Eine neue Generation besteigt den ''Peace Train''

Im Interview mit Andrian Kreye spricht der Sänger Yusuf, ehemals Cat Stevens, über die Sinnsuche in der Popkultur der 1960er Jahre, über den Weg vom Buddhismus zum Islam und warum er nach 35 Jahren wieder auf Tournee geht.

Von Andrian Kreye

Der Sänger Yusuf nannte sich früher Cat Stevens und galt als einer der wichtigsten Liedermacher der 1960er Jahre. Im Dezember 1977 bekehrte er sich zum Islam, nannte sich Yusuf Islam und kehrte der Musik den Rücken. Nun nennt er sich nur noch Yusuf, lebt mit seiner Familie in Dubai und kommt im Mai nach 35 Jahren erstmals wieder auf Deutschlandtournee. Da wird er wenige neue und viele seiner alten Songs spielen, wie "Morning Has Broken", "Moon Shadow" und "Peace Train".

Warum gehen Sie wieder auf Tour?

Yusuf, ehemals Yusuf Islam, ehemals Cat Stevens, geborener Steven Demetre Georgiou: Es gibt wirklich nichts Besseres als das Gefühl, das man bekommt, wenn man vor einem Publikum steht. Auch wenn meine Erinnerungen ans Touren nicht besonders gut sind.

Sie spielen wieder in großen Hallen. Wer ist denn heute Ihr Publikum?

Yusuf: Viele, für die meine Songs so etwas wie der Soundtrack ihres Lebens war. Deren Kinder. Und dann gibt es noch eine neue Generation, die langsam auf die Botschaften kommen, die ich in den Siebzigern verbreitet habe.

Welche Botschaften?

Yusuf bei einem Auftritt im Jahr 1971, als er sich noch Cat Stevens nannte; Foto: piture alliance/photoshot
"Ich habe ja selbst jahrelang einer sehr starken konservativen Strömung im Islam gehorcht, die besagte, dass Musik verboten ist. Aber dann habe ich mich schlau gemacht und realisiert, dass die Wirklichkeit ganz anders ist", sagt Yusuf Islam.

​​Yusuf: Wenn Sie sich den Song "My People" anhören, den wir gerade aufgenommen haben - letztlich ist das "Peace Train" aus einem neuen Blickwinkel.

Wie präsent ist Ihre Musik in der islamischen Welt?

Yusuf: Lange Zeit gab es kein Musikgenre für Muslime. Vor allem wenn sie in Europa leben, gab es nur irgendwelche importierten traditionellen Songs. Ich war wahrscheinlich einer der ersten, der Songs für muslimische Kinder auf Englisch geschrieben hat. Aber es gibt ganz sicher eine neue Generation islamischer Jugendlicher, die sich auch musikalisch ausdrücken wollen. Das ist neu.

Aber ist Musik im Islam nicht verpönt, ist sie bei Fundamentalisten nicht sogar verboten?

Yusuf: Ich glaube, dass Musik vor allem eine Frage des persönlichen Geschmacks ist. Viele Muslime haben ihre Vorbehalte gegen Musik, weil sie Musik nicht wirklich kennen. Sie identifizieren Musik mit etwas, das ihnen fremd ist. Ich habe ja selbst jahrelang einer sehr starken konservativen Strömung im Islam gehorcht, die besagte, dass Musik verboten ist. Aber dann habe ich mich schlau gemacht und realisiert, dass die Wirklichkeit ganz anders ist. Es war ja auch das islamische Spanien, über das mit der Gitarre das Instrument nach Europa kam, auf dem heute die Rockmusik basiert. Nein, eine der großen Naturschönheiten in Gottes Universum ist nun mal die Musik.

Was hat Sie zum Islam gezogen?

Yusuf: Es ist kein Zufall, dass ich einen Song mit dem Titel "Peace Train" geschrieben habe, und dass das Wort Islam vom Wort Salam abgeleitet ist, das Friede bedeutet. Das ist sogar sehr bedeutsam. Friede ist ein sehr flüchtiger Geistes- und Gefühlszustand. Man darf keine Angst vor dem Unbekannten haben. Mich persönlich haben verschiedene islamische Bücher, vor allem der Koran, von meiner Angst befreit. Weil ich Gott fand.

Waren Sie vor Ihrem Übertritt zum Islam schon auf spiritueller Sinnsuche?

Yusuf: Ja sicher. Mein erster Ausflug war Buddhismus. Religion neigt dazu, Mauern aufzubauen. Buddhismus hilft einem dabei, diese Mauern zu überwinden und die Natur der menschlichen Seele und Gottes zu verstehen, und zu begreifen, dass man das nicht nur in einer traditionellen Kirchengemeinde kann.

