Als Frauen die muslimische Welt regierten

Der Orient kannte weibliche Regenten, die erfolgreiche Herrscherinnen von Königreichen waren. Und dennoch ist Macht in der islamischen Geschichte seit jeher den Männern vorbehalten: So galt in der Erbfolge nur das Recht der Söhne, Brüder und Enkel. Von Mohamed Yosri

Von Mohamed Yosri

Die islamische Geschichte ist reich an Krisen, an denen ganze Dynastien zerbrochen wären, hätte es nicht mutige Frauen gegeben, die die Vormundschaft der jungen Kalifen und Könige zum Schutz des Kalifats und zur Verwirklichung ihrer eigenen Machtansprüche übernahmen.

Doch wie konnten eigentlich muslimische Frauen die Leiter zur Macht erklimmen, Truppen befehligen, Staaten und Königreiche anführen, während sie sich gleichzeitig zur Zielscheibe von Gewalt, Grausamkeit und Tyrannei machten?

Al-Khayzaran: Macht besiegt Geschichte

Keine Frau des abbasidischen Kalifats blieb so in Erinnerung wie al-Khayzaran bint Atta, Ehefrau des Kalifen Al-Mahdi und Mutter der beiden Kalifen Al-Hādī und Hārūn ar-Raschīd.

Al-Khayzaran war ursprünglich eine Sklavin jemenitischer Herkunft, die nach Bagdad gebracht wurde. Der Kalif Al-Mahdi liebte sie so leidenschaftlich, dass er sie befreite und zur Frau nahm, womit er gegen alle Konventionen der Abbasiden-Dynastie verstieß.

Al-Khayzaran war bekannt für den großen Einfluss, den sie auf die Regierungsgeschäfte des Kalifats ausübte. Sie war in politische und sonstige Entscheidungen stets eingebunden und genoss dabei die hohe Wertschätzung ihres Mannes.

Buchcover At-Tabarī: "Geschichte der Propheten und Könige", Brill-Verlag
In seinen "Annalen der Propheten und Kalifen" beschreibt At-Tabarī die Kalifenmutter Kalifenmutter Al-Khayzaran als eine Frau, die ihren Sohn lenkte und ihn drängte, "ebenso wie sein Vater mit Befehl und Härte zu regieren".

Auch nach dem Tod von Al-Mahdi im Jahre 785 n. Chr. und der Thronbesteigung ihres Sohnes Mūsā al-Hādī spielte Al-Khayzaran weiterhin eine wichtige Rolle – sowohl in der Führung des Kalifats als auch als Beschützerin ihres Sohnes, wie der islamische Historiker At-Tabarī berichtet.

In seinem Buch "Geschichte der Propheten und Könige" beschreibt At-Tabarī die Kalifenmutter als eine Frau, die ihren Sohn lenkte und ihn drängte, "ebenso wie sein Vater mit Befehl und Härte zu regieren". Historiker beschreiben die Beziehung zu ihrem Sohn jedoch als problematisch. So hieß es, Al-Hādī habe sich weitere Einmischungen verbeten und sie angewiesen, den Rest ihres Lebens betend zu verbringen!

Die Annalen stellen sie als machtbesessen dar: Sie sei diejenige gewesen, die die Ermordung ihres Sohnes plante, als dieser im Krankenbett lag. At-Tabarī schreibt, dass Al-Hādī auf Anordnung seiner Mutter von einem Sklavenmädchen in seinem Bett erstickt wurde.

Mit der Thronbesteigung ihres jüngeren Sohnes Hārūn ar-Raschīd baute Al-Khayzaran ihre Machtposition bis zu ihrem Tod 789 n. Chr. weiter aus, also zwei Jahre nach der mutmaßlichen Ermordung ihres Sohnes Al-Hādī.

Subh von Córdoba: Die Baskin, die über Córdoba herrschte

In Córdoba, der Hauptstadt Andalusiens unter dem Kalifat der Umayyaden, gelangte ein Mädchen aus dem Baskenland im Norden der Iberischen Halbinsel durch einflussreiche Kreise an die Macht. Dieses baskische Mädchen namens Aurora wurde in Córdoba als Subh, die Baskin, bekannt.

Subh kam als Sklavin nach Andalusien und wurde dort mehrmals weiterverkauft, bis Kronprinz Al-Hakam II. auf sie aufmerksam wurde, einer der mächtigsten Herrscher im zehnten Jahrhundert.

Al-Hakam II. war von Subh sehr beeindruckt. Er kaufte die Sklavin und machte sie zu seiner nächsten Vertrauten, insbesondere nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Hisham II.

Nach dem Tod des Kalifenvaters ʿAbd ar-Rahmān III. und der Thronbesteigung seines Sohnes Al-Hakam II. im Jahre 961 n. Chr. öffneten sich für Subh die Türen zur Macht. Sie war häufig in Regierungsangelegenheiten eingebunden und mischte auch in politischen Auseinandersetzungen mit.

Doch erst nach dem Tod ihres Mannes übernahm Subh eine offen aktive Rolle in der Führung des Kalifats. Al-Hakam II. hatte eine auf drei Personen verteilte Vormundschaft über seinen Sohn und Erben, Hisham II., verfügt.

Die drei Vormünder waren der erste Minister Dschafar al-Mushafi sowie Almansor und Subh. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich zwischen den drei Regenten Rivalitäten bildeten. Doch die Entscheidung von Al-Hakam II., Subh als Vormund des gemeinsamen Sohnes einzusetzen, zeigte, wie sehr der Kalif ihr und ihrem politischen Scharfsinn vertraute.

Subh suchte eine Allianz mit Almansor. Beide konnten den ersten Minister kaltstellen und Andalusien einige Jahre lang gemeinsam regieren, bis auch zwischen ihnen Rivalitäten ausbrachen, die schließlich zur Absetzung Subhs führten. Hisham II. und Subh wurden in der nahegelegenen Palaststadt Medina Azahara unter Hausarrest gestellt.

Eine aus Elfenbein gefertigte Deckelkapsel der Prinzessin Subh aus Córdoba; Quelle: © Raseef 22
Aktive Rolle in der Führung des Kalifats: Kronprinz Al-Hakam II. hatte eine auf drei Personen verteilte Vormundschaft über seinen Sohn und Erben, Hisham II., verfügt. Die Entscheidung von Al-Hakam II., letztlich Subh als Vormund des gemeinsamen Sohnes einzusetzen, zeigte, wie sehr der Kalif ihr und ihrem politischen Scharfsinn vertraute.

Auch nach dieser Niederlage arbeitete Subh bis zu ihrem Tod daran, das Kalifat ihres Sohnes wiederherzustellen.

Sitt al-Mulk: mit eiserner Faust

Während der Fatimidendynastie gewannen mehrere Frauen großen politischen Einfluss und bekleideten höchste Ämter.

Eine der bekanntesten Frauen und wohl auch die erfolgreichste war die 970 n. Chr. geborene Prinzessin Sitt al-Mulk, Tochter des fünften Fatimidenkalifen al-ʿAzīz.

Der Kalif erkannte frühzeitig die Intelligenz und Begabung seiner Tochter und beteiligte sie am politischen Leben. Er führte sie in die inneren Machtzirkel ein und schätzte schon bald ihren Rat in allen Staatsangelegenheiten.

Nach dem Tod ihres Vaters leitete Sitt al-Mulk die Staatsangelegenheiten für ihren zu diesem Zeitpunkt noch minderjährigen jüngeren Bruder Al-Hākim bi-amr Allāh. Allerdings musste sie die Macht mit dem einflussreichen Minister Bardschuwan teilen, der de facto Regent des Kalifats war.

Historiker berichten, dass Sitt al-Mulk zwischenzeitlich Differenzen mit ihrem Bruder hatte, der sie daraufhin von den Staatsgeschäften entband und ihre politische Rolle beschnitt. Offenbar konnte sie ihren Einfluss aber ab 1021 n. Chr. erneut ausbauen.

Mehrere Historiker erwähnen, dass Sitt al-Mulk mit einigen Verbündeten die Ermordung ihres Bruder plante, so auch der arabische Historiker und Schriftsteller Taqī ʿAlī al-Maqrīzī in seinem Werk Ermahnung der Muslime mit den Nachrichten über die fatimidischen Imam-Kalifen (Ittiʿāẓ al-ḥunafāʾ bi-aḫbār al-aʾimma al-Fāṭimīyīn al-ḫulafāʾ).

Nach dem mysteriösen Verschwinden von Al-Hākim folgte sein minderjähriger Sohn Az-Zahir auf den Thron. Als dessen Vormund übernahm Sitt al-Mulk die Regentschaft über das Kalifat. Sie führte die Staatsangelegenheiten mit eiserner Hand bis zu ihrem Tod 1023 n. Chr.

Die Mutter des Kalifen Al-Mustansir bi-’llah

Wenn Sitt al-Mulk das Sinnbild einer politisch erfolgreichen Fatimidenherrscherin war, dann verkörpert die Mutter des Kalifen Al-Mustansir das genaue Gegenteil: Sie wurde zum Inbegriff des Scheiterns in einer chaotischen Zeit, die fast zum Untergang des Fatimidenreichs geführt hätte.

Nach dem Tod des Kalifen Abu ’l-Hasan Ali az-Zahir li-Izaz Din Allah im Jahr 1035 n. Chr. trat sein Sohn Abu Tamim Maadd al-Mustansir bi-’llah dessen Nachfolge an. Zu diesem Zeitpunkt war Al-Mustansir noch keine sieben Jahre alt, weshalb seine Mutter zunächst an seiner Stelle die Regierungsgeschäfte führte.

Karte zeigt den Herrschaftsbereich der Fatimiden in Nordafrika und Ägypten; Foto: wikimedia
An der Herrschaft der ismailitischen Fatimidendynastie über Ägypten und Nordafrika hatten auch Frauen ihren Anteil. So galt Sitt al-Mulk als Sinnbild einer erfolgreichen politischen Fatimidenregentschaft.

Merkwürdig ist, dass sie trotz ihrer Machtfülle kaum in den historischen Texten der Fatimidendynastie erwähnt wird. Quellen bezeichnen sie lediglich als Mutter von Al-Mustansir, ohne Namen oder Titel zu nennen.

Zunächst gelang es ihr, den Einfluss des Fatimidenreichs auf weitere Länder und Regionen auszudehnen. Das Herrschaftsgebiet umfasste Ägypten, den Süden der Levante, Nordafrika, Sizilien, das Rote Meer, Jemen und den heutigen Hedschas.

Im Laufe der Jahre zeigten sich jedoch die negativen Auswirkungen dieser Expansion.

Ibn al-Athīr verweist in seinem Hauptwerk Die vollständige Geschichte (Al-Kāmil fī ʾt-taʾrīḫ) darauf, dass die Mutter des Kalifen Al-Mustansir sudanesischer Herkunft sei. Vermutlich versuchte sie daher, den Einfluss der sudanesischen Söldner im Militär zu vergrößern, die damals einen wichtigen Teil der Fatimidentruppen in Ägypten bildeten. Sie wollte damit ihre Herrschaft absichern und ein Gegengewicht zu den marokkanischen und türkischen Truppen herstellen, der wichtigsten Kraft im Kalifat.

Dies führte zu Kämpfen unter den verschiedenen Truppenteilen und zum Niedergang der Reichsverwaltung. Während der Kämpfe brach eine Hungersnot aus, die von einer siebenjährigen Dürre begleitet wurde. Die Zeit der politischen und wirtschaftlichen Anarchie in Ägypten wird von den Historikern als "Al-Shidda al-Mustansiriya" (die harten Jahre von Al-Mustansir) beschrieben.

