Despotismus in neuem Gewand

Von der Islamischen Revolution erhofften sich vor allem die liberalen Kräfte einen demokratischen Wandel. Doch stattdessen etablierte Khomeini bereits kurz nach Gründung der Islamischen Republik ein autoritäres Herrschaftssystem. Von Arian Fariborz

Von der Islamischen Revolution erhofften sich vor allem die liberalen Kräfte einen demokratischen Wandel. Doch stattdessen etablierte Khomeini bereits kurz nach Gründung der Islamischen Republik ein autoritäres Herrschaftssystem. Ein Rückblick von Arian Fariborz

Mehdi Bazargan (rechts) im Gespräch mit Ayatollah Khomeini, Foto: AP
Um die Macht im Staat zu erobern, war der Schiitenführer zunächst auf die Zusammenarbeit mit den liberal-islamischen Kräften angewiesen: Premier Mehdi Bazargan (rechts) im Gespräch mit Ayatollah Khomeini

​​Am 8. Januar 1978 erscheint in der iranischen Tageszeitung "Ettela'at", einem Regierungsorgan des Schahs, ein Artikel, der den Schiitenführer Ayatollah Khomeini persönlich diffamiert. Viele Iraner sind empört. In Qom, dem Zentrum der schiitischen Geistlichkeit, kommt es daraufhin erstmals zu gewaltsamen Protesten gegen das Schah-Regime.

Es ist die Initialzündung der islamischen Revolution – eine Revolution, die wohl zu den bedeutendsten politischen Erhebungen der Weltgeschichte zählt, wie der renommierte Nahostexperte Fred Halliday schreibt, da sie "mehrfach Massendemonstrationen von über zwei Millionen Menschen hervorgebracht hat - das heißt die größten nicht-inszenierten Demonstrationen der Menschheitsgeschichte."

Als die Proteste gegen das monarchistische Regime nicht abreißen, muss Schah Reza Pahlewi schließlich das Land am 16.1.1979 verlassen. Die Revolution hatte gesiegt. Keine zwei Wochen später kehrt Ayatollah Khomeini aus dem französischen Exil in die iranische Hauptstadt Teheran zurück, wo ihm über vier Millionen Menschen einen triumphalen Empfang bereiten.

Der kurze Frühling der Revolution

Khomeinis Rückkehr aus dem französischen Exil am 1. Februar 1979
"Von jetzt an bin ich es, der die Regierung ernennt!" - Khomeinis Rückkehr aus dem französischen Exil am 1. Februar 1979

​​Doch kaum hat der Schiitenführer iranischen Boden betreten, macht er aus seinen politischen Ambitionen keinen Hehl: "Von jetzt an bin ich es, der die Regierung ernennt!", ruft er den jubelnden Menschenmassen in Teheran zu.

Vier Tage später ernennt er zunächst den liberalen Politiker Mehdi Bazargan zum Chef einer Gegenregierung. Nach dem Rücktritt des noch vom Schah eingesetzten Premierministers Shahpour Bakhtiars im Februar 1979, wird Bazargan schließlich erster Ministerpräsident nach der Revolution.

Doch was anfangs noch vom liberalen Bürgertum als politisches Zugeständnis Khomeinis an sie verstanden wird, ist in Wirklichkeit nichts weiter als ein geschickter Schachzug des 75jährigen Ayatollahs, da er von Anfang an ein autoritäres System nach islamischen Werten errichten wollte. Dafür bezog er sich auf die Doktrin der "welayat-e faqih"-der uneingeschränkten Herrschaft der islamischen Rechtsgelehrten.

Dieses Herrschaftsmodell, das den religiösen Rechtsgelehrten den absoluten Machtanspruch in Staat und Gesellschaft zugestand, wurde von Khomeini bereits in den 60er Jahren entworfen. Allerdings wurde damals der islamistischen Doktrin weder vom Schah noch von den zahlreichen demokratischen Gruppierungen, die damals gegen den Schah kämpften, besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Ein gravierender Fehler, wie sich bereits kurz nach dem Sturz des verhassten Schahs vom Pfauenthron zeigen sollte. Um einen handlungsfähigen Regierungsapparat aufzubauen und die politische Einheit des Landes herzustellen, war Khomeini zunächst auf die Zusammenarbeit mit den liberalen und säkularen Kräften angewiesen, die die Revolution zu großen Teilen mitgetragen hatten. Nur so konnte es dem Schiitenführer gelingen, Stück für Stück die Macht im Staat erobern.

Unterdrückung der ethnischen Minderheiten

Zu Beginn wandte er sich gegen die zahlreichen Minderheiten im persischen Vielvölkerstaat, darunter die Kurden und Turkmenen. Sie hatten sich von der Revolution eine Demokratisierung und regionale Unabhängigkeit erhofft und drohten sich im Februar 1979 vom Zentralstaat abzuspalten.

Ryszard Kapuscinski; Foto: DW
Der polnische Journalist Kapuscinski hielt sich im Dezember 1979 in Teheran auf. Seine Eindrücke von der Islamischen Revolution gibt er in seinem Buch "Shah of Shahs" wieder.