Ein beim Kent-State-Massaker erschossener Student liegt auf dem Boden neben entsetzten Kommilitonen; Foto: John Paul Filo/AP
"Ich halte das immer noch für einen Glücksfall, dass ich Teil dieses historischen Moments war, als die Jugend meiner Generation beschloss, dass die Welt, die wir wollten, nicht ohne Wandel möglich sein würde", sagt Yusuf Islam.

​​Aber ist Buddhismus nicht so viel freier als der Islam?

Yusuf: Da mögen Sie recht haben. Aber wenn Sie den Kern jedes Glaubens oder spirituellen Weges betrachten, dann finden Sie dort etwas, das im Zentrum steht. Im Buddhismus ist es das Selbst. Im Islam ist es Gott. Wenn Sie sich aber immer nur auf sich selbst verlassen, kommen Sie unter Umständen nicht weit.

Sie waren in der Popkultur der sechziger Jahre nicht der Einzige, der auf Sinnsuche war. Wann wurde denn aus dem politischen Kern des Pop ein spiritueller Kern?

Yusuf: Daran waren wohl die Beatles schuld. Vor allem George Harrison. Er eröffnete uns den ganzen Horizont des Ostens, der uns vorher nicht besonders interessiert hat. Aber es war damals wirklich wichtig, dass wir so prominente Vorbilder hatten, die über den Tellerrand unserer eigenen Kultur schauen konnten.

Waren Sie sich damals bewusst, was für eine Rolle die Musik im gesellschaftlichen Wandel spielte?

Yusuf: Auf alle Fälle. Ich halte das immer noch für einen Glücksfall, dass ich Teil dieses historischen Moments war, als die Jugend meiner Generation beschloss, dass die Welt, die wir wollten, nicht ohne Wandel möglich sein würde.

Gleichzeitig konnte man beobachten, dass die Kommerzmaschine und Kräfte, denen unsere Visionen sehr fremd waren, begannen, Widerstand aufzubauen. Kent State University war sicherlich eines der wichtigsten Beispiele dafür (auf dem Kent State Campus schossen National-Guard-Truppen am 4. Mai 1970 in eine Studentendemonstration und töteten vier Demonstranten, Anm.d.Red.). Das war für viele das Ende dieser Ära.

Viele Hände formen das Victory-Zeichen im Februar 2011 auf dem Tahrirplatz in Kairo; Foto: AP
"Bevor all diese neuen Stimmen im Nahen Osten Wandel und Freiheit forderten, habe ich immer herumlamentiert, dass die goldenen sechziger und siebziger Jahre vorbei sind, und dass die meisten Menschen der technisierten Cyber-Ära gar nicht so richtig da seien und nur virtuell leben würden. Und dann stellt sich heraus, dass ausgerechnet diese Technologie eine neue Welle solcher Bewegungen vor allem der Jugend auslöst", meint Yusuf Islam.

​​War das Ende nicht schon das Rolling-Stones-Konzert in Altamont im Dezember 1969, bei dem ein Hells Angel einen Zuhörer erstach?

Yusuf: Altamont bereitete sicher die Stimmung vor. Und der frühe Tod von Jimi Hendrix. Aber nach Kent State überlegten sich viele, dass wir vielleicht nicht auf dem richtigen Weg waren, und wir uns vielleicht um unser spirituelles Nachleben kümmern sollten, bevor es uns erwischt.

Nun sind Sie als Muslim wieder mitten in einem historischen Moment des Wandels. Gibt es da Parallelen zwischen den sechziger Jahren und den Revolutionen im Nahen Osten?

Yusuf: Gute Frage. Bevor all diese neuen Stimmen im Nahen Osten Wandel und Freiheit forderten, habe ich immer herumlamentiert, dass die goldenen sechziger und siebziger Jahre vorbei sind, und dass die meisten Menschen der technisierten Cyber-Ära gar nicht so richtig da seien und nur virtuell leben würden. Und dann stellt sich heraus, dass ausgerechnet diese Technologie eine neue Welle solcher Bewegungen vor allem der Jugend auslöst. Ich fand das sehr inspirierend. Ich habe da große Hoffnungen. Auch wenn wir vielleicht lange darauf warten müssen, bis die Ziele dieser Aufstände erreicht sind. In diesem Teil der Welt verändern sich die Dinge sehr langsam. Auf der anderen Seite sind diese Ereignisse erst ein paar Monate her. Wir sollten also nicht zu große Erwartungen haben.

Der Glaube spielt in diesen Bewegungen keine besondere Rolle. Sehen Sie das positiv oder negativ?

Yusuf: Nichts kann den menschlichen Geist aufhalten. Und alles, was Religion tut, ist ja nur, ihn zu einem glücklichen Ende im Jenseits zu leiten. Im Diesseits brauchen die Menschen bestimmte Strukturen, um Erfüllung zu finden. Und so manche Struktur, die gestern noch funktioniert hat, funktioniert heute oder morgen eben nicht mehr. Nein, das ist wirklich eine positive Entwicklung.

Interview: Andrian Kreye

© Süddeutsche Zeitung 2011

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de