"Soft-Power"-Diplomatie mit der islamischen Welt

Im Gespräch mit Larissa Bender erläutert Botschafter Hans-Günter Gnodtke, Beauftragter des Auswärtigen Amts für den Dialog mit der islamischen Welt, die Ziele auswärtiger Kulturpolitik und des Dialogs mit der islamischen Welt.

Hans-Günter Gnodtke; Foto: Larissa Bender
Gnodtke: "In der islamischen Welt gibt es eine heftige Auseinandersetzung um den richtigen Weg vorwärts. Westliche Modelle werden adoptiert oder verworfen, man reibt sich gerne am Westen als dem Gegenüber."

​​Sie sind seit August 2005 Beauftragter des Auswärtigen Amtes für den Dialog mit der islamischen Welt. Was ist genau Ihre Aufgabe?

Hans-Günter Gnodtke: Ich habe im Wesentlichen zwei Funktionen: Die eine kann man klassifizieren als "public diplomacy" oder "soft-power-Funktion". Das heißt, ich versuche in der islamischen Welt zu vermitteln, dass wir nicht in Stereotypen und Vorurteilen über die islamische Welt denken, sondern dass es hier sehr ernsthafte Auseinandersetzungen mit der islamischen Welt gibt und wir dieser großen Zivilisation mit Respekt begegnen.

Was andererseits die innerdeutsche Diskussion betrifft, versuche ich, all die Kräfte zu ermutigen, die ihrerseits bemüht sind, mit der islamischen Welt in genau demselben Sinne - also Abbau von Vorurteilen und Stereotypen - ins Gespräch zu kommen.

Sie haben den Begriff "soft power" verwendet, der derzeit hoch im Kurs steht. Was bedeutet das genau?

Gnodtke: "Soft power" ist in der Tat ein Begriff, der in Deutschland oft missverstanden wird. In der politischen Theorie der Vereinigten Staaten ist er aber durchaus etabliert. Professor Joseph Nye in Havard hat sich intensiv damit beschäftigt und herausgearbeitet, wie sehr ein Land allein dadurch, dass es von sich Reden macht, sei es kulturell - sei es durch die Medien, sei es durch die Wissenschaft, Entscheidungen in anderen Ländern beeinflussen kann, und zwar, indem es Anziehungskräfte entwickelt und in anderen Ländern bei den Menschen Sympathie weckt.

Das ist im Grunde genommen das Geheimnis der auswärtigen Kulturpolitik: Anziehungskräfte zu schaffen, die letztlich auch für das, was wir politisch vermitteln wollen, genügend Resonanz in den Ländern produziert, in die wir hineinwirken wollen. Das gilt natürlich auch für die islamische Welt.

Kann man das auch als das Ziel des Dialogs mit der islamischen Welt bezeichnen?

Gnodtke: Das ist ganz eindeutig auch das Ziel, auch wenn es nicht immer so definiert wird. Kein Land gibt Geld aus für auswärtige Kulturpolitik, für Bildungspolitik oder für Medienpolitik, ohne darauf zu hoffen, sich selbst als Land attraktiv zu machen für die auswärtige Welt.

Wer sind denn die Partner für den Dialog in der islamischen Welt?

Gnodtke: Beim Dialog mit der islamischen Welt konzentrieren wir uns vorrangig auf die Zivilgesellschaft. Natürlich wollen wir nicht an den Regierungen vorbeiarbeiten. Das können wir auch gar nicht, denn die Regierungen sind z.B. im Rahmen der interregionalen Zusammenarbeit (Stichwort Barcelona) notwendigerweise der Hauptansprechpartner. Aber der Zivilgesellschaft - und da insbesondere der Jugend - gilt unser Hauptaugenmerk.

Es sind also, abgesehen von der Jugend, die Eliten?

Gnodtke: Nicht nur. Wenn wir uns auf die Eliten konzentrieren würden, würden wir ja vorbei schauen an den Leuten, die innerhalb der islamischen Welt nicht unbedingt ein Interesse daran haben, mit dem Westen ins Gespräch zu kommen.

Wir wollen schon in die Kreise hineinwirken, die nicht notwendigerweise auf uns als internationale Ansprechpartner schauen. Das ist nicht immer einfach, weil diese Kreise sich nicht von selbst erschließen. Da brauchen wir die Expertise unserer Kulturmittler, der Goethe-Institute, der deutschen Schulen usw. Aber keineswegs gucken wir allein auf die Eliten.

Wo sind auf deutscher Seite die Grenzen in Bezug auf die Dialogpartner? Sprechen Sie auch mit Islamisten, mit Hamas-Anhängern?

Gnodtke: Wenn ich sage, dass wir mit der Zivilgesellschaft dort sprechen wollen, dann schließt das auch politische Gruppen ein. Das betrifft auch islamisch motivierte Aktivisten, sofern sie sich nicht selber disqualifizieren für den Dialog. Mit Holocaust-Leugnern können wir keinen Dialog führen, mit Leuten, die die Zerstörung Israels propagieren, können wir keinen Dialog führen.

Aber es gibt durchaus unter den islamisch motivierten Parteien Bewegungen, die glaubwürdig einen demokratischen Weg verfolgen, und zu diesen gibt es Kontakte.

Es wird häufig gesagt, dass wir uns schon in einem Kampf der Kulturen befinden. Sehen Sie das auch so?

Gnodtke: Damit stimme ich nicht überein. Wir könnten zwar in einen Kampf der Kulturen geraten, aber ich glaube, so weit sind wir noch lange nicht.

