Gymnasiums in Gelsenkirchen. Sie ist Referendarin - also im abschließenden berufsvorbereitenden Dienst - und bereitet sich auf den Unterricht vor. Ihre Fächer sind Englisch, Deutsch und Türkisch. Sie trägt einen roten Pullover und eine schwarze Hose - passend zu ihrem Kopftuch. Darauf, sagt Hanife Yilmaz, haben Schüler, Schulleiter und Kollegen bisher positiv reagiert:

"Ich werde genauso behandelt wie alle anderen Referendare. Es herrscht auch eine freundschaftliche Atmosphäre. Manche haben das Gefühl, dass man durch das Kopftuch irgendwie eine Distanz zu den Schülern weckt, aber ich hatte nicht das Gefühl."

Auf den ersten Blick ist das Ricarda-Huch-Gymnasium eine ganz normale Gelsenkirchener Schule. Der Ausländeranteil ist, wie in der ganzen Stadt auch, hoch. Aber die Schule sieht darin Chancen. Weil sie durch verschiedene Projekte das multikulturelle Miteinander förderte, erhielt sie den Status einer UNESCO-Schule.

"Eine Schule, viele Nationen"

An den Fenstern am Eingang kleben Flaggen verschiedener Länder. In der Mitte ein großes Transparent: "Eine Schule, viele Nationen." Hier besuchen Schüler den Türkisch-Leistungskurs oder lernen Türkisch als Fremdsprache. Hanife Yilmaz ist froh, dass sie an diese Schule gekommen ist.

"Ich denke schon, dass ich Glück hatte, an eine solche Schule zu kommen, die schon als Grundlage diese multikulturelle Ausrichtung hat", sagt sie. "Ich hoffe, dass das auch so weitergeht. Die aktuelle Schulleitung legt wirklich sehr viel Wert auf multikulturelle Erziehung, beziehungsweise interkulturelle Erziehung. Und das finde ich auch sehr wichtig. Da sollten auch andere Schulen ruhig offen für diese Konzepte sein. Wobei dieses Kopftuch immer eine Streitfrage war und ist. Manche sehen das ja nicht als Teilaspekt der multikulturellen Gesellschaft sondern als etwas ganz anderes."

Kopftuch ist Zeichen der Religion

Doch Hanife Yilmaz wehrt sich gegen den Vorwurf, sie könne Schüler mit ihrem Kopftuch missionieren oder indoktrinieren. Wie jede andere Lehrerin auch wolle sie einfach ihre Fächer gut vermitteln.

Außerdem werde sie von niemandem dazu gezwungen, das Kopftuch zu tragen. Das Tuch sei lediglich ein Zeichen ihrer Religion. Die Entscheidung es aufzusetzen, habe sie selbst getroffen, nach dem Abitur.

Doch vor allem seit dem so genannten "Kopftuchstreit" werde sie häufig gefragt, warum sie das Kopftuch trage. Grundsätzlich gebe sie da gerne eine Antwort. Doch alles habe seine Grenzen:

"Für mich wäre das kein Problem, das könnte man jederzeit thematisieren. Andererseits empfinde ich das als eine Belastung, wenn ich das jedes Mal noch mal problematisieren müsste. Und mich jedes Mal neu erklären, neu definieren, neu präsentieren müsste."

Teil des Persönlichkeitsrechts

Andreas Hüwe, Deutsch- und Geschichtslehrer am Ricarda-Huch-Gymnasium, hat dafür Verständnis:

"Ich bin der Meinung, dass das Kopftuch nur Ausdruck ist einer persönlichen und auch glaubensmäßig begründeten Lebenseinstellung und insofern zum Persönlichkeitsrecht gehört. Genauso wie jemand in Diskussionen ständig zum Ausdruck bringen kann, dass er ein ganz, ganz gläubiger Christ ist."

Den Unterricht von Andreas Hüwe besuchen auch Dillek und Türkan. Sie sind beste Freundinnen. Zusammen gehen sie in die achte Klasse. Dillek trägt ein Kopftuch, Türkan nicht. Ein Problem haben die beiden damit nicht. Auch die anderen Schüler sehen Kopftuch oder nicht als eine persönliche Entscheidung.

Gleichwohl macht sich Dillek schon jetzt Gedanken darüber, welchen Beruf sie mit dem Kopftuch später ergreifen kann. Sie hofft, dass es dann in Nordrhein-Westfalen noch erlaubt sein wird, in der Schule ein Kopftuch zu tragen.

"Ich möchte später auch Lehrerin werden", erzählt sie, "und ich fände das schade, wenn das verboten würde. Wenn man keinen Einfluss auf die Kinder hat, dann könnte man ja ein Kopftuch tragen. Das Wichtige ist ja auch, den Kindern etwas beizubringen und nicht persönliche Dinge."

"Es gehört zu mir"

Und was macht die Referendarin Hanife Yilmaz, wenn auch die Nordrhein-Westfälische Regierung Lehrerinnen das Kopftuch im Unterricht verbieten sollte. Darüber will sie noch gar nicht nachdenken. Nur eins weiß sie sicher: auf das Kopftuch verzichtet sie nicht:

"Es gehört zu mir. Es ist ein Teil von mir ist. Es ist nicht nur ein Tuch, das man auf seinen Kopf bindet, sondern es ist etwas Verinnerlichtes. Es ist wie ein Dach auf einem Haus. Ohne Dach würde ich mich nicht wohl fühlen. "

Elena Ern

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