Die Reform der Konservativen

Obwohl die Konservativen die Wahlen in Iran gewonnen haben, besteht die Hoffnung, dass gesellschaftliche Freiheiten vergrößert werden. Denn die Pragmatiker unter ihnen wissen: An der Macht bleiben sie nur, wenn sie die Bevölkerung für sich gewinnen, meint Katajun Amirpur.

Ayatollah Chomeini und Ayatollah Chamenei, Foto: AP
Ayatollah Chomeini und Ayatollah Chamenei

​​Die iranischen Konservativen haben das Parlament zurückerobert, und in einer ihrer ersten Aktionen nach den Wahlen haben sie zwei der wenigen noch verbliebenen Reformzeitungen verboten. Das sehen viele als Zeichen dafür, dass nun die gesellschaftlichen Freiheiten weiter beschnitten werden könnten.

Allerdings hatten die Konservativen schon immer alle Möglichkeiten, sich einer unliebsamen Presse zu entledigen. Sie kontrollieren die Justiz, die in den letzten Jahren zahlreiche Zeitungen verboten hat. Es ist die Ironie der Situation in Iran, dass sich möglicherweise gar nicht so viel ändern wird durch den Machtwechsel im Parlament.

Denn was die reformorientierten Parlamentarier versprochen haben – Gesetze, die Meinungsfreiheit garantieren, Geschlechtergleichheit und einen größeren Schutz vor der Willkür der Justiz –, konnten sie ohnehin nicht durchsetzen. Nun werden solche Gesetzesvorlagen erst gar nicht mehr eingebracht, was letztlich kaum einen Unterschied macht.

Reformen für den Machterhalt

Viele hoffen sogar, die Konservativen könnten jetzt gesellschaftliche Freiheiten vergrößern, statt sie zu beschneiden. Denn ihnen geht es nicht so sehr darum, ihre Ideologie durchzusetzen.

Sie wollen vielmehr ihre Macht behalten, und dafür müssen sie die Menschen für sich einnehmen. Deshalb sind sie zu Zugeständnissen bereit. Mohammad Dschavad Laridschani, einer der führenden konservativen Theoretiker, hat kürzlich unumwunden zugegeben, dass dies ihre Strategie sei.

Ähnlich äußerte sich kurz nach der Wahl Amir Mohebian, der Herausgeber der Zeitung Resalat, eigentlich ein Blatt der Radikalen, in einem bemerkenswerten Interview mit der Berliner tageszeitung: "Es existieren Widersprüche zwischen Idealismus und Realität. Wir müssen da zu einem Kompromiss kommen.

Wenn ein Teil der Bevölkerung beispielsweise sagt, ich mag kein Kopftuch tragen, und ein anderer kommt und sagt, das Kopftuch ist nicht genug, sondern der Tschador ist Pflicht, dann sollte der Hedschab, das Kopftuch, akzeptiert werden. Ich meine die Minimalversion eines Hedschab, selbst wenn er nur noch an einer kleinen Stelle die Haare bedeckt. Am Ende werden wir Realitäten anerkennen, um unser islamisches System zu sichern."

"Wir müssen die Radikalen in Schach halten"

Erstaunliches erwiderte Mohebian auch auf die Frage, ob dies gegenüber den radikalen Kräften durchsetzbar sei: "Wir müssen die Radikalen in unseren eigenen Reihen in Schach halten. Der zukünftige Diskurs der Konservativen wird pragmatisch sein und dabei versuchen, an eigenen Prinzipien festzuhalten." Es sieht ganz danach aus, dass die Konservativen die Reformagenda im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich einfach übernehmen.

Zumindest spricht einiges dafür, dass die Pragmatiker unter ihnen den Radikalen Zugeständnisse abringen können, die diese den Reformern niemals gemacht hätten. Klar scheint jedenfalls allen Konservativen zu sein, dass sie die wirtschaftliche Situation verbessern müssen, sonst droht die Lage im Land zu eskalieren.

Annäherung an den "großen Satan"?

Auch zu einer Annäherung an die USA könnte es kommen. In Aussicht gestellt wurde sie bereits, und zwar von Hassan Rouhani, der als nächster Präsidentschaftskandidat der Konservativen gehandelt wird. Informelle Kontakte zwischen den beiden Staaten gibt es schon lange – in Afghanistan und Irak unterstützt Teheran Washington sogar.

So nutzte Iran seinen mäßigenden Einfluss auf die afghanische Nordallianz und akzeptierte den irakischen Übergangsrat, anstatt die amerikanische Politik im Irak zu hintertreiben.

Die iranische Bevölkerung hofft im Falle einer Annäherung an den "großen Satan" nicht nur auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation. Sie erwartet auch, dass der Westen bei den Menschenrechten Druck auf die iranischen Machthaber ausübt. Das Handelsabkommen, das Iran mit der Europäischen Union abschließen will, könnte einen Ansatzpunkt dafür bieten.

Katajun Amirpur

© Entwicklung und Zusammenarbeit 04/2004

Katajun Amirpur ist Islamwissenschaftlerin und lebt in Köln.