Aref al-Aref und Ali Qleibo meinen, dass die Tekruri-Schwarzafrikaner unter den Mamluken und Osmanen für den Schutz von Personen und Gebäuden angestellt wurden, speziell auch als khadim (dt. Diener) an heiligen Orten in Jerusalem und Mekka. Kurz soll auf die Bezeichnung khadim eingegangen werden, die problematisch ist.
Der ägyptische Rechtsgelehrte Al-Qalqaschandi (14./15. Jahrhundert) interpretiert khadim als einen Titel vom Hofe des Sultans, während das arabische Wörterbuch Lisan al-Arab das Wort lediglich im Sinne einer Stellung versteht: Ein khadim sei "jeder, der im Dienst eines anderen Mannes oder einer Frau steht, ob leibeigener Junge oder Mädchen." Es stellt sich die Frage, wie diese Differenzierung zwischen den Schwarzafrikanern sich auf die Identitätsbildung der Takruri-Afrikaner ausgewirkt hat.
Beziehung zwischen Hautfarbe, Arbeitsbereich und Wohnlage
Mein Onkel Alhajj Jibril Walad Shiné hat mir immer wieder eindringlich erklärt: "Wir sind keine Sklaven, wir sind Freie". Seine Worte waren für mich ein erster Hinweis darauf, wie sehr die Afrikaner selbst diese soziokulturelle Unterscheidung verinnerlicht haben und dass dies zur Formulierung einer neuen Identität geführt hat, die von ihrem afrikanischen Hintergrund entfremdet ist.
Hier muss betont werden, dass ihr Ursprung, bzw. ihre Ursprünge eigentlich auf der arabischen Halbinsel liegen: "Unser Ursprung ist in Jeddah", wie der Mokhtar [Arabischer Gelehrter] Muhammed Jiddah in einem Interview von 1997 meinte.
Ein Blick auf die Verknüpfung von Arbeitsbereich, Hautfarbe und körperlichen Merkmalen, wie sie der Historiker Aref al-Aref herstellt, gibt einen zweiten Hinweis auf den soziokulturellen Status der Schwarzafrikaner. Indem er sie beschreibt als "schwarzhäutig, hochgewachsen und stark gebaut" und dies als Grund für ihre besondere Eignung im Gebäude- und Personenschutz nennt, wird deutlich, dass das Verständnis dieser Bevölkerungsgruppe nicht über Stereotypen hinausging: In den Augen ihres Umfelds waren sie für Arbeiten gut, die körperliche Fähigkeiten erfordern, nicht aber intellektuelle.

Als drittes ist die Verbindung zwischen Hautfarbe und Wohnsituation zu thematisieren. Die meisten Jerusalemer Afrikaner leben im sogenannten Afrikanischen Viertel, welches aus zwei historischen Gebäuden besteht, nämlich dem Ribat al-Mansouri (Der Ribat: ein befestigter Komplex, der meist als Pilgerherberge diente, aber verschiedene Funktionen erfüllen konnte) und dem Ribat al-Basiri. Sie wurden im 12. Jahrhundert unter den Mamluken errichtet und befinden sich in der Nähe des Rats-Tors (Bab al-Nazir), einem der Eingänge zum Tempelberg.
Von der Pilger-Herberge zum Gefängnis
Diese befestigten Bauten dienten zunächst als Pilgerherbergen, wurden zum Ende der osmanischen Ära, genauer zwischen 1898 und 1914, jedoch als Gefängnisse genutzt. Das erste, Ribat al-Basiri wurde auch "Blutgefängnis" genannt und beherbergte zum Tode verurteilte arabische Gefangene.
Ribat al-Mansouri nannte man "Ribat-Gefängnis" und nutzte es für Insassen mit verschiedenen Haftlängen. Nach 1929 wurden die beiden Gebäude in Wohnquartiere für die Jerusalemer Afrikaner umgewandelt. Seitdem verwenden manche Jerusalemer für sie die Bezeichnung "Sklavengefängnis" (habs al-abid), die die historische Funktion der Gebäude mit der Vorstellung, Menschen schwarzer Hautfarbe seien Sklaven, verbindet.
In der Jerusalemer Gesellschaft versuchen einige, den Rassismus, den derlei Bezeichnungen tragen, herunterzuspielen. Auf YouTube findet man Kommentare über eine ideale palästinensische Gesellschaft: "Wir sind eins, wir sind alle Brüder, wir sind alle gleich" heißt es da.
Die Verwendung der Bezeichnung "Sklavengefängnis" sei doch nicht viel mehr als Ausdruck der Ignoranz weniger; es stecke dahinter kein kultureller oder sozialer Rassismus gegenüber Schwarzafrikanern. Deshalb gäbe es auch insgesamt in der palästinensischen Gesellschaft keinen Rassismus und wir alle seien nur "Diener Gottes", in der religiösen Bedeutung des Wortes Sklave, abid li-llah.
Das bleibende Bild vom schwarzen Sklaven
Ich halte diese Einschätzung jedoch für fragwürdig und unrealistisch. Wie können uns diese YouTube-Stimmen erklären oder rechtfertigen, dass weiterhin die Bezeichnung abid al-duyuk ("Sklaven von Duyuk") für jene Bewohner schwarzer Hautfarbe verwendet wird, die in der Nähe des Dorfs Ein al-Duyuk nördlich von Jericho leben? Oder der Name hara al-abid ("Sklavenviertel") für Stadtviertel in verschiedenen Städten, Kleinstädten und Lagern im besetzten Palästina und Westjordanland, in denen vor allem Menschen schwarzer Hautfarbe leben?
Abschließend lässt sich sagen, dass die Problematik unterschiedlicher Definitionen sowie das Stereotyp, das auf der Verbindung zwischen Hautfarbe, Arbeitsbereich und Wohnlage aufbaut, den Grundstein dafür bildet, den soziokulturellen Status der Schwarzafrikaner in der palästinensischen Gesellschaft einzuschätzen und zu verstehen.
Einerseits ist die Definition des Al-afriqi al-aswad, des Schwarzafrikaners, dem Prozess der kulturellen Assimilation und Substitution ausgesetzt (takruri); andererseits wird er zeitlich auf die Verbreitung des Islams in Afrika beschränkt, wenn zum Beispiel Aref al-Aref schreibt, dass die afrikanischen Völker vorher (das heißt vor der Islamisierung und Arabisierung der afrikanischen Gesellschaft) keine Zivilisation oder Kulturen hatten.
Obwohl der Unterschied sicherlich groß war, habe ich doch versucht mit vorangegangenen Beispielen zu zeigen, dass die kulturellen Grenzen zwischen der palästinensischen Gesellschaft und dem Takruri-Afrikaner als Teil der islamischen Gemeinschaft (Umma) verschwimmen. Die rassistische Differenzierung besteht jedoch weiterhin und so bleibt der Schwarzafrikaner, ob Takruri oder nicht, in der arabischen Vorstellung eben doch Al-abd al-aswad – "der schwarze Sklave".
Yasser Qous
© Goethe-Institut e.V./Perspektiven 2019
Yasser Qous ist Masterstudent am Institut für Geschichte und Zivilisation der École des Hautes Études en Sciences Sociales, Paris. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Sozialgeschichte Palästinas, insbesondere die Entwicklung der afro-palästinensischen Gemeinde in Jerusalem.
Übersetzung: Jana Duman
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