Saddams ungewisse Zukunft

Nach der Festnahme Saddam Husseins stellt sich die Frage: Wie und wo soll er für seine Verbrechen bestraft werden? Vor einem irakischen, amerikanischen oder einem internationalen Gericht? Und welches Strafmaß ist angemessen? Peter Philipp kommentiert

Nach der Festnahme Saddam Husseins wird in Politik und Medien die Frage aufgeworfen: Wie und wo soll der irakische Ex-Diktator für seine Verbrechen bestraft werden? Vor einem irakischen, einem amerikanischen oder einem internationalen Gericht? Und welches Strafmaß ist angemessen? Peter Philipp kommentiert

Foto: AP
Im Visier der Justiz - Video des gefangenen Saddam Hussein

​​Von den knapp dreihundert Gesetzen, die der sagenumwobene König Hammurabi vor knapp viertausend Jahren im Zweistromland erließ, droht fast jedes zehnte mit der Todesstrafe. Zum Beispiel für Diebstahl, Hehlerei oder Einbruch. Hammurabi war ein strenger König. Und sein Gesetz eines der ersten Zeugnisse dieser Art in der Weltgeschichte. So kann man denn kaum argumentieren, dass der Irak keine juristische Geschichte habe, wenn man in diesen Tagen überlegt, was mit Ex-Diktator Saddam Hussein geschehen soll.

Obwohl das Recht während der letzten Jahrzehnte nicht gerade zu den obersten Staats-Tugenden des Irak zählte, kann man diesen Missstand kaum anführen, um der irakischen Justiz Berechtigung und Fähigkeit abzusprechen, über Saddam Hussein zu richten.

Pionierfall für ein Kriegsverbrecher-Tribunal?

Zumal gerade in den letzten Tagen beschlossen worden war, ein Kriegsverbrecher-Tribunal einzurichten, das sich mit der jüngsten Vergangenheit auseinander setzen solle. Der in einem Erdloch aufgespürte Ex-Präsident könnte nun der erste Angeklagte werden, der sich vor diesem Gericht zu verantworten hat.

Echte Alternativen gibt es bisher nicht: Der Internationale Strafgerichtshof scheidet aus, weil weder die USA noch der Irak zu den Unterzeichnerstaaten gehören und weil dieses Gericht auch nicht Fälle behandeln kann, die vor seiner Einsetzung stattgefunden haben. Und ein UN-Gericht im Stil der Kriegsverbrecher-Tribunale für das ehemalige Jugoslawien oder Ruanda müsste erst geschaffen werden.

Solch ein Gericht wäre zweifellos der Kritik ausgesetzt, dass es - über die von den USA mit beeinflussten Vereinten Nationen - Siegerjustiz übe. Noch schlimmer natürlich wäre es, wenn die USA sich selbst das Recht anmaßten, über Saddam zu urteilen - etwa in einem Prozess von der Art, wie er in Nürnberg nach dem Zweiten Weltkrieg gegen führende Vertreter des Nazi-Regimes geführt wurde.

Im Sinne einer irakischer Vergangenheitsbewältigung

Die Übertragung des "Falls Saddam Hussein" auf ein irakisches Gericht hätte demgegenüber einige klare Vorteile: Einmal wäre sie ein klarer Schritt in die Richtung einer irakischen Souveränität und einer irakischen Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit. Und zum zweiten könnten die USA sich zumindest formell etwas in den Hintergrund zurückziehen. Was so manche anti-amerikanische Aktion im Irak abschwächen oder zum Erliegen bringen könnte.

Die Iraker müssen das Gefühl bekommen, zum erstenmal wirklich selbst mit bestimmen zu können. Obwohl sie von voller Souveränität sicher auf absehbare Zeit entfernt bleiben werden. So werden die USA das Land wohl auch nach Einsetzung einer irakischen Übergangsregierung - und wahrscheinlich auch nach freien Wahlen - nicht so rasch verlassen. Nur wird ihre Rolle dort anders aussehen als heute.

Und im Prozess gegen den Ex-Diktator werden die USA darauf dringen müssen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Experten empfehlen deswegen jetzt schon, dass ein solcher Prozess nicht nur von Amerikanern, sondern von internationalen Experte beobachtet werden sollte. Und immer offener wird - schon lange vor diesem Prozess - das mögliche Strafmaß diskutiert.

Siegerjustiz und Todesstrafe

UN-Generalsekretär Kofi Annan mahnt, dass die Todesstrafe nicht verhängt werden solle. Es ist aber kaum zu erwarten, dass gerade Washington sich zum Vorreiter einer solchen Forderung machen wird. Die USA haben die Todesstrafe im Irak zwar vorübergehend ausgesetzt. Aber in den Vereinigten Staaten selbst ist Präsident George W. Bush einer ihrer stärksten Befürworter.

Die Lösung könnte darin liegen, dass der Irak mit Hilfe der UN und einzelner befreundeter Staaten dazu überredet wird, die Todesstrafe ein für allemal abzuschaffen. Nicht wegen Saddam Hussein, der selbst kein Mitleid kannte. Sondern für ein besseres, menschlicheres und gerechteres Gesellschaftssystem im Irak.

Die Gesetze des Hammurabi mögen historisch eine große Leistung gewesen sein. Viertausend Jahre später aber könnte, ja sollte man doch einiges anders sehen.

Peter Philipp © DEUTSCHE WELLE / DW-WORLD.DE 2003

Ein Saddam-Prozess könnte für die USA zum Bumerang werden - Lesen Sie hierzu die Analyse in der Frankfurter Rundschau