Frankfurter Buchmesse ohne den Iran

Vor wenigen Tagen wandten sich zahlreiche Menschen aus der deutschen Kulturszene mit einem Offenen Brief an die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Sie fordern, dass die Achtung der Menschen- und Bürgerrechte Voraussetzung für Atomverhandlungen mit Iran sein sollten. Menschenrechtsverletzungen sollten juristisch geahndet und der Dialog mit der Zivilgesellschaft gestärkt werden.
Vor wenigen Tagen wandten sich zahlreiche Menschen aus der deutschen Kulturszene mit einem Offenen Brief an die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Sie fordern, dass die Achtung der Menschen- und Bürgerrechte Voraussetzung für Atomverhandlungen mit Iran sein sollten. Menschenrechtsverletzungen sollten juristisch geahndet und der Dialog mit der Zivilgesellschaft gestärkt werden.

Der Iran hat kurzfristig seine Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse zurückgezogen. Der Vorwurf: Die Buchmesse habe sich in die inneren Angelegenheiten des Iran eingemischt. Die Veranstalter dementieren. Von Kristina Reymann-Schneider

Von Kristina Reymann-Schneider

Zahlreiche nationale und internationale Verlage präsentieren seit Mittwoch bis zum Wochenende ihre Neuheiten auf der Frankfurter Buchmesse (19.-23. Oktober). Einen iranischen Nationalstand aber wird man nicht finden, ebenso wenig wie einen russischen. Russland wurde schon im Frühjahr wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine von den Veranstaltern ausgeschlossen.



Der Iran hatte ursprünglich die Teilnahme zugesagt, hat sich nun aber  "zurückgezogen", heißt es in einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur (IRNA). Die Verantwortlichen der Frankfurter Buchmesse hätten sich "offen in die inneren Angelegenheiten des Iran eingemischt", lautet der Vorwurf. In einem Brief sollen die Veranstalter erklärt haben, die Sicherheit für den Nationalstand der Islamischen Republik Iran nicht gewährleisten zu können. Außerdem habe es Probleme bei der Ausstellung der Visa für die iranische Delegation gegeben.

Reaktion der Frankfurter Buchmesse

Die Buchmesse bestätigt dies allerdings nicht. Zwar habe man "mehrmals in Kontakt" gestanden, so die Pressesprecherin der Frankfurter Buchmesse, Kathrin Grün, gegenüber der Deutschen Welle. Dabei habe man auch "Solidarität mit der Protestbewegung im Iran ausgedrückt", die Sicherheit sei aber für alle Aussteller auf der Buchmesse gewährleistet. Es gebe ein umfassendes Sicherheitskonzept. "Wir arbeiten hier eng mit dem Sicherheitsdienst der Messe Frankfurt und der Polizei zusammen. An allen Messetagen sind in den Hallen verstärkt Einsatzkräfte der Polizei sowohl in Zivil als auch in Uniform unterwegs, die jedem Hinweis auf Bedrohungen sofort nachgehen." 

So sei neben der Sicherheit für das allgemeine Publikum auch der Schutz von diskriminierten, bedrohten oder politisch verfolgten Autorinnen und Autoren und internationalen Spitzenpolitikerinnen und -politikern auf der Frankfurter Buchmesse gewährleistet. Die Visa-Vergabe wollte die Pressesprecherin nicht kommentieren, da sie nicht in den Händen der Buchmesse liegt. 

Anti-Regime-Proteste in Teheran; Foto: SalamPix/ABACA/picture-alliance
Seit dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini, die laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International "mutmaßlich in Folge von Polizeigewalt" starb, protestieren tausende Menschen im Iran gegen das Regime. Die Islamische Republik schlägt mit aller Härte zurück und versucht die Proteste mit Gewalt zu ersticken. Amnesty zufolge sind allein bis zum 3. Oktober 144 Menschen von den Sicherheitskräften getötet worden - darunter mindestens 23 Kinder. 

Proteste gegen die Härte des iranischen Regimes

Der gewaltsame Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 hatte auch bei der Frankfurter Buchmesse für Entsetzen gesorgt. Sie hat daraufhin kurzerhand eine Veranstaltung ins Programm genommen, die sich mit den Protesten in Iran auseinandersetzt. In Kooperation mit dem PEN Berlin wird es eine Podiumsdiskussion unter dem Titel "Der Aufstand gegen das Mullah-Regime und was der Rest der Welt tun kann" geben.

Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini, die laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International "mutmaßlich in Folge von Polizeigewalt" starb, protestieren tausende Menschen in Iran gegen Kopftuchzwang und Polizeiwillkür. Das Regime schlägt mit aller Härte zurück und versucht die Proteste mit Gewalt zu ersticken. Amnesty zufolge sind allein bis zum 3. Oktober 144 Menschen von den Sicherheitskräften getötet worden - darunter mindestens 23 Kinder. 

Kulturszene fordert politische Unterstützung

Inzwischen haben sich die Proteste international ausgeweitet. Auch in Deutschland gehen Menschen auf die Straße, um auf die Menschenrechtsverletzungen im Iran aufmerksam zu machen. Vor wenigen Tagen wandten sich zahlreiche Menschen aus der deutschen Kulturszene mit einem Offenen Brief an die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Sie fordern, dass die Achtung der Menschen- und Bürgerrechte Voraussetzung für Atomverhandlungen mit Iran sein sollten. Menschenrechtsverletzungen sollten juristisch geahndet und der Dialog mit der Zivilgesellschaft gestärkt werden. 

Zu den Unterzeichnern gehört auch der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani. In einem Interview mit der Konrad Adenauer Stiftung sagte er, dass Deutschland "viel deutlichere und auch im Iran sichtbare Zeichen der Unterstützung" senden müsste. Die Bundesregierung sei viel zu zurückhaltend. "Deutschland ist dabei, den Fehler seiner Russland-Politik zu wiederholen, nämlich aus kurzfristigem energiepolitischem Interesse und dem Wunsch nach Stabilität die langfristigen Folgen aus dem Blick zu verlieren - zu unserem eigenen realpolitischen Schaden", kritisiert er. 

Der deutsch-iranische Schrifsteller Navid Kermani; Foto: Christoph Hardt/Panama Pictures/picture-alliance
Deutschland muss mehr tun: In einem Interview mit der Konrad Adenauer Stiftung sagte der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani, dass Deutschland "viel deutlichere und auch im Iran sichtbare Zeichen der Unterstützung" senden müsste. Die Bundesregierung sei viel zu zurückhaltend. "Deutschland ist dabei, den Fehler seiner Russland-Politik zu wiederholen, nämlich aus kurzfristigem energiepolitischem Interesse und dem Wunsch nach Stabilität die langfristigen Folgen aus dem Blick zu verlieren - zu unserem eigenen realpolitischen Schaden", kritisiert er.

Mittlerweile sind Annalena Baerbock und ihre europäischen Amtskollegen aktiv geworden. Gemeinsam haben sie am Montag (17.10.2022) Sanktionen gegen die iranische Sittenpolizei, die Cyber-Einheit der iranischen Revolutionsgarden und weitere Verantwortliche beschlossen. Die Betroffenen dürfen nicht mehr in die EU einreisen und ihre Vermögen können eingefroren werden.

Politik der Buchmesse: Lieber einladen als ausschließen

Unterschwellig suggeriert die Meldung der iranischen Nachrichtenagentur, dass die iranische Delegation auf der Frankfurter Buchmesse nicht erwünscht sei. Doch die Buchmesse hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie eben nicht ausschließt, sondern allen Stimmen Raum geben will. So musste sie in den letzten Jahren viel Kritik ertragen, weil sie beispielsweise auch rechten Verlagen ermöglicht, ihre Bücher dort öffentlichkeitswirksam vorzustellen.

"Wir müssen alle Stimmen hören, insofern sie nicht gegen die Gesetze verstoßen, und ihnen die Möglichkeit geben, gehört zu werden", sagte der Präsident und Geschäftsführer der Frankfurter Buchmesse, Jürgen Boos, unlängst in einem Interview in der "Frankfurter Rundschau". Moralvorstellungen sind also kein entscheidendes Kriterium für die Aussteller. Das erklärt auch, warum autokratisch regierte Länder wie China, die Türkei, Oman, Ungarn oder Syrien mit eigenen Ständen auf der Messe vertreten sind. 

Kristina Reymann-Schneider

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