Neue Perspektiven im Kaffeeanbau

Seit acht Jahren versinkt der Jemen im Krieg. Doch inmitten der ökonomischen Misere hat die junge Generation ein Produkt neu entdeckt, das zu den zentralen Stützen der jemenitischen Wirtschaft zählt: den Kaffee. Von Mona Al-Asaadi

Von Mona Al-Asaadi

Der jemenitische Kaffeebaum ist in der ganzen Welt berühmt für seine Qualität. Über viele Jahrzehnte war die Kaffeeproduktion zudem eine wichtige Einkommensquelle für viele Jemenitinnen und Jemeniten. Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts hatten die Jemeniten lange Zeit ein Monopol auf Kaffee. Der Anbau erreichte Höchststände und der Kaffee wurde aus der westjemenitischen Hafenstadt Al Mocha (daher kommt der Name "Mokka“) in alle Welt exportiert. Seit Ende des 20. Jahrhunderts aber fiel der Jemen aus mehreren Gründen hinter andere kaffeeproduzierende Länder zurück. Laut Statistiken des jemenitischen Ministeriums für Industrie und Handel belegt das Land beim Kaffeeexport heute nur noch Platz 42 unter 64 kaffeeanbauenden Staaten weltweit.



Trotz dieses Rückgangs arbeiten junge Menschen im Jemen hart daran, die Bedeutung des jemenitischen Kaffees auf den Weltmärkten wiederherzustellen. Ihre intensiven Bestrebungen stoßen in der Gesellschaft auf viel Zuspruch.

Aufbruch mitten im Krieg

In den ersten Kriegstagen im Jemen organisierte die Agentur SMEPS zur Förderung kleiner Unternehmer die Kampagne #YemenCoffeeBreak. Die Kampagne brachte junge Menschen dazu, eigene Unternehmen im Kaffee-Sektor zu gründen. Der 30-jährige Adnan Al-Qasous, Leiter der Abteilung Kommunikation und Promotion in der Agentur, sagt: "Wir dachten an eine Kampagne, die Hoffnung verbreitet. Sie sollte den jemenitischen Kaffee als lokales Produkt bekannt machen und so die Wirtschaft  neu beleben. Also starteten wir die Kampagne #YemenCoffeeBreak, als Signal des Aufbruchs an die junge Generation und um das Monopol auf diesem Markt zu durchbrechen.“

Adnan al-Qasus (Foto: privat)
Adnan al-Qasus is head of communication and advocacy at SMEPS and says that the agency is working to promote farmers – both male and female – around Yemen by raising awareness of techniques to improve the quality of coffee being produced in the country



Laut Al-Qasous konzentriert sich die Agentur SMEPS darauf, den Kaffeesektor zu fördern. Sie unterstützt Bäuerinnen und Bauern in mehreren jemenitischen Regionen mit Bildungsmaßnahmen, um die Qualität des Kaffees zu verbessern und über die richtigen Anbaumethoden zu informieren. Er fügt hinzu: "Bei Trainings im In- und Ausland wurde eine Gruppe junger Leute im Bereich Verkostung und Röstung ausgebildet. Denn je besser qualifiziert die Mitarbeiter in diesem Bereich sind, desto mehr steigt die Nachfrage nach dem Produkt und damit der Gewinn aus den Erträgen.“



Außerdem gibt er an, dass sie viel zur beruflichen Orientierung junger Menschen und zur Stärkung von Unternehmen beigetragen hätten. Er ergänzt: "In der neuen Strategie der Agentur werden wir uns mit der Erschließung ausländischer Märkte für jemenitische Firmen aus dem Kaffeebereich beschäftigen und uns verstärkt um Ausbildung und Qualifizierung bemühen, um den Stellenwert dieses Produktes auf dem Weltmarkt als wichtiger Einkommensquelle wiederherzustellen.“

Die Wirkung der Kampagne

Wie viele andere junge Jemeniten hat der 30-jährige Abdullatif al-Jaradi durch den Krieg seine Arbeit verloren. Er hatte an einer Schule in Sanaa gearbeitet und sollte dort auch Schulleiter werden. Aber weil seit Kriegsbeginn die Gehälter ausblieben, begann Al-Jaradi über die Gründung einer eigenen Firma nachzudenken. Er sagt: "Ich dachte an ein Projekt, das meine Zukunft und die Zukunft der nachfolgenden Generationen absichern könnte. Aber damals dachte ich noch nicht an Kaffee."



