Psychoanalyse für den Dorftrottel

Was haben Parviz Sayyad und Hadi Khorsandi gemein? Beide sind renommierte iranische Comedy-Künstler, die bereits vor zehn Jahren gemeinsam auf der Bühne standen und nun mit einer neuen Tour aufwarten. Ein Porträt von Shanli Anwar

Was haben Parviz Sayyad und Hadi Khorsandi gemein? Beide sind renommierte iranische Comedy-Künstler, die bereits vor zehn Jahren gemeinsam auf der Bühne standen und nun mit einer neuen Tour aufwarten. Shanli Anwar mit einem Porträt der beiden iranischen Exil-Künstler.

​​Die Freudsche Psychoanalyse hat ihren Ursprung zwar in Europa, wird heutzutage jedoch besonders in den USA geschätzt. Nun bedienen sich auch zwei iranische Künstler in ihrem neuen Bühnenstück dieser Therapie-Form.

Parviz Sayyad und Hadi Khorsandi sind zwar über 60 Jahre alt, aber dennoch vielen Iranern über Generationen hinweg bekannt. Beide leben seit der Islamischen Revolution von 1979 im Exil.

Bis Februar 2008 sind sie mit dem persischsprachigen Zwei-Mann-Programm auf Tournee durch Europa und Nordamerika. Doch wer therapiert hier eigentlich wen? Die Bedeutung der Künstler für das iranische Publikum offenbart sich durch einen Blick auf die Biografien.

Ein iranischer Chaplin

Parviz Sayyad war als Schauspieler prägend für die Anfänge des iranischen Unterhaltungsfernsehens in den 70er Jahren. Von 1970 an war er in mehreren Filmen zu sehen, bei denen er teilweise auch Produzent und Regisseur war. Bereits während der Schah-Zeit hatte Sayyad Probleme, seine Filme zu veröffentlichen.

So durfte der Film "Dead End" 1976 im Iran nicht gezeigt werden, da die Arbeit des iranischen Nachrichtendienstes SAVAK thematisiert wurde. Aber auch nach der Revolution hatte Sayyad Schwierigkeiten mit den geistlichen Machthabern, sodass er 1979 ins Exil in die USA ging. Bis heute ist er in Los Angeles als Schauspieler, Theaterregisseur und Produzent tätig.

Mit zwei Rollen ist er dem iranischen Publikum besonders im Gedächtnis. Zum einen als tollpatschiger "Hassan Kachal" aus dem gleichnamigen Musikfilm von 1970 und zum anderen als Dorftrottel "Samad", den er seit den 70er Jahren darstellt, so auch beim gemeinsamen Stück mit Hadi Khorsandi.

Samad der Dorftrottel

Samad ist ein einfacher Mann, der in Zeiten der Urbanisierung in seinem Dorf bleiben will. Er ist unglücklich verliebt in die Bürgermeister-Tochter Leilah, um die er mit einem anderen Mann konkurriert. Es ist nicht nur seine Dummheit, die das Publikum zum Lachen bringt, sondern auch seine resolute, energische Art, wann immer er sich im Unrecht sieht.

Durch die Vielzahl der Samad-Sketche, die es seit 40 Jahren gibt, hat die Figur eine Bedeutung erlangt, die einer Art iranischem Charlie Chaplin gleichkommt. Er wird jedoch nicht bedingungslos verehrt: Es gibt auch kritische Stimmen, die die Darstellung von Samad als herabwürdigend für die einfache Bevölkerung ansehen.

Der melancholische Satiriker

Hadi Khorsandi begann 1960 mit 15 Jahren für die iranische Satire-Zeitschrift "Tofigh" zu schreiben und später auch für verschiedene iranische Zeitungen. Vor der Revolution waren seine Artikel kaum politisch, doch gegen das neue Regime bezog er kritisch Stellung und musste das Land verlassen.

In London begann er 1979 als Redakteur und Autor des satirischen Journals "Asghar Agha" zu arbeiten. Für seine Publikationen, in denen er sich mit dem Iran und dem Exil auseinandersetzt, erhielt er 1995 die "Hellman-Hammett"-Auszeichnung für Schriftsteller, die Opfer politischer Verfolgung geworden sind.

Sozialpolitische Themen im Fokus

Neben seinen Gedichten ist Khorsandi heutzutage vor allem als Stand-up Comedian bekannt, der sozialpolitische Themen der (Exil-)Iraner beschreibt. Das Hauptaugenmerk seiner Kritik gilt den Machthabern in Teheran, jedoch teilt er auch Seitenhiebe gegen alle im Exil lebenden Oppositionsgruppen aus.

Seine Tochter Shaparak (Shappi) Khorsandi ist in die Fußstapfen des Vaters getreten und ist ebenfalls mit Stand-Up Comedy – allerdings auf Englisch – erfolgreich.

Bereits vor zehn Jahren sind die beiden Künstler mit einem gemeinsamen Stück getourt. Dabei trat Sayyad als Samad auf, der von Khorsandi nach der Situation im Iran befragt wurde und von der rückständigen Gesellschaftssituation der Islamischen Republik bekehrt werden sollte. Der intellektuelle Schriftsteller scheiterte jedoch am bauernschlauen "einfachen Mann".

Diesmal will er es nun mithilfe der Psychoanalyse schaffen, den Dorftrottel zu therapieren und seine Persönlichkeit zu erfassen.

In Bezug auf Samad kann man zwar nicht ernsthaft von der Personifikation des "einfachen iranischen Mannes" sprechen, jedoch eröffnet er immer wieder entlarvende Blicke auf die iranische Volksseele. Ob sich diese durch die Psychoanalyse erfassen lässt, ist die Kernfrage.

Im Programm des Stückes heißt es: "Für diejenigen, die nur lachen wollen. Für diejenigen, die nicht nur lachen wollen." Das bringt die Stimmung zwischen Freude und Melancholie auf den Punkt, die ein aufmüpfiger Dorftrottel und ein grüblerischer Dichter verursachen, wenn sie gemeinsam auftreten.

Shanli Anwar

© Qantara.de 2007

Qantara.de

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  • Parviz Sayyads Internetseite (engl.)
  • Hadi Khorsandis Satire-Journal "Asghar Agha" (Farsi)