Kerim Pamuk: Mit Humor die Islam-Debatte entkrampfen

Die verschleierte Frau auf dem Cover zwinkert dem Leser zu, und neben ernsthaften Stichworten wie "Fatwa" finden sich Einträge zu "Döner" oder "Yusuf Islam": Der Schriftsteller und Kabarettist Kerim Pamuk hat ein Islam-Lexikon der etwas anderen Art veröffentlicht. Ein Interview

Herr Pamuk, wie ist die Idee eines Islam-Lexikons entstanden?

Kerim Pamuk: Das Thema ist seit vielen Jahren immer aktuell - und sehr problembelegt. Daher ist es an der Zeit, den Leuten zu zeigen, was der Islam ist - und vor allem auch, was der Islam nicht ist. Wenn ständig jemand in Talkshows über "den Islam" schwadroniert, ist das hilfreich zu wissen.

Wächst das Interesse am Islam, oder wird nur viel über das Thema gesprochen?

Pamuk: Das ist eine gute Frage. Viele Menschen sind tatsächlich interessiert, bei vielen ist "Islam" aber eher ein Kampfbegriff. Dabei gibt es "den Islam" nicht, genauso, wie es "das Christentum" nicht gibt. Es gibt Religionen mit unterschiedlichen Konfessionen und sehr viele Menschen, die diese Religionen auf unterschiedliche Art und Weise leben. In der Öffentlichkeit reduziert sich die Wahrnehmung jedoch meist auf Fundamentalismus, Homophobie und Frauenfeindlichkeit. Dabei ist der Islam eine komplexe, widersprüchliche und manchmal sogar liberale Religion.

Sie nähern sich dem Thema mit einem Augenzwinkern. Kann Humor die aktuellen Debatten weiterbringen?

Pamuk: Auf jeden Fall. Es gibt ja das schöne deutsche Wort "entkrampfen". Alles, was dazu führt, dass man diese Debatte entspannter und sachlicher führt, kann helfen. Und es ist immer gut, wenn es etwas zu lachen gibt. Denn umgekehrt ist es fatal, die Debatten den Schreihälsen auf beiden Seiten zu überlassen. Die überwiegende Mehrheit der Muslime ist nicht fanatisch. Im Gegenteil, viele leben ihre Religion sehr lebensnah oder sind nicht einmal religiös im engeren Sinne.

Buchcover "DER ISLAM, DAS ISLAM, WAS ISLAM?", Quelle: Gütersloher-Verlagshaus
DER ISLAM, DAS ISLAM, WAS ISLAM? beantwortet ihnen unterhaltsam und hochseriös sämtliche Fragen zu Islam, islamischer Welt und Muslimen, was ja für viele irgendwie das Gleiche ist. Selbstverständlich auch Fragen, die Sie sich nie gestellt haben. Von A wie Allah über B wie Burka und Bikini, SCH wie Scharia bis zu Z wie Zuckerfest.

Allerdings gibt es auch immer wieder Streit über religionsbezogenen Humor. Rechnen Sie mit Gegenwind?

Pamuk: Dogmatiker zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie keinen Humor haben. Es kann also durchaus sein, dass sich Leute auf den Schlips getreten fühlen. Das nehme ich in Kauf, weil es zu einer Demokratie gehört. Und dafür müssen sich die Leute die Mühe machen, das Buch zu lesen - dann merken sie hoffentlich, dass es nicht darum geht, jemanden zu verhöhnen. Ich möchte die Bandbreite muslimischen Lebens darstellen und beweisen, dass man auch dieses Themaanders anpacken kann.

Gibt es Grenzen des Humors?

Pamuk: Für mich hat Satire keine Grenze. Humor muss in einer Demokratie jeder aushalten. Religion gibt vielen Menschen Halt, anderen nicht, das respektiere ich. Allerdings akzeptiere ich es nicht, wenn mir jemand vorschreiben will, wie ich zu leben habe. Da hört der Spaß auf.

Auch scheinbar lustige Stichworte Ihres Lexikons wie "Falafel" haben einen ernsthaften Hintergrund - gemeinsames Essen verbindet, trägt im besten Fall zu Integration und Austausch bei. Gibt es insofern einen deutschen Islam?

Pamuk: Durch gemeinsames Essen entsteht ja selten eine neue Religion, es sei denn, man ist militanter Veganer. Aber Austausch und Essen ist ein guter Anfang. Bei den meisten Muslimen spielt Religion nicht die Rolle, von der die Öffentlichkeit glaubt, dass sie es tut. Für die meisten Muslime ist Religion nicht wichtiger oder unwichtiger als für jeden anderen. Die meisten sind laizistisch, die überwiegende Mehrheit geht nicht jede Woche in die Moschee. Aber die Wahrnehmung ist verzerrt: Früher gab es eine Unterscheidung zwischen Deutschen und Ausländern, jetzt gibt es Christen und Muslime. Ich bin überzeugt, dass für die überwiegende Mehrheit der Muslime ein friedliches Zusammenleben selbstverständlich geworden ist - aber leider nicht gewürdigt wird.

Islamkritiker behaupten gelegentlich, der Islam sei keine Religion, sondern eine politische Ideologie. Was sagen Sie dazu?

Pamuk: Es gibt fundierte Kritik am Islam, vor allem von liberalen Muslimen. Die meisten Islamkritiker unterscheiden sich allerdings in ihrem Dogmatismus und ihrer Verachtung nicht von Salafisten. Sie sind das Spiegelbild der religiösen Fanatiker. Der Islam hat bald 1.400 Jahre auf dem Buckel. Er hat kulturelle Blüten hervorgebracht, unter anderem die Mauren in Spanien oder Bagdad unter den Kalifen. Die Geschichte des Islam ist komplex und vielfältig. Sicherlich kann man den Islam als politische Ideologie missbrauchen, aber das gilt für das Christentum und Judentum genauso.

Sie sind nicht nur als Autor, sondern auch als Kabarettist erfolgreich. Wie erklären Sie sich die Beliebtheit von Comedians mit Wurzeln im Ausland?

Pamuk: Kabarettisten mit ausländischen Wurzeln gibt es seit fast 30 Jahren. Das spiegelt die gesellschaftliche Realität. Für jede Minderheit ist volle Teilhabe wichtig, politisch wie kulturell. Es müsste noch viel mehr geben, auch vietnamesische oder chinesische Comedians. Das wäre ein gutes Zeichen des Fortschritts im Zusammenleben.

Was wünschen Sie sich sonst für den gesellschaftlichen Dialog?

Pamuk: Ich würde mir wünschen, dass Leute über Themen sprechen, von denen sie tatsächlich Ahnung haben. Ein Beispiel: Es gibt an vielen Universitäten renommierte islamwissenschaftliche Institute. Es wäre schön, wenn man auch mal die Stimmen dieser tatsächlichen Experten hören würde und nicht die der angeblich "Betroffenen". Außerdem täte uns allen mehr Sachlichkeit und weniger Hysterie ganz gut. (KNA)