Ohne Regen keine Zukunft 

Das Horn von Afrika leidet weiter unter einer beispiellosen Dürre. Armut und Hunger treiben die Menschen in das Flüchtlingslager Dadaab im Osten Kenias, wo Flüchtlinge aus Somalia Schutz und Hilfe suchen. Erik Siegl hat es besucht. 

Von Erik Siegl

In Somalia wurde "eine schwere Hungersnot vorerst gerade noch abgewendet, aber die Bedrohung ist nicht verschwunden und die Lage bleibt katastrophal“, erklärte das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) zur Lage in Somalia Mitte Dezember.  

Eine gefährliche Mischung aus Dürre, weltweit hoher Inflation und bewaffneten Konflikten bedroht das Leben von Somaliern und Anderen und treibt sie in die Flucht aus ihrer Heimat. Etwa 20.000 Menschen sind vor kurzem am Rande der bereits bestehenden Flüchtlingslager in Nähe der Ortschaft Dadaab im Osten Kenias eingetroffen. Sie benötigen dringend Hilfe. Die Vereinten Nationen, die Behörden vor Ort und die humanitären Organisationen haben große Mühe, die wachsende Zahl von Menschen zu versorgen. Gleichzeitig versuchen sie, den Ausbruch der Cholera zu bekämpfen.  

"Noch nie in meinem Leben habe ich eine solche Dürre erlebt. Um unser Vieh steht es richtig schlimm“, sagt eine Frau in den Sechzigern. Auch die Forscher des Climate Hazards Center an der University of California in Santa Barbara, USA, sind sich mit Blick auf die Niederschlagsmengen der letzten 70 Jahre einig, dass die derzeitige Dürre beispiellos ist.

Nicht-registrierte somalische Flüchtlinge bauen sich Unterstände außerhalb des Flüchtlingslagers Daadab im Osten Kenas; Foto: Erik Siegl
Hoffen auf eine bessere Zukunft: Neu angekommene und noch nicht registrierte Somalier bauen sich Unterstände außerhalb des offiziellen Flüchtlingslagers Dadaab. Registrierte Flüchtlinge in den Lagern haben dank der Hilfsorganisationen Zugang zu Bildung, Wasser, sanitärer Grundversorgung, Nahrungsmitteln und begrenzter medizinischer Versorgung. 



Die Frau besitzt einen kleinen Lebensmittelladen an der Hauptstraße von Dadaab, einem staubigen und ärmlichen Ort in Garissa County, etwa 90 Kilometer von der somalischen Grenze entfernt. Wie die Frau weiter berichtet, stehen mittlerweile auch die Einwohner der Ortschaft vor dem lokalen UN-Gelände und hoffen in ihrer Verzweiflung auf eine Registrierung als Flüchtlinge und auf die Ausgabe von Grundnahrungsmitteln.

Die Folgen des russischen Angriffskriegs 

Verschärft werden die Auswirkungen der Dürre durch die hohe Inflation nach dem weltweiten Anstieg der Öl- und Getreidepreise seit dem russischen Überfall auf die Ukraine. In abgelegenen Gebieten wie Dadaab, wo die Transportkosten wegen der hohen Treibstoffpreise besonders stark zu Buche schlagen, ist der Preisanstieg gravierend.  

Die Ladeninhaberin zeigt auf ein Häuflein Tomaten, das sie zum Kauf anbietet: "Die Tomaten sind dieses Jahr doppelt so teuer. Abgesehen von einigen Ausnahmen sind die Ernten selbst in den regenreicheren und fruchtbaren Gebieten Kenias wegen der Trockenheit schlechter ausgefallen. Gleichzeitig ist der Transport in die entlegenen Gebiete teurer geworden.“  

In der extrem kargen Umgebung von Dadaab, wo immer mehr Menschen auf der Flucht vor Dürre und Hunger über die somalische Grenze nach Kenia kommen, kann man auf die Skelette toter Tiere treffen. Das noch lebende Vieh wirkt abgemagert. In der armen und vernachlässigten Randregion im Osten Kenias leben in drei großen Lagern Flüchlinge aus Somalia. Insgesamt sind es etwa 280 000 Menschen, einschließlich der nicht-registrierten Personen.  

