Der verpfuschte saudische Krieg

Trotz der über fünf Jahre andauernden militärischen Intervention im Jemen konnte die Koalition unter der Führung Saudi-Arabiens das Bürgerkriegsland nicht vor dem Zerfall retten. Eine Analyse von Amin Saikal

Von Amin Saikal

Der Übergangsrat Südarabiens (STC), der von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützt wird, kontrolliert heute den wichtigen Hafen von Aden, und hat, zum Leidwesen Saudi-Arabiens, die Selbstverwaltung des Südens ausgerufen. Aber es könnte sein, dass diese De-Facto-Teilung die Instabilität im Jemen und in der Region letztlich nicht verringert.

Tatsächlich ist der Jemen bereits in drei territoriale Gebiete aufgeteilt: Das erste wird von der saudisch unterstützten Regierung des Präsidenten Abd-Rabbu Mansour Hadi kontrolliert, der jetzt im Exil ist, und die anderen beiden von den Huthi-Rebellen, hinter denen der Iran steht. Dadurch wurden die Kämpfe verlängert, die als "Bürgerkrieg innerhalb eines Bürgerkriegs" beschrieben wurden – mit erheblichen geopolitischen Folgen.

Der Konflikt dauert bereits seit 2015 an. Damals begann die arabische Koalition aus Saudi-Arabien und acht anderen Ländern, darunter auch den VAE, eine massive militärische Intervention. Geplant wurde sie hauptsächlich vom saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MBS), der nun der eigentliche Herrscher des Königreichs ist. Entscheidend unterstützt wurde er dabei von Mohammed bin Zayed (MBZ), dem mächtigen Kronprinz des Emirats Abu Dhabi und stellvertretenden Oberbefehlshaber der Streitkräfte der VAE.

Geopolitische Allianz gegen den Iran

MBS verfolgte dabei ein doppeltes Ziel: Erstens wollte er seine Stellung innerhalb der königlichen Familie stärken, um seinen Vater, dem alternden König Salman bin Abdulaziz al-Saud, zu beerben. Und sein zweites Ziel war, Hadis wieder an die Macht zu bringen, nachdem er im September 2014 durch Kämpfer der Zaidi-Shia-Huthi-Minderheit, die die jemenitische Hauptstadt Sanaa eroberten, abgesetzt worden war.

Abd-Rabbu Mansour Hadi gemeinsam mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MBS) und Mohammed bin Zayed (MBZ), dem mächtigen Kronprinz des Emirats Abu Dhabi; Foto: Reuters/Saudi Press Agency
Händchen halten mit MBZ und MBS: Staatschef Abd-Rabbu Mansour Hadi hat im Krieg gegen die Huthi-Rebellen, in dem bereits zehntausende Menschen getötet wurden, den Beistand der Militärkoalition unter Führung Riads. Doch seine Macht schwindet zusehends. Die Lage der Hadi-Regierung wird durch die Autonomie-Erklärung des Südens erheblich weiter erschwert. Im Norden des Landes steht sie seit fünf Jahren im Krieg mit schiitischen Huthi-Rebellen, die vom Iran unterstützt werden. Ein Sieg gegen die Huthis scheint aussichtslos zu sein.

Außerdem wollte MBS dem schiitischen Iran zeigen, dass das sunnitische Saudi-Arabien – der Ort der zwei heiligsten Schreine des Islam – nicht mehr passiv bleibt und den zunehmenden Einfluss des Iran in der Region, insbesondere entlang der saudischen Grenze, nicht mehr toleriert.

Mit seiner anti-iranischen Strategie stieß MBS bei MBZ und anderen Verbündeten auf Zustimmung, die ein Gegengewicht zur Islamischen Republik bildeten. Zu diesem Zeitpunkt war die Regierung von US-Präsident Barack Obama gerade dabei, das Atomabkommen mit dem Iran auszuhandeln, das im Juli 2015 unterzeichnet wurde. Obwohl Obama aufgrund dieser Verhandlungen zögerte, konnte das traditionelle amerikanische Bündnis die Oberhand gewinnen, und die USA unterstützten die Koalition.

Saudi-Arabien ging ursprünglich davon aus, mithilfe der bewaffneten Intervention und den Luftangriffen die Huthis innerhalb von Wochen besiegen und Hadis Regierung in Sanaa schnell wieder einsetzen zu können. Aber sie hatten die soziale und politische Komplexität des Landes unterschätzt, das erst 1990 wiedervereinigt worden war, als sich der kommunistische Süden mit dem saudisch unterstützten Norden zusammenschloss.

Regentschaft mit eiserner Faust: Ali Abdullah Salih

Bei dieser Wiedervereinigung spielte der nordjemenitische Präsident Ali Abdullah Salih eine entscheidende Rolle und führte den vereinigten Jemen mit eiserner Faust – bis 2012, als ihn ein Volksaufstand zwang, die Macht an Hadi zu übergeben. Aber Salihs politischer Abstieg führte bald zu politischer, sozialer und religiöser Fragmentierung, da das Machtvakuum durch Gruppen gefüllt wurde, deren Bandbreite von den Huthis bis hin zu Al-Qaida reichte.