Im Jahr 2015 organisierte die Agentur SMEPS die Veranstaltung #YemenCoffeeBreak. "Da ich ein leidenschaftlicher Kaffeetrinker bin, nahm ich an der Veranstaltung teil,“ sagt Al-Jaradi. Die Veranstaltung habe seinen Blick auf den Kaffee verändert und ihn mit Details für die Vermarktung und den Anbau von Kaffee vertraut gemacht. Dann habe er begonnen, über eine Tätigkeit in diesem Bereich nachzudenken: "Damit fing alles an. Ich fragte mich, warum nicht im Kaffee-Export arbeiten? Es gibt eine weltweite Nachfrage nach Kaffee in hoher Qualität und wir im Jemen können die hochwertigsten Kaffeesorten anbieten.“

Abdul Latif al-Jaradi; Foto: privat
Vom Lehrer zum Kaffeeproduzenten: Überzeugt von der Kampagne der Agentur SMEPS stieg der Lehrer Abdul Latif al-Jaradi in den Kaffeeanbau und -export ein. Vorher war er Lehrer an einer Schule in Jemens Hauptstadt Sanaa doch mit Kriegsbeginn wurden die Gehälter nicht mehr ausgezahlt.

Die Firma "Mokha Story“

Nachdem al-Jaradi an der Veranstaltung #YemenCoffeeBreak teilgenommen hatte, begann er sich intensiv einzulesen und beschäftigte sich mit der Welt des Kaffees, den internationalen und nationalen Märkten, dem Anbau und der Produktion, mit Trocknung, Abfüllung und internationalen Qualitätsnormen.



Er sprach mit vielen Bauern in verschiedenen jemenitischen Regionen. Im Jahr 2016 schließlich gründete er zusammen mit einem Freund die Firma "Mokha Story“. Über die Gründungsphase sagt er: "Leider war es ein sehr schwieriges Jahr für uns, weil wir zwar Kaffee produziert haben, diesen aber nicht verkaufen konnten.“ Ausländische Kunden zu finden sei nicht einfach gewesen, daher hätten sie ihre Strategie für den internationalen Markt überarbeitet.



"Dieses Hindernis konnten wir nur mit viel Arbeit und Geduld bewältigen. Manchmal waren wir gezwungen, erst  Proben ins Ausland zu schicken, damit der Kunde die Qualität testen konnte. Außerdem baten wir einige unserer Kunden, unsere Firma bei ihren Freunden und bei Röstereien bekannt zu machen. Das hat uns viel geholfen."

 Al-Jaradi beschloss, sich auf die Erstellung von speziellem Content über Kaffee auf dem Instagram-Account der Firma zu konzentrieren: "Ich begann, Kaffeefarmen in vielen Regionen zu besuchen, in Begleitung eines professionellen Fotografen, um Bilder vom Kaffeeanbau im Jemen auf Instagram zu veröffentlichen. Der Content erschien dann in den Suchmaschinen und wir wurden auf dem Markt sichtbar. Im Jahr 2017 schlossen wir den ersten Liefervertrag in die USA und die Freude war sehr groß, dass wir in dorthin exportieren konnten, trotz aller Schwierigkeiten.“



Al-Jaradi setzte seine Erkundungsreise in die Welt des Kaffees fort und im Jahr 2018 erhielt er ein spezielles Training des Kaffeeverbands CQI in Malaysia zum Thema Verkostung, dank einer Finanzierung durch die Agentur SMEPS. Über das Training berichtet er: "Ich war sehr gut und erhielt das Zeugnis, das ich die Kaffeeverkostung beherrsche. Damit bin ich qualifiziert, sämtliche Kaffeesorten zu verkosten und zu evaluieren."



