Schere im Kopf

Unter Präsident Ahmadinedschad hat sich der politische Spielraum für die staatsunabhängige Presse weiter minimiert. Zunehmend rücken auch Blogger und Mitglieder von Internet-Foren ins Visier von religiösen Tugendwächtern. Von Arian Fariborz

Unter Präsident Ahmadinedschad hat sich der politische Spielraum für die staatsunabhängige, regierungskritische Presse weiter minimiert. Doch damit nicht genug: Zunehmend rücken auch Blogger und Mitglieder von Internet-Foren ins Visier von Hardlinern und religiösen Tugendwächter. Arian Fariborz berichtet.

Blockierte Internetseite; Foto: Arian Fariborz
In den letzten Jahren riefen immer wieder konservative Abgeordnete die Regierung dazu auf, beliebte Jugend-Diskussionsforen zu verbieten.

​​Es ist jedes Mal das gleiche Gefühl der großen Ungewissheit, das Mohsen beschleicht, wenn er von der Arbeit im Norden Teherans an seinen Schreibtisch zurückkehrt und seinen PC anschaltet: Ist seine Website abermals blockiert oder wieder nur über Umwege im World Wide Web erreichbar?

Der 27j-ährige IT-Ingenieur und freie Journalist führt seit drei bis vier Jahren ein Internettagebuch. Er ist einer der bekanntesten Blogger in der iranischen Hauptstadt. Lange Zeit war er in der Studentenbewegung aktiv – ein Engagement, das ihn für eine Woche ins berüchtigte Teheraner Evin-Gefängnis brachte.

Das Internet als freies Medium vor dem Aus?

Mohsen ist skeptisch. Er glaubt, dass die Blockade oder Filterung von Websites kein Einzelfall ist und das Internet als Medium freier Meinungsäußerung im Iran ausgedient habe:

"Mein Weblog wird auf mehreren Internet-Service-Providern blockiert", berichtet er, "obgleich dort nur ein geringer Teil wirklich politisch ist. Die Situation hat sich vor etwa zwei Jahren, insbesondere unter Präsident Ahmadinedschad, dramatisch verschlechtert. Ich glaube, dass Websites hier systematisch gefiltert und blockiert werden. Es wird gezielt nach politischen Inhalten gesucht und was dem Regime als Meinung entgegenläuft. Als ich noch etwas mehr politische Inhalte auf meiner Seite hatte, wurde mein Weblog völlig blockiert."

Die Cyber-Revolution im Iran beunruhigt die Mullahs. Und das nicht ohne Grund: Nachdem immer mehr reformorientierte Zeitungen seit 2000 verboten wurden, entzogen sich Journalisten und Schriftsteller zunehmend der Zensur und entdeckten das Internet für sich.

Katz- und Maus-Spiel mit Justiz- und Zensurbehörden

Viele Journalisten, die das Katz-und-Maus Spiel mit den Zensurbehörden und der reformfeindlichen Justiz des Landes müde waren, gründeten daher fortan Online-Zeitungen oder verbreiteten ihre politischen Ansichten in Weblogs. Doch seitdem beobachtete der Staat mit Argusaugen vermeintlich westlich-dekadente, anti-islamische oder konterrevolutionäre Inhalte im Netz. Online-Medien werden heute verstärkt gefiltert oder blockiert, Regimekritiker festgenommen.

2004 holten die Mullahs erstmals zum großen Schlag gegen die iranische Blog-Community aus: Regimekritiker, wie Hanif Mazroui, Arash Sigartshi oder Modschtaba Saminedschad wurden festgenommen, angeklagt und zeitweise inhaftiert. Informationsportale wie Blogfa.com, Blogger oder Persian Blog werden seit längerem überwacht.

In den letzten Jahren riefen immer wieder konservative Abgeordnete die Regierung dazu auf, beliebte Jugend-Diskussionsforen, wie Orkut oder Yahoo Messenger, zu verbieten.

Mohsen glaubt, dass viele heute verstärkt eine zwar noch politische, aber auch spaßorientierte Form der Kommunikation suchen, die z.B. das virtuelle soziale Netzwerk "Orkut" bietet:

"Das hatte auf viele eine große Anziehungskraft. Doch nach drei, vier Monaten wurde die Seite komplett blockiert – allein aufgrund der Tatsache, dass die Seite populär war, die Leute gemeinsam kommunizierten und die Zahl der Mitglieder stetig wuchs. Sie wollen nicht, dass die Leute miteinander kommunizieren."

Diffuse Verbotslinien

Die Befürchtung der Hardliner sei groß, dass sich in Netzwerken wie "Orkut" auch politische Gruppen organisieren könnten, meint Mohsen. Doch nicht nur Portale mit sozialen und politischen Inhalten fallen den Zensoren zum Opfer, sondern auch Seiten wie Youtube, Wikipedia oder Amazon.

Was ist erlaubt und was verboten? Eine klare Linie der Zensurbehörden lässt sich jedenfalls kaum erkennen. Zensur sei im Iran eben "die Regel und nicht die Ausnahme2, so die Einschätzung der Organisation "Reporter ohne Grenzen". Laut jüngstem Bericht der Organisation gehört der Iran zu den 20 Ländern weltweit mit der geringsten Pressefreiheit.

Seit Anfang dieses Jahres hat sich der Spielraum für Online-Journalisten und Blogger im Iran sogar noch weiter verringert, seit ein Gesetz vorschreibt, dass alle Betreiber von Internetdiensten und Weblogger innerhalb von zwei Monaten bei der Zensurbehörde eine Genehmigung einholen müssen. Sonst gelten die Internetseiten als illegal, den Betreibern drohen hohe Strafen.

Die Folge ist, dass iranische Schriftsteller und Journalisten nicht mehr in dem Umfang schreiben wie früher. Und sie riskieren auch immer weniger politische Aktionen oder Blog-Aktivitäten, weil es zu gefährlich geworden ist und zu Inhaftierungen führen kann.

Selbstzensur als einziger Ausweg

Viele Journalisten werden zudem davor gewarnt, mit dem Ausland Kontakt aufzunehmen oder westlichen Medienvertretern Auskunft zu geben. Das neue Klima der politischen Kontrolle, der Zensur und Repression hat auf Irans Medienvertreter verheerende Auswirkungen. Nach Darstellung von "Reporter ohne Grenzen" erscheint vielen Journalisten daher Selbstzensur als einziger Ausweg, um überhaupt noch arbeiten zu können.

Wer es dennoch wagt, das Schweigen zu brechen oder ein objektives Bild der gesellschaftlichen und politischen Situation im Iran zu zeichnen, dem droht Zensur, Gefängnis oder Schließung der Redaktionsbüros.

Beispiele sind die reform-orientierte Zeitung "Ham Mihan" des ehemaligen Bürgermeisters von Teheran, Gholam Hossein Karbaschi, sowie die Online-Nachrichtenagentur ILNA, die geschlossen wurden, weil sie Präsident Ahmadinedschad vorgeworfen hatten, sein Versprechen, die wirtschaftliche Misere im Iran zu beseitigen, nicht gehalten zu haben.

Arian Fariborz

© Qantara.de 2007

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