Südiranische Klänge in neuem Gewand

Der Perkussionist Habib Meftah ist mit clubtauglicher, klanglich verfremdeter Folkmusic international bekannt geworden. Er arbeitet aber auch mit Tänzern und Musikern aus anderen Genres zusammen. Seine Vielseitigkeit basiert auf der traditionellen Musikkultur seiner südiranischen Heimat. Mit ihm sprach Bernd G. Schmitz.

Von Bernd G. Schmitz

Sie heißen mit vollem Namen Habib Meftah Boushehri - was bedeutet der letzte Teil Ihres Namens?

Habib Meftah: Der verweist auf meine Herkunft aus der südiranischen Stadt Bushehr und steht auch so in meinem Pass. Als Künstler verwende ich diesen Teil meines Namens aber seit einigen Jahren nicht mehr. Ich finde "Habib Meftah" alleine einprägsamer.

Wann haben Sie begonnen, Musik zu machen?

Meftah: Im Alter von zehn Jahren. Für meine Familie war das nicht leicht, weil ich traditionelle Musik machen wollte. Die hört sich bei einem Anfänger nicht so nett an wie klassische iranische Musik. Mein erstes Instrument war die Dammam, eine quer vor dem Körper getragene Röhrentrommel mit Fellen auf beiden Seiten, die ich von religiösen Zeremonien aus der Moschee kannte.

Warum haben Sie sich nicht für Tombak oder Daf interessiert, die zentralen Perkussionsinstrumente in der persischen Musik?

Meftah: Die waren in Bushehr nicht verbreitet. Die Spieltechnik bei diesen Trommeln ist auch eine völlig andere als bei den südiranischen Perkussionsinstrumenten. Letztere haben mich von Anfang an besonders fasziniert - auch wenn ich es mag, einem guten Tombakspieler zuzuhören.

Wie muss man sich Ihre musikalische Ausbildung vorstellen? Sind Sie zu einem Ostad gegangen, einem Meister, wie man das aus der klassischen Musik Irans kennt?

Meftah: Nein, so etwas war bei uns nicht üblich. Ich habe die Musik mit dem Herzen aufgenommen, wie man so schön sagt. Ich hörte und sah den älteren Männern einfach zu, wie sie spielten - ohne etwas zu fragen.

Was ist das Besondere an südiranischer Musik?

Meftah: Deren Klänge haben unterschiedlichste Wurzel. Zusammen mit den schwarzen Sklaven aus Afrika kamen vor 200 Jahren nämlich auch Araber aus der Golfregion und Inder in meine Heimat. Deshalb spielen wir dort andere Musik, essen andere Speisen und sehen anders aus als die übrigen Iraner. Im Ausland wollen viele Menschen nicht glauben, dass ich Iraner bin - auch wegen meines arabischen Namens. Habib bedeutet "der Geliebte", Meftah "Schlüssel".

Wie ging es musikalisch nach der Kindheit weiter?

Meftah: Mir wurde bald klar, dass ich nichts anderes als Perkussionist werden wollte. Allerdings nicht mit einem großen Orchester - wegen des Organisierens und all der Dinge, die sonst noch damit zusammenhängen. Dafür bin ich nicht der Typ. Meine musikalische Entwicklung führte letztlich zu dem Duo, das ich heute mit meinem Kollegen Nicolas Lacoummette bilde. Der steht mir seit fünf Jahren als Sounddesigner zur Seite, während Zak Cammoun uns als Toningenieur betreut.

Sie leben seit 2001 in Paris. In den Iran können Sie nicht mehr zurückkehren. Was ist der Grund dafür?

Meftah: Als ich nach Frankreich ging, war ich 23 Jahre alt. Die Compagnie Montalvo-Hervieu hatte mich und meinen Kollegen, den Ney-Anban-Spieler Saeid Shanbehzadeh, zur Mitarbeit an einem Tanzprojekt eingeladen. Unser Vertrag lief über vier Jahre und beinhaltete rund 180 Shows pro Jahr. Danach bin ich mit meiner Frau in den Iran gereist, unter anderem, um ein neues Album herauszubringen. Das war zu Beginn der Präsidentschaft Mahmud Ahmadinedschads. In der Zeit gewann die Basidsch-Miliz an Einfluss und wollte ihre Macht zeigen. Die Tanzshow wurde mir dann wohl zum Verhängnis. Sie war nämlich bei ARTE und im französischen Fernsehen gezeigt worden. Hinzu kam, dass ich darin eine Sängerin begleitete, die ein religiöses Lied aus der Barockzeit sang.

Das kann ja nur christliche Musik gewesen sein - ist das ein Problem für die Religionswächter im Iran?