Kamel Al-Najmi, bei der Firma "Mokha Story“ verantwortlich für Qualitätssicherung, sagt über seine Arbeit mit Al-Jaradi: "Der Krieg hat unser Einkommen zunächst geschmälert. Aber die Kaffeeleidenschaft von Abdullatif hat uns dazu gebracht, uns in diesem Bereich zu engagieren. Das hat uns dann finanzielle Unabhängigkeit gebracht und viele Türen geöffnet. 

Lokale Initiativen

Eine Gruppe junger Menschen im Jemen mit Bezug zum Kaffeesektor hat die Initiative ergriffen, um die Kaffeepflanze zu erhalten und den Anbau wieder nach vorne zu bringen. Dazu gehören Unternehmer, Landwirte oder Fachleute für Kaffee-Wertschöpfungskette. Sie gründeten mehrere Initiativen in Form von Messen und Festivals mit kostenlosen Verkaufsständen für junge Unternehmensgründer. Sie sollten die Möglichkeit erhalten, Verbrauchern ihre Produkte zu präsentieren, sie zu vermarkten und so die Angst zu verlieren, ihre Vorhaben könnten scheitern.


Reham Hashem; Foto: privat
Riham Hashim, Pionieren im Kaffeeanbau. Sie sagt, sie habe sich den Bereich Kaffeeverkauf und -export ausgesucht, da sie der Meinung sei, dass junge Frauen an sich selbst glauben sollten, anstatt nur die Hürden auf dem Weg zu sehen. Über ihre persönliche Erfahrung im Kaffeehandel in den letzten beiden Jahren sagt sie: "Der Krieg hatte negative Auswirkungen auf die Wirtschaft insgesamt und führte folglich auch zu einer schlechteren ökonomischen Situation der einzelnen Jemeniten. Auch ich habe Einkommensverluste erlitten. Also bin ich in den Kaffeehandel eingestiegen, denn der Jemen produziert die weltweit besten Kaffeesorten und das Getränk erfreut sich weltweit großer Beliebtheit. Daher bietet dieser Bereich viele Perspektiven.“

Zu diesen Initiativen gehört das Jemenitische Kaffeefestival, an dem sich sämtliche relevanten Akteure beteiligten und in das die ganze Gesellschaft eingebunden war. Bakr Al-Nasiri, der Geschäftsführer des Nationalen Auktionshauses und verantwortlich für das Jemenitische Kaffeefestival, sagt: "Das Kaffeefestival will die historische und kommerzielle Bedeutung des jemenitischen Kaffees wiederherstellen. Außerdem sollen die verschiedenen Akteure im bisher zersplitterten und unorganisierten jemenitischen Kaffeesektor zusammengebracht werden: Bauern, Vereinigungen, Exporteure.“



Er verweist darauf, dass die Initiativen die junge Generation dazu motivieren sollen, in diesem Sektor tätig zu werden, der angesichts der großen Nachfrage auf den Weltmärkten die Wirtschaft des Landes voranbringen könne.

Nachhaltige Perspektiven für jemenitische Frauen

Konventionen und Traditionen haben die jemenitischen Frauen zu wichtigen Arbeiterinnen bei Anbau, Pflege und Ernte der Kaffeebäume werden lassen.



Der Wirtschaftsanalyst Nabil Al-Sharabi sagt dazu: "Frauen tragen die größte Last bei Anbau und Pflege des Kaffees, ja selbst bei der Ernte. Beim Export dagegen spielen die Frauen keine Rolle, was auf die Sozialstruktur des Kaffeeanbaus im Jemen zurückzuführen ist. Es ist verpönt, dass Frauen einer Tätigkeit nachgehen, von der nicht direkt die Familie profitiert.“



Er ergänzt: "Auch die Tatsache, dass die Frauen nicht dazu qualifiziert sind, in diesem überaus anspruchsvollen Bereich tätig zu werden, führt dazu, dass die Vermarktung und der Export von Kaffee zum Monopol einer begrenzten Gruppe von Männern wurden.“



Riham Hashim zählt zu den Vorreiterinnen im Kaffeesektor. Sie sagt, sie habe sich den Bereich Kaffeeverkauf und -export ausgesucht, da sie der Meinung sei, dass junge Frauen an sich selbst glauben sollten, anstatt nur die Hürden auf dem Weg zu sehen.