Innerhalb der islamischen Welt sehe ich, dass es eine heftige Auseinandersetzung um den richtigen Weg vorwärts gibt. Dabei werden westliche Modelle adoptiert oder verworfen, und man reibt sich gerne am Westen als dem Gegenüber.

Aber wenn ich mir das Konzept des "Clash of Civilization" anschaue, so wie es Huntington formuliert hat, nämlich als die Ablösung des Ost-West-Konflikts durch einen Konflikt entlang religiöser Grenzen, dann sehe ich nicht, dass wir eine solche Phase eingetreten sind. Schon deshalb nicht, weil die Sicherheitsinteressen zwischen dem Mittleren Osten, Europa und Nordamerika so miteinander verwoben sind, dass man nicht von einem globalen Konflikt sprechen kann.

Aber die Gefahr ist da. Wenn alle das wollen, und wenn man in diesen Stereotypen verharrt, dann kann man sicher in diese Richtung marschieren. Und dagegen zu arbeiten, ist Teil meiner Aufgabe.

Was hat man denn für ein Bild von Deutschland in der islamischen Welt?

Gnodtke: Ich glaube, das Deutschland-Bild in der islamischen Welt ist sehr viel realistischer als wir uns das gemeinhin vorstellen. Es hat wenig mit Kaiser Wilhelm zu tun, und auch wenig mit Adolf Hitler.

Es hat aber sehr viel zu tun mit positiven Vorurteilen, Stichwort Mercedes Benz, aber auch mit unserer besonderen Sensibilität im Zusammenhang mit dem arabisch-israelischen Konflikt.

Ich glaube, allein schon die Informationsdichte, die das Internet bietet, hat dazu geführt, dass die meisten Menschen, die sich ernsthaft für Deutschland und für deutsche Anliegen interessieren, ein sehr zeitnahes Deutschlandbild haben. Da gibt es viel Potenzial, und ich glaube, wir können das nutzen, um, wie ich eingangs sagte, im Sinne der "soft power" positiv für unser Land zu werben.

Sie haben den arabisch-israelischen Konflikt erwähnt. Die Frage nach der Haltung Deutschlands ist sicher die am häufigsten an Sie gerichtete Frage in der arabischen Welt, die häufig ja auch als Vorwurf formuliert wird: Wie kann Deutschland einerseits so klar für Israel Stellung beziehen und andererseits einen Dialog mit der islamischen Welt führen wollen? Wie gehen Sie damit um?

Gnodtke: Natürlich ist da oft ein Vorwurf dabei, und zwar der Vorwurf der doppelten Standards, der generell gegen den Westen erhoben wird. Es hat keinen Sinn, solchen Fragen auszuweichen, das ist etwas, das die Menschen im Nahen Osten zutiefst aufwühlt, und man muss sich diesen Fragen stellen. Wir müssen die Zukunftsperspektiven deutlich machen.

Realistischerweise kann der arabisch-israelische Konflikt nur gelöst werden auf der Basis einer Zweistaatenregelung, so, wie sie vom Nahost-Quartett angestrebt wird. Darin stimmen die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und auch die Arabische Liga überein.

Und selbst wenn die äußeren Umstände noch so negativ sind, es gibt keine Alternative dazu. Auch die Hamas-Regierung muß das akzeptieren. Natürlich hat Hamas das Recht, gewählt zu werden, aber sie muß sich an dem messen lassen, was international als Voraussetzung für die Lösung des Arabisch-Israelischen Konflikts akzeptiert worden ist.

Das sage ich auch offen. Das wird nicht immer akzeptiert, aber es ist die einzige Grundlage, auf der wir Nahostpolitik machen können.

Führen Sie den Dialog mit der islamischen Welt eigentlich auch nach innen, also mit den Migranten in Deutschland?

Gnodtke: Das ist in erster Linie Sache der Innenbehörden. Das Auswärtige Amt ist beteiligt an der deutschen Islamkonferenz, die Bundesinnenminister Schäuble im September ins Leben gerufen hat.

Wir können anbieten, unsere Auslandserfahrung in diese Konferenz einzubringen. Und ich stelle mich auch gerne der Diskussion mit Migranten, aber es gibt eine klare Arbeitsteilung zwischen Innen- und Außenpolitik, und der Dialog nach innen ist Sache der Innenbehörde.

Welches würden Sie als die größte Hürde bei Ihrer Arbeit betrachten?

Gnodtke: Solche Hürden sehe ich nicht. Ich glaube - und das ist die positive Erfahrung - die ich mache, wenn man die Dinge auf den Punkt bringt, ob das mit muslimischen Gesprächspartnern ist oder mit deutschen Gesprächspartnern, dass man doch immer wieder sehr schnell zu einer gemeinsamen Basis findet, und das ist der gesunde Menschenverstand.

Ich halte nichts von diesem Szenario, von der Unüberwindbarkeit der kulturellen Grenzen. Das findet einfach nicht statt.

Vielleicht spielt auch eine gewisse Rolle, dass ich in den 60er Jahren in Ägypten auf die deutsche Schule gegangen bin - mit 60 Prozent ägyptischen Mitschülern. Meine Erfahrung ist, dass ein bisschen gesunder Menschenverstand und ein kühler Kopf in aller Regel ausreichen, um auch die schwierigsten Fragen einer vernünftigen Lösung zuzuführen.

Interview: Larissa Bender

© Qantara.de 2006

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