​​ Der polnische Journalist und Schriftsteller Ryszard Kapuscinski beschreibt in seinem Buch "Shah of Shahs", wie die islamische Revolution damals eine radikale Kehrtwendung vollzog. Khomeini habe das Stadium der iranischen Revolution verkörpert, in dem sich die herrschende Nation des drohenden Zerfalls des Staates bewusst gewesen sei. Sie habe mit Repression die demokratischen Losungen ersetzt durch die Losung der "nationalen Integration" und zu Massakern an Minderheiten gegriffen, um die Einheit des Staates zu erhalten.

"Daher ist jede demokratische Revolution in einem Vielvölkerstaat zum Scheitern verurteilt, denn eine Voraussetzung der Demokratie muss dort die Liquidierung des Staates sein, der sich auf die Unterdrückung der Minderheiten stützt", schreibt Kapuscinski.

Doppelstruktur des Herrschaftsapparats

Kaum waren die separatistischen Aufstände niedergeschlagen, richteten sich die islamistischen Kräfte gegen Liberale und Kommunisten. Als politischer Taktierer verstand es Khomeini, zunächst eine Doppelstruktur der politischen Institutionen für eine Übergangszeit zuzulassen: Auf der einen Seite der liberale, demokratische Flügel unter dem Staats- und Ministerpräsidenten, auf der anderen Seite der islamistische Klerus, der das Parlament dominierte, die Justiz und den so genannten Wächterrat.

Doch das Ende des formalen Bündnisses dieser ungleichen Partner war schon bald absehbar: Die Regierung Bazargan trat schließlich zurück. Und mit dem Rücktritt Bazargans wurde der Weg für eine weitere Radikalisierung der Islamischen Republik frei.

"Weder Ost noch West – nur Islamische Republik!", lautete fortan der Schlachtruf der radikalen schiitischen Organisationen der Hesbollahis und der "Pasdaran"-Milizen, die seit Ende 1979 immer lauter wurden. Dem Druck der Straße musste sich der nachfolgende liberal-islamische Ministerpräsident Abolhassan Bani-Sadr beugen.

Als er vor einem schleichenden Staatsstreich durch die immer mächtigere

Hinrichtung von Oppositionellen durch Einheiten der Pasdaran im Dezember 1981; Foto: AP
Die Revolution frißt ihre Kinder: Hinrichtung von Oppositionellen durch Pasdaran-Einheiten im Dezember 1981

​​ "Islamisch-Republikanische Partei" (IRP) der Ayatollahs warnte, wurde er im Juni 1981 auf Geheiß Khomeinis kurzerhand abgesetzt. Der demokratische Aufbruch nahm ein jähes Ende.

Die Revolution fraß ihre Kinder: In den Schreckensjahren von 1981 bis 1985 wurden tausende Regimegegner vor islamischen Gerichten im Schnellverfahren angeklagt und hingerichtet. Der bis 1988 währende Iran-Irakkrieg festigte die uneingeschränkte Herrschaft Khomeinis weiter.

Notstandsgesetze und permanenter Ausnahmezustand schalteten den letzten Widerstand der verbliebenen, im Untergrund operierenden Opposition endgültig aus. Doch Krieg und wirtschaftlicher Niedergang schwächten das Regime nachhaltig. Der Erdölexport brach dramatisch ein, Schattenwirtschaft und Inflation bestimmten die Jahre nach Khomeinis Tod 1989.

Wirtschaftliche Stagnation und politische Isolation

Auch dem nachfolgenden, als Pragmatiker bekannten Staatspräsidenten Rafsandschani gelang es nicht, das Land umfassend zu modernisieren und dem Westen zu öffnen – insbesondere wegen des Widerstandes des Bazars sowie des konservativen Klerus, der um seine wirtschaftliche Macht fürchteten.

Nach 30 Jahren Islamischer Republik nehmen sich die wirtschaftlichen Erfolge mehr als bescheiden aus. Seinem Anspruch, die Revolution "in den Dienst der Barfüßigen und Habenichtse" zu stellen und die verarmten Massen in den Städten zu unterstützen, wurde schon Khomeini zu Lebzeiten nicht gerecht.

Stattdessen profitieren bis heute vor allem Bazaris und religiöse Stiftungen – anstelle der früheren monopolistischen Pahlawi-Stiftung des Schahs – vom wirtschaftlichen Reichtum des Landes. Viele Iraner sind empört darüber, dass ihr Land als viertgrößter Erdölproduzent der Welt noch immer Benzin importieren und staatlich subventionieren muss.

Unter dem neuen Staatspräsidenten Ahmadinejad, der sich als Erbe des khomeinistischen Geistes und Erneuerer der ursprünglichen Werte der Islamischen Republik sieht, hat sich das Land weiter wirtschaftlich und politisch isoliert – nicht zuletzt wegen der UN-Sanktionen gegen den Mullah-Staat als Folge des Atomkonfliktes.

So stellt sich das von den Mullahs lange Zeit als Exportmodell für das Ausland favorisierte politische System Khomeinis von der "Herrschaft der Rechtsgelehrten" heute in den Augen der Weltöffentlichkeit mehr gescheitert denn als nachahmenswert dar.

Arian Fariborz

© Qantara.de 2009

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