"Niemand hat das Recht, sich wie Gott aufzuführen"

Mona Shaikh ist eine unerschrockene muslimische Kabarettistin, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Bühne nutzt sie als Fläche, um unverhohlen Kritik an all jenen Religionsführern und Politikern zu üben, die Frauen unter Verweis auf den Koran bevormunden wollen. Roma Rajpal Weiss hat sich mit der in New York lebenden Pakistanerin unterhalten.

Von Roma Rajpal Weiss

Wie fühlte es sich an, als Muslimin in New York im Schatten von 9/11 aufzuwachsen?

Mona Shaikh: 9/11 hat die USA nachhaltig verändert – auch die Bürger. Dieses Ereignis hat mir klar gemacht, dass die Amerikaner lange Zeit vom Rest der Welt abgeschottet waren. Der traurige Vorfall öffnete die Schleusen für negative und positive Dinge. Ich war damals noch ein Teenager und glaubte, mich für Dinge entschuldigen und verteidigen zu müssen, mit denen ich doch gar nichts zu tun hatte. Für gewisse Zeit verlor ich das Gefühl, in New York beheimatet zu sein. Ich spürte, dass man mich mit anderen Augen sah – sogar meine Freunde. Andererseits kam dadurch ein Dialog in Gang.

Ihr Beruf ist besonders für eine pakistanische Frau sehr ungewöhnlich. Wie kam es dazu?

Shaikh: Ich war Autorin und kam eher zufällig zum Kabarett. Ich hätte nie gedacht, dass ich Kabarettistin werden würde. Doch eine Freundin meinte, ich sei gut und sollte es einfach mal probieren. Also ging ich in den New Yorker "Comix Club", absolvierte dort meine ersten fünf Minuten am Offenen Mikro, hatte Erfolg und kann seitdem nicht mehr aufhören. Darüber hinaus betreibe ich die Comedy-Website "muslimsdoitbetter.com". Ich will damit den Unterschied zwischen den durchgeknallten und den ganz normalen Muslims verdeutlichen, zu denen ich ja auch gehöre.

Wie nutzen Sie diesen Blog für Comedy?

Shaikh: Der Blog behandelt die neuesten Entwicklungen in der muslimischen Welt. Wir thematisieren die dortige Scheinheiligkeit. Die meisten Menschen wollen ja gar nicht über diese Probleme sprechen, sie sind tabu. Aber jemand muss ja Stellung zu dem Unsinn beziehen, den die Religionsführer dort verbreiten. Muftis und Kleriker haben offenbar viel freie Zeit, sonst könnten sie nicht ständig diese idiotischen Fatwas herausgeben, wie beispielsweise: "Frauen sollten keine Bananen anfassen, da sie ein Phallussymbol darstellen". Wenn man so etwas – als gewöhnlicher Muslim – im Westen hört, fasst man sich doch an den Kopf und denkt, dass das völliger Blödsinn ist. Das kann doch nichts mit Glauben zu tun haben. Mir bieten diese Absurditäten als Kabarettistin allerdings eine fantastische Vorlage.

Empfinden andere Menschen Ihre Arbeit als Kränkung?

Shaikh: Kürzlich hat ein Politiker in Saudi-Arabien gemeint, Frauen sollten nicht Auto fahren, da durch das Sitzen in einem PKW ihre Eierstöcken Schaden nehmen würden. Sie könnten dann keine Kinder mehr bekommen. Und das ist offenbar das eigentliche Ziel jeder Frau. Ist das so? Das frage ich mich wirklich!

Wenn ich mich öffentlich dazu äußere, treffe ich bei einigen Menschen auf einen wunden Punkt. Sie reagieren dann mit Hassbriefen und Morddrohungen. Menschen zum Lachen zu bringen, ist so viel schwieriger, als Menschen traurig zu machen. Man beschuldigt mich, den Islam zu beleidigen. Doch Fakt ist, dass diese Menschen sich gar nicht erst die Mühe machen, das zu lesen, was ich denn da schreibe. Ich schimpfe lediglich auf eine Handvoll Muslime, die den Rest von uns wie Idioten aussehen lassen. Die zeigen mit dem Finger auf mich und behaupten, bessere Muslime zu sein. Ich würde zu gerne wissen, woher die das Recht nehmen, sich wie Gott aufzuführen.