Über ihre persönliche Erfahrung im Kaffeehandel in den letzten beiden Jahren sagt sie: "Der Krieg hatte negative Auswirkungen auf die Wirtschaft insgesamt und führte folglich auch zu einer schlechteren ökonomischen Situation der einzelnen Jemeniten. Auch ich habe Einkommensverluste erlitten. Also bin ich in den Kaffeehandel eingestiegen, denn der Jemen produziert die weltweit besten Kaffeesorten und das Getränk erfreut sich weltweit großer Beliebtheit. Daher bietet dieser Bereich viele Perspektiven.“

Sie ergänzt: "Also habe ich mein Unternehmen 'Brown Crown' gegründet, das einen speziellen und zu 100 Prozent jemenitischen Kaffee anbietet. Wir kümmern uns um die gesamte Lieferkette, vom Pflücken bis zum Mahlen.“ Laut Riham habe ihr die Arbeit im Kaffeesektor zu finanzieller Unabhängigkeit verholfen. Unterstützt durch die Gesellschaft habe sie durchgehalten und Hürden wie die mangelnde staatliche Unterstützung und die Schwierigkeiten bei beim Marketing überwinden. Sie konnte das Angebot an hochwertigen und damit höherpreisigen Kaffeesorten unter den Verbrauchern bekannt machen.

 

Zu ihrer Teilnahme am Kaffeefestival sagt sie: "Ich hatte die größten Verkaufserfolge beim Festival. Das Festival hat den Leuten das Produkt nähergebracht und bei der Vermarktung geholfen.“



Wirtschaftsanalyst Al-Sharabi ergänzt: "Die Beteiligung von Frauen in diesem Bereich hat viele Vorteile: Sie werden qualifiziert und erwerben Wissen über die Geheimnisse des jemenitischen Kaffees, über Qualität, Wettbewerb, Handels- und Exportwege. Zudem bringt ihnen der Kaffee hohe finanzielle Erträge, die in anderen Bereichen nur schwer zu erzielen wären.“

Mit Kaffee in eine bessere Zukunft

Die Kaffee-Projekte stoßen in der jemenitischen Bevölkerung auf großen Zuspruch, was sie stärkt, ihren Fortbestand und den weiteren Ausbau ermöglicht. Al-Jaradi sagt: "In der letzten Zeit gab es deutlich mehr Nachfrage nach Kaffee. Die Kaffeeunternehmen erfuhren Unterstützung vor Ort und wurden von den Leuten begrüßt, gerade unter der jungen Generation. Das bedeutet einen Aufschwung für die Cafés, in denen hochwertiger Kaffee auf neue Weise angeboten wird.“



Er ergänzte, dies sei zugleich auch Marketing für den Jemen und könnte dem Land dabei helfen, nach Kriegsende Touristen in jemenitische Cafés und auf jemenitische Farmen zu locken. Hinzu komme: "Es gibt viele Leute in aller Welt, die den Jemen besuchen wollen, insbesondere Kaffeeliebhaber. Das kommt ganz sicher der jemenitischen Wirtschaft zugute.“ 



Das Wissen um die Bedeutung der Kaffees im Welthandel, die Gründung einer Börse für Kaffee und Kaffee-Produkte, die Planungen für die Wiederbelebung des Kaffeeanbaus im Jemen sowie die anschließende weltweite Vermarktung - all das wird dazu beitragen, die soziale, aber auch die mikro- und makroökonomische Situation des Jemen zu verbessern und jungen Menschen materielle Unabhängigkeit zu ermöglichen, wie andere Projekte es nicht schaffen könnten, so Al-Sharabi.

Mona Al-Asaadi

© Goethe-Institut/RUYA 2023

Übersetzung aus dem Arabischen: Dr. Daniel Falk