Meftah: Entscheidend war, dass ich überhaupt eine Sängerin begleitet und in diesem Tanzprojekt mitgewirkt hatte, was ja im Iran verboten ist. All das erfuhr ich aber erst einmal nicht, als mich plötzlich zehn oder zwölf Basidschi auf der Straße umringten, mich beschimpften und drei Tage in einen kleinen Raum einsperrten. Ich kam mir vor wie ein Terrorist. Als sie mich wieder freiließen, nahmen sie mir meinen Reisepass ab. Unterstützt von meinem Anwalt, musste ich drei Jahre darum kämpfen, den Pass zurückzuerhalten und wieder nach Frankreich ausreisen zu dürfen. Während dieser Zeit durfte ich auch nicht arbeiten. Das war eine wirklich harte Zeit für mich.

In Frankreich arbeiteten Sie danach weiter mit Saeid Shanbehzadeh zusammen - sehr erfolgreich, insgesamt 17 Jahre lang. Warum trennten Sie sich 2014?

Meftah: Letztlich war es wie in manchen Ehen: Irgendwann ist man müde und man merkt, dass es reicht. Unsere Vorstellungen von Musik waren zuletzt sehr unterschiedlich. Als ich die Trennung vollzogen hatte, merkte ich, wie gut mir das tat. Ich glaube deshalb nicht, dass wir noch einmal gemeinsam auf der Bühne stehen werden.

Auf Youtube finden sich einige Clips, in denen Sie mit dem Oud-Spieler Shahram Gholami zu hören sind. Darin agieren Sie sehr zurückgenommen. Wie fühlen Sie sich in einer solchen Rolle?

Meftah: Tatsächlich mag ich auch das. Shahram und ich nahmen deshalb Ende 2012 eine gemeinsame CD in meinem Pariser Studio auf. Das hat viel Spaß gemacht – auch weil sich unser kleines Projekt so sehr von meiner übrigen Arbeit unterschied.

Der iranische Musiker Habib Meftah auf dem Rudolstadt-Musikfestival am 5. Juli 2019; Foto: Bernd G. Schmitz
Autodidakt und Klangartist: "Bei mir ist alles handgemacht. Das Fundament meiner Arbeit ist traditionelle südiranische Musik aus Abadan, Bandar Abbas, Bushehr und anderen Orten. Die möchte ich in ein zeitgenössisches Gewand kleiden, damit mir auch Menschen zuhören, die normalerweise nicht an traditionellen Klängen interessiert sind", sagt Habib Meftah.

Diese Zusammenarbeit führte ebenfalls zu Problemen …

Meftah: Nachdem Shahram in den Iran zurückgekehrt war, um dort das Album herauszubringen, teilte ihm das Ministerium für Kultur und Islamische Führung (Ershad) mit, dass dies nicht geschehen könne, wenn mein Name auf der CD erwähnt würde. Es schien also nicht zu klappen mit der Veröffentlichung. Shahram fand dann aber doch noch eine Lösung: Statt "Habib Meftah" ließ er "Dey Zang Roo" auf die CD drucken. "Deyzangeroo" hieß nämlich meine erstes, 2005 erschienenes Solo-Album. Der Titel ist seitdem so etwas wie mein Pseudonym, unter dem mich allerdings viele Musikfreunde kennen. Bei den Mitarbeitern des Ministeriums, die letztlich die Erlaubnis zur Veröffentlichung der CD erteilten, war das scheinbar nicht der Fall.

Wie würden Sie die Musik bezeichnen, die Sie aktuell machen? Manche nennen diese auch "Electrofolk".

Meftah: Ich verwende diese Bezeichnung nicht. Viele Leute würden dahinter elektronische Musik vermuten. Bei mir ist aber alles handgemacht. Das Fundament meiner Arbeit ist traditionelle südiranische Musik aus Abadan, Bandar Abbas, Bushehr und anderen Orten. Die möchte ich in ein zeitgenössisches Gewand kleiden, damit mir auch Menschen zuhören, die normalerweise nicht an traditionellen Klängen interessiert sind. Ich mache einfach Folkmusic mit einem der heutigen Zeit angepassten Sound.

Ihr neues Konzertprogramm heißt "Shibaali". Worum geht es dabei?

Meftah: Es ist eine Art musikalisches Tagebuch meines Lebens. Darin habe ich Eindrücke aus meiner Kindheit, meiner Jugend und der Zeit des Erwachsenseins verarbeitet. Wenn ich zum Beispiel als Kind mittags aus der Schule kam, überraschte mich meine Großmutter häufig mit einem kleinen Geschenk, etwas Geld oder einer Süßigkeit. Diese Dinge waren immer unter einem dünnen weiten Tuch verborgen, in das sich die älteren Frauen im Südiran auch heute noch hüllen. Und "Shibaali", der Titel meines aktuellen Projekts, bedeutet in unserer Sprache "unter der Kleidung". Die Idee ist, auch im Laufe meines Konzerts viele kleine Überraschungen für das Publikum hervorzuholen - so wie es einst meine Oma im Garten unseres Hauses für mich tat.

Das Interview führte Bernd G. Schmitz.

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