Muslimische Gesellschaften im Allgemeinen haben jedenfalls kein Recht dazu. Und zur Zeit des Propheten Mohammed war es sogar zulässig, abweichende Meinungen zu äußern. Unsere heutige Gesellschaft stellt den Koran und die Autorität der Mullahs, Muftis oder Imame, die fragwürdige Kommentare abliefern, nicht mehr infrage. Das ist falsch und ich habe sehr wohl das Recht, meine Stimme dagegen zu erheben. Denn das ist einfach unlogisch und ergibt keinen Sinn. Menschen reagieren ängstlich und verunsichert, wenn man Dinge infrage stellt, die für sie eine Norm darstellen oder eine Tradition, die nicht mehr in unsere heutige Welt passt.

Menschen mögen im Allgemeinen keine Veränderungen. Vielleicht erkennen sie das Positive an Veränderungen nicht. Letztlich sind Veränderungen auch immer unbequem – und wer mag das schon? Wenn jemand wie ich öffentlich über Dinge spricht, die thematisiert werden müssen, reagieren die Menschen oft gereizt.

Haben Sie schon immer Wert darauf gelegt, einen Dialog über Ihre Arbeit in Gang zu setzen?

Shaikh: Ich bin anfangs nicht mit dem Vorsatz angetreten, Dinge zu verändern. Ich wollte auftreten und unterhalten. Doch wenn man sich als Künstlerin erst einmal Gehör verschafft hat, spricht man automatisch über Themen, die einem wichtig sind. Die Stärkung der Frauen in der muslimischen Welt ist ein Thema, das mir am Herzen liegt. Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in der Frauen missbraucht wurden und keine Rechte oder Stimme hatten.

Mona Shaikh performing at the Westside Comedy Theater (photo: Westside Comedy Theater)
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Ich möchte darüber sprechen können, wie schwer es Frauen in unseren Gesellschaften gegenwärtig haben. Schauen Sie sich das Attentat auf die pakistanische Kinderrechtsaktivistin Malala oder das grausame Verbrechen an der indischen Studentin Nirbhaya an – Frauen, die wegen ihres Geschlechts leiden mussten. Und das Leiden nimmt leider kein Ende. Dass ich einen Dialog anstoßen kann, ist für mich sehr wichtig. Viele Menschen sind eingeschüchtert. Ihnen fehlt eine Stimme. Wenn mein Kabarett diese Stimme sein kann und etwas in den Köpfen der Menschen bewegt oder dazu beiträgt, sich stärker zu öffnen, habe ich meine Aufgabe als Künstlerin erfüllt.

Wie reagiert Ihre Familie auf Ihre Arbeit?

Shaikh: Ich war ein richtiger Wildfang und gleichzeitig das einzige Mädchen in einer gläubigen konservativen Familie in Karatschi. Meine Großmutter verbot mir als Mädchen, Jeans zu tragen. Glücklicherweise gab es auch westliche Einflüsse, die einige Dinge erträglicher machten. Zudem war mein Vater recht liberal. Er unterstützte mich damals darin, Jeans zu tragen.

Meine vier Brüder sind heute leidenschaftliche Anhänger meiner Arbeit. Meine Mutter ist mein größter Fan. Gleichzeitig lebt sie in einem bemerkenswerten Zwiespalt. Denn als Hāddscha, die nach Mekka gepilgert ist, ist sie ja durchaus religiös. Doch sie hat auch sehr liberale Ansichten. Sie ist eben sehr offen. Eine ihrer besten Freundinnen ist eine israelische Jüdin. Selbstverständlich gibt es einen Konflikt zwischen unseren Welten. Ich entstamme einem westlichen Hintergrund. Ich denke über viele Dinge ganz anders als meine Mutter. Außerdem gehören wir zwei verschiedenen Generationen an. Dennoch steht sie weiter zu mir.

Das Interview führte Roma Rajpal Weiss.

© Qantara.de 2015

Übersetzt aus dem Englischen von Peter Lammers