
„Juden werden benutzt, um gegen Muslime Stimmung zu machen“
Frau De Boor, Herr Mohseni, was ändert sich für eine junge Jüdin und einen jungen Muslim in Deutschland, wenn sie, wie Sie beide, in einen Dialog mit der anderen Community eintauchen?
Mohseni: Schon einiges. Vor allem ist mir bewusst geworden, dass Juden und Muslime hier als Minderheiten in einer ähnlichen gesellschaftlichen Lage sind. Ich persönlich hatte vorher überhaupt keinen Kontakt zu Jüdinnen und Juden. Ich hatte nicht auf dem Schirm, dass es überhaupt säkulare Juden gibt.
De Boor: Bei mir hat sich der Blick geschärft. Ich lebe in Berlin-Neukölln, da höre ich täglich Arabisch und habe zum Beispiel den Ramadan schon immer mitbekommen. Aber ich habe mich doch nicht getraut, viele Fragen zu stellen. Durch das Programm Dialogperspektiven zwischen den Studienwerken wurde das Fragen einfacher.
Und man kann da auch einfacher ein ehrliches Feedback geben – etwa: „Die Frage geht so nicht, sie ist rassistisch. Warum denkst du, ich bin so, nur weil ich Jüdin bin.“ Wobei ich sagen muss: Von Muslimen habe ich wenig taktlose Fragen gehört, eher von anderen.
Wir tauschen uns im Programm „Dialogperspektiven“ im Übrigen auch über gesellschaftspolitische und nicht nur über theologische Fragen aus. Das ist sehr wichtig, denn bei Themen wie die Beschneidungsdebatte, aber auch der prekären Lage auf dem Wohnungsmarkt, haben Juden und Muslime häufig die gleichen Probleme.

Ihr letztes Seminar hat Sie nach Israel geführt. Wo erleben Sie die Konfliktlinien zwischen Ihren Communitys, wenn es um den Nahostkonflikt geht?
Mohseni: Es war nicht so, dass Juden und Muslime sich da am heftigsten gestritten haben. Vielmehr gab es unter den jüdischen Teilnehmern starke Konflikte. Einige Jüdinnen und Juden haben sich sehr mit dem Staat Israel identifiziert und fühlten sich sehr verletzt, wenn von Menschenrechtsverletzungen die Rede war und die Politik Israels scharf kritisiert wurde. Andere waren die lautesten Kritiker israelischer Politik.