Jemen ehemaliger Präsident Ali Abdullah Salih; Foto: picture-alliance/AP
Königsmacher bei der Vereinigung des Landes und Regent mit eiserner Hand: Der nordjemenitische Präsident Ali Abdullah Salih spielte bei der Wiedervereinigung eine entscheidende Rolle und herrschte bis 2012, als ihn ein Volksaufstand zwang, die Macht an Hadi zu übergeben. Aber Salihs politischer Abstieg führte bald zu politischer, sozialer und religiöser Fragmentierung, da das Machtvakuum durch Gruppen gefüllt wurde, deren Bandbreite von den Huthis bis hin zu Al-Qaida reichte.

Die von den Saudis geführte Militäraktion war menschlich und wirtschaftlich für alle Seiten sehr kostspielig. Auch wenn keine offiziellen Zahlen verfügbar sind, werden die Kosten des Krieges bis 2018 auf über 100 Milliarden Dollar geschätzt, zu denen noch erhebliche militärische Truppen- und Materialverluste kommen.

Und das Leid, das der Krieg dem jemenitischen Volk zugefügt hat, ist astronomisch: Laut der Vereinten Nationen wurden etwa 112.000 Menschen getötet, darunter 12.000 Zivilisten, von denen fast 70 Prozent durch die Luftangriffe der Koalition starben. Darüber hinaus benötigen 80 Prozent der Bürger des Landes – 24 Millionen Menschen – humanitäre Hilfe, und die UN berichtete 2019, fast zehn Millionen seien "nur einen Schritt von einer Hungersnot entfernt". Außerdem gab es erhebliche materielle Zerstörung.

Aufgrund der Anzahl der Opfer und der zunehmenden humanitären Krise wurde Obama gegenüber der arabischen Koalition immer kritischer, und im Dezember 2016 stoppte er den Verkauf einiger Waffen an Saudi-Arabien. Obamas Nachfolger Donald Trump allerdings wechselte den Kurs und gab den Saudis sowohl Waffen als auch freie Hand im Jemen.

Iran als heimlicher Gewinner?

Aber trotzdem kann sich Trumps Gegner Iran strategisch stark fühlen: Die Huthis kontrollieren nun einen großen Teil des Jemen entlang der saudischen Grenze, und der STC hat den Süden übernommen. Für Hadis Truppen bleiben nur noch kleinere Gebiete übrig, was nicht nur MBS Sorgen bereiten muss, sondern auch Trump, der behauptet, der Iran sei der Ursprung aller Probleme in der Region und müsse um jeden Preis eingedämmt werden.

Separatisten des "Übergangsrats Südarabien" (STC) in Aden; Foto: Getty Images/AFP
Zuspitzende Krise: Separatisten des "Übergangsrats Südarabien" (STC) hatten Ende April in der strategisch wichtigen Hafenstadt Aden eine eigene Regierung für den Süden des Landes ausgerufen. Die Unabhängigkeitsbewegung warf der international anerkannten Regierung vor, gegen ein Friedensabkommen vom November verstoßen zu haben. Die Regierung nannte den Schritt "katastrophal und gefährlich". In dem Abkommen vom November hatten sich beide Seiten auf eine Machtteilung geeinigt: Vertreter der Separatisten sollten in die Regierung von Präsident Abd-Rabbu Mansour Hadi einziehen. Im Gegenzug wollten sie die Kontrolle in Aden wieder abgeben, wohin die Regierung nach ihrer Vertreibung aus Sanaa 2015 ins Exil gegangen war. Die Umsetzung der Vereinbarung geriet jedoch ins Stocken.

Während des Kriegs versuchte MBS, seine Macht im Inland zu festigen. Trotz wachsender internationaler Kritik an seinem Militäreinsatz und der Spaltungen innerhalb der arabischen Koalition – insbesondere zwischen dem saudischen Königreich und den VAE – war MBS nicht bereit, die Vergeblichkeit seiner Aktion einzugestehen. Auch alle andere Kritik versuchte er abzuwehren – wie jene an seiner angeblichen Genehmigung des Mordes an Jamal Khashoggi in Istanbul im Oktober 2018 und der Verhaftung möglicher Gegner innerhalb der saudischen Königsfamilie.

Der Krieg könnte sich nun in einer neuen Phase befinden: Während die Saudis die STC-Kontrolle über den Süden gern beenden würden, deutet – nach einem gebrochenen Waffenstillstand und der Auflösung des Abkommens von Riad, einem Friedensvertrag vom November 2019 – einiges auf einen Rückzug hin. Die Verbündeten des Königreichs werden bei ihrem Kampf um die Überlegenheit im Norden und im Süden nicht nachlassen, obwohl die COVID-19-Pandemie das Land erreicht hat (der erste Fall wurde im vergangenen Monat bestätigt).

Die Teilung wird das Ziel der Stabilität und Sicherheit im Jemen sicherlich nicht fördern. Aber sie bietet MBS und Trump die Gelegenheit, ihre Politik, die die Unsicherheit in der Golfregion verstärkt hat, zu überdenken. Es gibt keine einfachen Lösungen. Aber nur durch Friedensgesprächen zwischen den Kriegsparteien unter der Leitung der UN wird es möglich sein, eine politische Einigung zu erreichen, die der Region weitere Machtrivalitäten – und weiteres Blutvergießen – erspart.

Amin Saikal

© Project Syndicate 2020

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff