Gottgefällige Mode

Ein Modelabel versucht, eine Brücke zwischen modernem Lifestyle und ernsthafter Glaubenspraxis zu schlagen. Die Produkte von Styleislam haben bei jungen Muslimen in Deutschland schon Kultstatus, wie Heiner Kiesel berichtet.

​​ Hausschuhe, darüber dürfte interkulturell Einigkeit bestehen – sind eher uncool. Im Büro von Styleislam laufen alle in Schlappen umher. Und doch wird hier, mitten in Witten, einer Industriestadt im Ruhrgebiet, eifrig an einer modernen Lifestylewelt für Muslime getüftelt. Schon beim Eintreten wird klar, dass dabei einiges anders läuft, als in gewöhnlichen Grafikbüros.

Melih Kesmen, ein stämmig gebauter Mann mit Pferdeschwanz und Kinnbärtchen, führt durch einen kleinen Lagerraum mit hohen Metallregalen. "Hier haben wir ein paar Muster unserer Designs, zum Beispiel eins zum Hijab, dem Kopftuch" sagt er und zieht aus einem unteren Fach eine schwarze Tasche heraus. Darauf steht: "Hijab, My Right, My Choice, My Life." Knallig in weißen Großbuchstaben.

"Wenn eine Frau freiwillig ein Kopftuch tragen will, dann soll man sie doch lassen," erklärt er. Über das Motto ließe sich lange reden, aber Kesmen hat noch viele andere Motive in seinen Regalen: Babylätzchen mit der Aufschrift "Minimuslim", oder der Aufforderung zu beten: "Salah, Always Get Connected." Modernes urbanes Design und fromme Botschaften, das ist die Idee des Labels Styleislam.

Anfänge im Karikaturenstreit

Foto: Heiner Kiesel
Melih Kesmen, Gründer von Styleislam

​​Begonnen hat das Projekt vor drei Jahren, als der Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen tobte. Melih Kesmen lebte da gerade mit seiner Frau Yeliz in London. "Die Veröffentlichung der Zeichnungen hat mich geärgert, aber ich war auch ziemlich genervt von den Reaktionen unserer, der muslimischen Seite." Da gab es wütende Demonstrationen, hasserfüllte Aufrufe und Fahnenverbrennungen.

"Da habe ich gedacht, da muss es doch einen Weg geben, kreativ und produktiv zu reagieren - auf eine friedvolle Art." Kesmen druckte sich den Slogan "I Love My Prophet" auf ein T-Shirt.

"Das T-Shirt ist mir fast vom Leib gerissen worden", sagt Kesmen, "die Leute in London wollten mir das glatt vom Leib weg abkaufen." Da gibt es wohl einen ungestillten Bedarf nach hippen Kleidungsstücken mit islamischen Botschaften, dachte sich der Grafik-Designer, "nach einem Weg, Stellung zu beziehen und gleichzeitig mit den Leuten ins Gespräch zu kommen." Zurück in seiner Heimatstadt Witten baute er die Idee mit den poppigen islamischen Botschaften weiter aus.

Islamkonformer Büroalltag

Quelle: www.styleislam.com
Plädoyer für einen islamischen Lebensstil: Das Motiv "Go Halal"

​​Das Sortiment wächst seither und der Absatz auch. "Das Label trägt sich inzwischen selbst", sagt Kesmen. Dabei macht er auch Werbung damit, dass von jedem verkauftem Hemd ein Euro an ein Waisenhaus in Afrika geht. Eine Marke, bei der muslimische Kunden ein gutes Gefühl haben dürfen. Wenn Kesmen eine Grafikerin einstellt, dann bevorzugt er Frauen mit Kopftuch.

Die Büroarbeit findet in einem religiösen Rahmen statt. Es gibt Gebetspausen, dann knien sich alle im Büro auf den Boden – deshalb auch der Hausschuhzwang. Deutschlands bekanntester Islam-Rapper Ammar 114 macht Werbung für Styleislam. Das kommt bei jungen Gläubigen gut an.

Öffentlich Muslim sein

​​Einer davon ist Salman Sagir. Der sitzt in einem arabischen Restaurant im Berliner Bezirk Kreuzberg und wartet auf seinen Tee. "Ich bin ein Berliner Jung", sagt er, auch wenn seine Eltern aus Indien kommen. Er ist um die zwei Meter groß und kräftig gebaut. Sein Shirt sitzt recht knapp. "Hoffentlich bringen die bei Styleislam bald weiter geschnittene Größen raus, sagt Salman.

Auf dem schwarzen Stoff prangt "Ummah - Be Part Of It." Das Shirt zieht neugierige Blicke der anderen Gäste auf sich. Salman freut sich, den Leuten auf diese einfache Art und Weise sagen kann, dass er sich als Teil der islamischen Gemeinschaft, der Ummah, sieht.

Die Produkte von Styleislam machen den Dialog mit Nichtmuslimen nicht gerade einfach. Die Aufschriften enthalten oft islamische Begriffe, oder sind gleich ganz auf Türkisch. Vielleicht doch nur etwas für die innermuslimische Diskussion?

"Wenn das einer nicht versteht", sagt Melih Kesmen "dann wird er vielleicht neugierig und man kommt so ins Gespräch über den Aufdruck." Außerdem gebe es auf der Website styleislam.com für alle Motive ausführliche Erläuterungen.

An der Grenze zur Provokation

Quelle: www.styleislam.com
Mode mit Message: Terror hat keine Religion

​​ Die sind manchmal nötig. Die Sprüche, die Melih Kesmen auf die Stoffe drucken lässt sind oft witzig, gelegentlich frech, wenn nicht ordentlich provokativ. "España islámica, 711 – 1492" – der Islam als Machtfaktor in Europa? Ganz falsch, nur wer zuerst auf die Wirkung muslimischer Denker und Übersetzer auf die christliche Philosophie des Mittelalters des Abendlandes denkt, liegt auf der Linie der Styleislam-Erklärung.

Wegen dem Motiv "Jesus Was a Muslim" bekam Kesmen Drohanrufe. "Dabei war doch Jesus einer der größten Propheten im Islam und hat ja auch eigentlich keine andere Botschaft als der Prophet Mohammed."

Styleislam gibt jungen Muslimen modische Produkte an die Hand, mit denen sie locker, cool und eben auch als Gläubige auftreten können. Vielleicht gehört zu diesem Mix ein bisschen Provokation dazu. Krawall und Abgrenzung hat Melih Kesmen mit seinem Label nicht im Sinn. Wohin sollte das auch führen: "Wir sind ein Teil der deutschen Gesellschaft, wir gehören dazu als deutsche Muslime." Und das kann man auch selbstbewusst zeigen.

Heiner Kiesel

© Deutsche Welle 2009

Qantara.de

Islam als Mode
Allah ist groß, Allah ist anders
Der verengte Blick auf den aktuellen Terrorismus übersieht, dass sich der Islam in der arabischen Welt vor allem als jugendkulturelle Mode äußert. Für die Jungen steht er für Sinnsuche und Abgrenzung gegen "den Westen" sowie die offizielle Kultur in den arabischen Staaten. Von Alfred Hackensberger

Die Geheimnisse der syrischen Unterwäsche
Dessous von der "Achse des Bösen"
Bei einem Besuch in Syrien ließen sich zwei Londonerinnen arabischer Herkunft von den gewagten Dessous faszinieren, die in den Suqs und Geschäften von Damaskus und Aleppo zu finden waren. Ihr Buch, das sie dazu nun herausgaben, dürfte zu den ungewöhnlichsten gehören, die in letzter Zeit über die arabische Welt erschienen sind, meint Susannah Tarbush.

Interview mit Hülya Kandemir
"Gott ist der größte Künstler"
Sie war als erfolgreiche Sängerin und Liedermacherin bekannt. Dann fand sie zum Islam und schrieb die Autobiografie "Himmelstochter": Jetzt erlebt Hülya Kandemir ihr großes Comeback. Nimet Seker hat sich mit ihr über Kunst und Musik im Islam unterhalten.