Machtkampf der Generäle

Armee und RSF-Milizen kämpfen um die Macht, während die Zivilbevölkerung hilflos zuschauen muss. So lassen sich die blutigen Ereignisse im Sudan der letzten Tage in einem Satz zusammenfassen. Es handelt sich also nicht um einen Bürgerkrieg, schreibt Karim El-Gawhary.
Armee und RSF-Milizen kämpfen um die Macht, während die Zivilbevölkerung hilflos zuschauen muss. So lassen sich die blutigen Ereignisse im Sudan der letzten Tage in einem Satz zusammenfassen. Es handelt sich also nicht um einen Bürgerkrieg, schreibt Karim El-Gawhary.

Armee und RSF-Milizen kämpfen um die Macht, während die Zivilbevölkerung hilflos zuschauen muss. So lassen sich die blutigen Ereignisse im Sudan der letzten Tage in einem Satz zusammenfassen. Es handelt sich also nicht um einen Bürgerkrieg. Eine Analyse von Karim El-Gawhary 

Von Karim El-Gawhary

Das sudanesische Militär und die Milizen der Rapid Support Forces (RSF) kämpfen um die Alleinherrschaft in Khartum. Seit dem Militärputsch im Oktober 2021, der den eigentlich 2019 vereinbarten Übergangsprozess zu einer zivilen Regierung jäh unterbrochen hatte, rumorte es unter den Machthabern mit den Waffen.  Das Militär unter der Führung von General Abdel Fatah Burhan und die sogenannten RSF, die Rapid Support Forces, verband eine unbehagliche Allianz.  

Die RSF sind hervorgegangen aus den berüchtigten arabischen Janjaweed-Reitermilizen, die ab 2003 mordend, brandschatzend und vergewaltigend durch die Dörfer der westsudanesischen Region Darfur gezogen waren und dort im Namen des Regimes von Omar al-Bashir Rebellen bekämpften. Diese RSF-Milizen werden von Muhammad Hamdan Dagalo angeführt, besser bekannt unter seinem nom de guerre Hemedti.



Ausgelöst wurden die aktuellen Kampfhandlungen rund um die Frage, ob und wie die RSF-Truppen in die Armee integriert werden sollten und wer das Oberkommando bekommt, Burhan oder Hemedti. 

Beide Parteien sind längst diskreditiert

Die Lage ist nicht nur in Khartum unübersichtlich, sondern auch in anderen Teilen des Landes, in denen ebenfalls gekämpft wird. Einige Berichte sprechen davon, dass die Armee, vor allem durch den Einsatz der Luftwaffe, die Stellungen der RSF bombardiert, langsam die Oberhand gewinnen würde. Doch diese Einschätzung ist mit Vorsicht zu genießen.

Zivilisten im Sudan, die sich mit dem Allernötigsten in Sicherheit bringen; Foto: AFP
Leidtragende ist die Zivilbevölkerung: Zivilisten im Sudan versorgen sich mit dem Nötigsten und warten ab, wie der Machtkampf ausgehen wird. "Wer immer aus diesem Kampf siegreich hervorgeht, in der Zivilbevölkerung sind längst beide Parteien diskreditiert,“ schreibt Karim El-Gawhary. "Die sudanesische Zivilgesellschaft demonstriert seit dem Sturz von Langzeitdiktator Omar El-Baschir im Jahr 2019 beharrlich dafür, dass die Macht einer zivilen Regierung übergeben wird. Kurzzeitig sah es sogar so aus, als ob Armee und RSF-Milizen tatsächlich bereit wären, freiwillig ihre Macht abzugeben, als sie im Juli 2019 ein Übergangsabkommen unterschrieben hatten“. Jetzt jedoch stehen die Aussichten auf einen demokratischen Wandel schlecht.   



Es gibt kaum unabhängige Beobachter und beide Seiten posaunen seit Beginn der Kampfhandlungen Erfolgsmeldungen heraus. Währenddessen sitzt die Zivilbevölkerung voller Angst in ihren Häusern und wartet ab, wie dieser Machtkampf auf der Straße ausgehen wird. 