Viehhaltung ist oft die einzige Einnahmequelle sowohl für die Einheimischen als auch für die Geflüchteten. Mittlerweile verdursten oder sterben viele Tiere auf den ausgetrockneten Weideflächen. Andere Tiere sind so unterernährt, dass sie nicht genug Milch geben oder sich auf den Viehmärkten nicht mehr verkaufen lassen.

Somalische Flüchtlinge in einer Schule im Flüchtlingslager Daadab; Foto: Erik Siegl
About half of the 280,000 refugees in the Dadaab area are under the age of 18. Schools run by the Lutheran World Federation (LWF) with UN support provide elementary education in the camps. They also strive for the inclusion of people and children with disabilities, supported by the Czech Medevac programme



Zudem ist auch die Kartoffel- und Gemüseernte in den klimatisch günstiger gelegenen Regionen Kenias aufgrund der unregelmäßigen Regenfälle miserabel ausgefallen. Dies hat zu einem Anstieg der Preise für lokale Lebensmittel und zu einem Beschäftigungsrückgang geführt, was wiederum bedeutet, dass weniger Geld in der lokalen Wirtschaft ankommt. 

Am stärksten betroffen sind die ärmsten Gebiete im Norden und Nordosten Kenias wie Turkana, Mandera und Garissa in der Nähe der Grenzen zu Somalia und dem Südsudan. Dort liegen ebenfalls zwei große Flüchtlingslager.

Seit Jahren kein Regen 

In Somalia ist die Lage allerdings noch viel schlimmer, vor allem in den zentralen Regionen des Landes. Laut UN News hat sich die "Zahl der von der Dürre betroffenen Menschen in dem Land im Jahr 2022 mehr als verdoppelt, von 3,2 Millionen im Januar auf 7,8 Millionen im Oktober, wobei die Not in gleichem Maße gestiegen ist." In der Folge wurden fast 1,3 Millionen Menschen vertrieben. Einige suchen Zuflucht über die Landesgrenzen hinaus. 

In fünf aufeinanderfolgenden Jahreszeiten hat es hier praktisch nicht mehr geregnet. Mittlerweile reichen schon ein paar Tropfen aus, um bei den Menschen helle Begeisterung und Hoffnung auszulösen. In der Regenzeit sind die Niederschläge mittlerweile sehr gering und unregelmäßig und dauern eher wenige Stunden als so wie sonst mehrere Tage und Wochen.



Normalerweise werden hierbei die Oberflächen- und Grundwasserreserven für das ganze Jahr aufgefüllt. In den letzten Jahren ist ein weiteres Extrem immer häufiger zu beobachten: Sintflutartige Regenfälle, in denen die ersehnten Niederschläge innerhalb nur weniger Stunden fallen. Die Folge sind schwere Sturzfluten, wie es sie im Tschad, im Südsudan und im Sudan gegeben hat. 

 

 

 

Für die Menschen in Kenia und Somalia mag der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine weit weg erscheinen. Und doch leiden sie weit mehr unter den Auswirkungen des Krieges auf das tägliche Leben als wir in Europa. Die Preise für Waren, die importiert werden müssen wie Weizen, Mais und Sonnenblumenöl, sind gestiegen.

Der starke Dollar, eine Folge der Anti-Inflationspolitik der US-Notenbank, verteuert die Importe zusätzlich, beispielsweise Benzin und Düngemittel. Doch mehr denn je liegt das Augenmerk Europas und der "wohlhabenden Welt“ auf anderen Problemen. Trotz der durch Inflation und weitere Faktoren gestiegenen Kosten schrumpft das Budget der UN-Organisationen für humanitäre Einsätze in Ostafrika weiter.  

In Dadaab und Kakuma unterhält das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) seit langem Lager für 600.000 Menschen. In diesem Jahr wurden die Mittel zur Versorgung der Notleidenden auf 40 Millionen Dollar gekürzt, obwohl aktuell deutlich mehr Menschen vor der Hungersnot in Somalia fliehen.  

Allein in der Umgebung von Dadaab warten derzeit etwa 80.000 Menschen auf ihre Registrierung als Geflüchtete. Einige warten nach eigenen Angaben bereits seit zwei Jahren. Selbst wenn diese Menschen als Geflüchtete anerkannt werden, bleibt die brennende Frage: Wie sollen die humanitären Organisationen mit immer weniger Geld und weniger Ressourcen immer mehr Menschen helfen? 

Erik Siegl

© Qantara.de 2023

Der Autor arbeitete 2022 in einem Projekt zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Flüchtlingslagern im Osten Kenias.