Frankreich beschließt Verbot

Kopftuch, Kippa, Turban und große Kreuze soll es an Frankreichs öffentlichen Schulen nicht mehr geben. Das beschloss die französische Nationalversammlung mit parteiübergreifender Mehrheit.

Schülerinnen mit Kopftuch in einer französischen Schule, Foto: AP
Schülerinnen mit Kopftuch in einer französischen Schule

​​Auffällige religiöse Symbole haben in einem laizistischen Staat an öffentlichen Schulen keinen Platz. So entschied der französische Staatspräsident Jacques Chirac (Foto) am 17. Dezember 2003. Zwar ist die Trennung von Religion und Staat in Frankreich schon seit 1905 festgeschrieben. Muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch gibt es an öffentlichen französischen Schulen somit nicht - wohl aber muslimische Schülerinnen und Studentinnen. Nach offiziellen Angaben kamen im September 1256 Mädchen mit Kopftuch zum Unterricht. Für Chirac und die von ihm eingesetzte Expertenkommission ist das ein Widerspruch zum laizistischen Staat.

Die Pariser Nationalversammlung stimmte nun am Dienstagnachmittag (10.2.2004) über ein Verbot des islamischen Kopftuchs und anderer religiöser Zeichen an Frankreichs staatlichen Schulen ab. Nach dreitägiger Debatte gab es eine breite Mehrheit für das Gesetz. Das Abstimmungsergebnis lautete 494 zu 36 Stimmen für den von Staatspräsident Jacques Chirac geforderten Gesetzentwurf. Das Verbot, das neben dem islamischen Kopftuch auch die jüdische Kippa und größere christliche Kreuze betrifft, soll mit Beginn des neuen Schuljahres in Kraft treten und nach einem Jahr überprüft werden. Es gilt nicht für Privatschulen.

Verbot als Mittel im Kampf gegen Diskriminierung?

In seiner Grundsatzrede erinnerte Chirac im Dezember an Fundamente des republikanischen Selbstverständnisses in Frankreich: Der Staat sei zur Neutralität in Bekenntnisfragen verpflichtet. Indem der Präsident zudem eine unabhängige Behörde zur Bekämpfung von Diskriminierung und zur Durchsetzung der Chancengleichheit ankündigte, versuchte er den Laizismus-Gedanken zu bekräftigen – und damit absehbare Vorwürfe der französischen Muslime oder Juden zu entkräften.

Diese hatten bereits im Vorfeld den Staatschef vor einem Verbot gewarnt. So hatte der französische Islamrat in einem Offenen Brief geschrieben, es dürfe nicht zu einem die Muslime diskriminierenden Gesetz kommen. Der französische Oberrabbiner Joseph Sitruk hatte kritisiert, dass ein Verbot eine erfolgreiche Integration aller Religionen verhindere.

In Frankreich leben derzeit rund 700.000 Juden und fast fünf Millionen Muslime. Sie müssen künftig ebenso wie Christen oder auch die rund 3000 in Frankreich lebenden Sikhs auf auffällige Zeichen ihres Glaubens verzichten. Bis zum nächsten Schuljahr soll die Regierung eine Gesetzesvorlage zum Verbot erarbeiten. Unauffällige religiöse Zeichen wie kleine Kreuze, der Davidstern oder die islamische Hand der Fatima sollen dann jedoch weiter toleriert werden.

Tradition, Glaubensbekenntnis, Unterdrückung

Kritik kam nicht nur aus den Glaubensgemeinschaften. Auch drei der vier großen Erziehungs-Gewerkschaftsverbände Frankreichs sprachen sich gegen eine "Stigmatisierung" aus, die nach ihrer Ansicht von einem solchen Verbot ausgehe. Auch unter Studenten gehen die Meinungen über das Tragen vom Kopftuch auseinander. Während sich konservative Gruppen für das gesetzliche Verbot aussprechen, befürworten linksorientierte Studenten eher eine freie Regelung. "Religiöse Zeichen auf dem Uni-Campus werden bisher ohne besondere Aufmerksamkeit wahrgenommen", so ein Studentenvertreter.

Das Kopftuch gehört zu den wohl umstrittensten Symbolen des islamischen Glaubens. Kritiker sehen darin ein Zeichen der Unterdrückung der Frauen; für viele Musliminnen ist es aber lediglich Ausdruck ihrer individuellen Religiosität. Allerdings ist das Kopftuch-Tragen an öffentlichen Bildungseinrichtungen zum Beispiel auch in der Türkei verboten, wo 99 Prozent der Bevölkerung dem Islam angehören. Auch dort gilt die strikte Trennung von Staat und Religion.

Am Kopftuch scheiden sich die Geister

Der Streit um das Kopftuch beschäftigte in den vergangenen Jahren mehrere Länder in Europa. Zuletzt entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hinsichtlich der Klage einer muslimischen Lehrerin. Danach können die Bundesländer selbst entscheiden, ob sie das Tragen von Kopftüchern in der Schule per Gesetz verbieten wollen oder nicht. Für ein Verbot per Gesetz sprachen sich Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen und das Saarland aus.

Auch in der Schweiz ist das Kopftuch-Tragen im staatlichen Schuldienst verboten. Eine vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagende muslimische Lehrerin bekam nicht Recht. Der Gerichtshof entschied im Februar 2001: Das Kopftuch-Verbot verstoße weder gegen die Religionsfreiheit noch gegen das Diskriminierungsverbot. In Dänemark hingegen, wo vier Prozent der rund 5,3 Millionen Einwohner muslimischen Glaubens sind, ist das Kopftuch an Schulen nicht verboten.

Auch in Russland entschieden muslimische Frauen den Streit um das Kopftuch für sich. Dort hatten zehn Frauen aus der überwiegend muslimischen Republik Tatarstan vor dem Obersten Gerichtshof gegen das Verbot von Kopftüchern auf Passfotos geklagt. Dieser aber entschied zu Gunsten der Frauen. Sie dürfen sich auch für den Pass mit Kopftuch ablichten lassen.

Britta Scholtys

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004