Nach Berichten der Historiker Ibn Taghribirdi und al-Maqrīzī setzte sich die Mutter des Kalifen mit ihren Töchtern während der Hungerjahre nach Bagdad ab. Sie ließ ihren Sohn in Kairo zurück, der zwar seine religiöse Führerrolle verteidigen konnte, aber politisch und militärisch weitgehend entmachtet war.

Tarkan Chatun: Die Königin

Tarkan Chatun, die Hauptgemahlin des Seldschukensultans Malik Schah I., war eine der wenigen Frauen, die während der Seldschukenherrschaft politischen Einfluss ausübten. Allerdings wird sie auch mit der Ermordung des mächtigen Wesirs Nizām al-Mulk in Verbindung gebracht.

Im Jahr 1092 n. Chr. ermordete ein junger Sufi den einflussreichen Seldschukenwesir. Obwohl die Ermordung offiziell Hassan-i-Sabbah zugeschrieben wird, dem Anführer der berüchtigten Assassinen (Hashishin), behaupten Historiker, wie Ibn al-Dschauzī und Adh-Dhahabī, dass Tarkan Chatun der führende Kopf hinter diesem Mord gewesen sei.

Tarkan Chatun griff maßgeblich in die politischen Angelegenheiten des Staates ein. Nach dem Tode ihres Mannes, Sultan Malik Schah I., wetteiferte sie mit dem Wesir um die eigentliche Regentschaft.

Als Tarkan Chatun den Anspruch ihres eigenen jüngeren Sohnes Mahmud sicherzustellen versuchte, unterstützte Nizām al-Mulk Berk-Yaruq, den ältesten Sohn von Malik Shah. Dies führte zum Konflikt zwischen der Königin und dem Wesir.

Mit der Ermordung von Nizam al-Mulk war der Weg für Tarkan Chatun frei. Nach dem Tod des Sultans folgte der erst vierjährige Sohn Mahmud auf den Thron. Tarkan Chatun war Vormund ihres Sohnes und versuchte als solche, ihre Herrschaft im Seldschukenreich durchzusetzen.

Ihre Regentschaft dauerte jedoch nicht lange, denn der älteste Sohn Berk-Yaruq wurde schon kurz nach dem Tod seines Vaters zum Sultan ausgerufen. In einer Reihe von Fehden gelang es ihm schließlich, seinen jüngeren Bruder zu besiegen, womit den Machtbestrebungen der Königin ein Ende gesetzt war.

Die Darstellung der Thronhüterinnen in historischen Berichten

Da die meisten historischen Berichte über das Kalifat die Sicht von Historikern wiedergeben, darf die Darstellung der Herrscherinnen in der islamischen Geschichte nicht unkommentiert bleiben.

Auffällig ist nämlich die wiederholte Zuschreibung von Morden an Rivalen dieser Frauen im Kampf um die Regentschaft.

Hier stellt sich die Frage, ob dieses Deutungsmuster Teil des Machtkampfes war. Oder handelte es sich um ein Narrativ, auf das Historiker rekurrieren, um die Macht in den Händen einer Frau als etwas Unverdientes oder Unzulässiges zu subsumieren?

Letzteres lässt sich an den Begriffen ablesen, mit denen der Diskurs über die Rechtmäßigkeit der Rolle der Thronhüterinnen geführt wird. Ihre Teilhabe an der Politik wird als "Einmischung" oder "Aneignung" bezeichnet, obwohl diese Frauen alle Eigenschaften hatten, die für eine erfolgreiche Regierungs- und Staatsführung notwendig waren: Erfahrung, Scharfsinn und starke Persönlichkeit.

Zudem versäumten es die Historiker, die positiven Aspekte der Regentschaft dieser Frauen zu erwähnen. Sogar dann, wenn sie maßgeblich zu Macht und Wohlstand des Kalifats beigetragen haben.

Mohamed Yosri

© Raseef 22

Aus dem Englischen von Peter Lammers