Am deutlichsten äußerte sich der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel: "Es gibt keinerlei Anzeichen, dass der Iran seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Andererseits muss man die allergrößte Sorge haben, dass das Abkommen trotzdem zerstört wird."

Es drohen also wieder lange Verhandlungen und neue Sanktionen. Und wie erzählt man nun diese bittere Wahrheit dem eigenen Volk? Zunächst gar nicht. Trumps Rede vor der UN wurde auch im iranischen Fernsehen direkt übertragen, simultan und gekonnt ins Persische übersetzt. Zunächst. Als sich Trump jedoch in seinen Ausführungen den Iran vornahm, geriet der Übersetzer hörbar ins Schleudern. Denn was der US-Präsident da über den Iran sagte, das war im staatlichen Fernsehen einfach nicht sendefähig.

Egal wie man die Worte und Sätze umzudeuten und zu ändern versuchte: Es war nicht möglich. "Ein Terrorregime, das sich eine demokratische Maske gibt und sein eigenes Volk unterdrückt, ein Regime, das nur Terror exportiert" – was kann ein Übersetzer im iranischen Fernsehen mit solchen und ähnlichen Sätzen tun? Was wird nach der Sendung geschehen?

Der Übersetzer wählte zunächst die zweitbeste Lösung, nämlich das Schweigen. Doch die Iranpassage der Rede war zu lang, um sie mit Schweigen zu überstehen. Es folgten dann nichtssagende Redewendungen und lächerliche Wortfetzen. Trumps Rede konnte man auch nicht auf Webseiten oder in Zeitungen in Gänze lesen. Trump habe beleidigt und beschimpft, das war die Linie der Wiedergabe, an die sich alle hielten, die Zeitungen der Reformer inklusive.

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif; Foto: Getty Images/AFP
Neue Eiszeit im iranisch-amerikanischen Verhältnis: Nach Trumps Rede vor den Vereinten Nationen warf Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif der US-Regierung wegen der Infragestellung des internationalen Atomabkommens mit Teheran fehlende Zuverlässigkeit vor. In einem von CNN ausgestrahlten Interview sagte Sarif, Washington sei nicht nur "unberechenbar", sondern auch "nicht verlässlich". Er fügte hinzu, die USA alleine könnten das Wiener Abkommen nicht zum Scheitern bringen. Zur Verifizierung der Einhaltung des Abkommens sei einzig die Internationale Atombehörde (IAEA) befugt.

Nur die Revolutionsgarde bleibt wahrheitsgetreu

Nur ein  Medium tanzte aus der Reihe: die Webseite der Zeitung Javan. Sie gehört den Revolutionsgarden und hat ausgesuchte Adressaten, ihre Leser sind Gardisten und ihre Familien oder überzeugte Anhänger. Javan gab wenige Stunden später – wahrheitsgemäß und korrekt übersetzt – alles wieder, was Trump zum Iran gesagt hatte. Nichts wurde ausgelassen, nichts abgemildert.

Doch diese Wahrheitstreue der Revolutionsgarden hat einen realen politischen Hintergrund. Denn nur wenige Stunden danach erschien der oberste Kommandant der Revolutionsgarde, Ali Dschafari, vor der Presse und verlangte eine totale Revision der iranischen Politik gegenüber den USA. Er forderte den in New York weilenden Staatschef Rohani auf, Trumps Schimpftiraden mit gleicher Münze heimzuzahlen. Am Ende seines kurzen Statements sagte der General, er bedanke sich bei Trump, der Amerika demaskiert habe, und fügte hinzu: "Es sind schmerzhafte Antworten auf dem Weg, die er in den nächsten Tagen spüren wird."

Doch Rohani blieb bei seiner Rede vor den UN konziliant und moderat. Während einer anschließenden Pressekonferenz sagte er deutlich, das Atomabkommen sei nicht mehr verhandelbar, und forderte die Europäer auf, Druck auf die USA auszuüben, damit sie sich wie der Iran auch an das Abkommen hielten.

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