Wer immer aus diesem Kampf siegreich hervorgeht, in der Zivilbevölkerung sind längst beide Parteien diskreditiert. Die sudanesische Zivilgesellschaft demonstriert seit dem Sturz von Langzeitdiktator Omar El-Baschir im Jahr 2019 beharrlich dafür, dass die Macht einer zivilen Regierung übergeben wird.



Kurzzeitig sah es sogar so aus, als ob Armee und RSF-Milizen tatsächlich bereit wären, freiwillig ihre Macht abzugeben, als sie im Juli 2019 ein Übergangsabkommen unterschrieben hatten. Es enthielt die Vereinbarung, dass sie nach 39 Monaten ihre Macht einer zivilen Regierung übergeben werden, bevor es dann demokratische Wahlen geben sollte.  

Doch dieser Prozess und dieses Abkommen waren mit dem Putsch im Oktober 2021 hinfällig. Seitdem gab es von Seiten der Militärs immer wieder Lippenbekenntnisse, man wolle die Macht an die Zivilisten abgeben. Stattdessen kämpfen jetzt die zwei militärischen Flügel des Putsches darum, wer allein regiert. 

Eine demokratische Entwicklung im Sudan verhindern

Derweil hat dieser Konflikt auch viele auswärtige Akteure, meist aus den anderen, autokratisch regierten arabischen Ländern der Region. Sie mischen seit dem Sturz Baschirs im Sudan mit dem Ziel mit, eine zivile und später demokratisch gewählte Regierung zu verhindern. Ein demokratisches Modell im Sudan soll auf jeden Fall sabotiert werden, weil sie Angst haben, es könnte auch in anderen arabischen Ländern Schule machen. Dabei werden unterschiedliche Flügel des Putsches unterstützt. 

 

SRSG @volkerperthes is extremely disappointed that the Humanitarian cessation of hostilities that the Sudanese Armed Forces &the Rapid Support Forces had committed to, was only partially honored yesterday, noting that clashes intensified this morning!https://t.co/IWu6rDu0nK pic.twitter.com/vPlhK0gP1z

— UN Integrated Transition Assistance Mission Sudan (@UNITAMS) April 17, 2023

 

 

Ägypten und sein einstiger Militärchef und heutiger Autokrat, Abdel Fattah El-Sisi, hat sich hinter Sudans reguläre Armee und General Burhan gestellt und versucht über ihn, Einfluss auf den Sudan zu nehmen. Es wurde sogar in den letzten Tagen eine ägyptische Armee-Einheit auf dem Militär-Flughafen Merowe, nördlich von Khartum, von den RSF-Milizen festgenommen. Die Einheit soll angeblich das sudanesische Militär dort geschult haben. 

Die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen dagegen die RSF-Milizen und deren Anführer Hemedti und versuchen, mit ihm sicherzustellen, dass es keinen demokratischen Prozess im Sudan gibt. Hemedti hat seine Milizen auch immer wieder als Söldner in den Konflikten in Libyen und im Jemen vermietet, bezahlt von den Emiraten. 

Zu dieser komplexen Gemengelage kommen noch russische Wagner-Söldner, die die von den RSF-Milizen kontrollierten Goldminen bewachen. Das Gold geht an Russland und die Milizen verdienen damit Millionen. 

Der heutige Konflikt im Sudan hat also viele Köche, die natürlich jetzt alle nervös sind, dass er vollkommen außer Kontrolle gerät. Das ist ein Grund, warum Ägypten und die Emirate jetzt an einem Strang ziehen, um die Kampfhandlungen zu beenden. Leidtragende von alledem ist die Zivilbevölkerung, die all diese Militär-Parasiten endlich los haben will. In diesen blutigen Tagen kann sie aber nicht anderes tun, als den Kopf einziehen. 

Karim El-Gawhary

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