"Dialog mit dem Iran stärken!"

Trotz der konservativen Trendwende nach den iranischen Parlamentswahlen sieht der CDU-Europa-Abgeordnete Michael Gahler gute Chancen für einen politischen und wirtschaftlichen Ausbau der europäisch-iranischen Beziehungen. Interview: Peter Philipp

Trotz der konservativen Trendwende nach den iranischen Parlamentswahlen sieht der CDU-Europa-Abgeordnete Michael Gahler gute Chancen für einen politischen und wirtschaftlichen Ausbau der europäisch-iranischen Beziehungen.

Foto: CDU Gross-Gerau
Michael Gahler

​​In Teheran gab es einige Verstimmung wegen der Äußerungen des Europäischen Parlaments über die vergangene iranische Parlamentswahl. Gibt es denn nach der Wahl nun eine andere und differenziertere europäische Sichtweise?

Michael Gahler: Unsere Einstellung war schon differenziert. Denn wir haben als Europäisches Parlament nicht mehr und nicht weniger verlangt, als dass dort freie und faire Wahlen stattfinden. Und in dem Zusammenhang waren wir in Übereinstimmung mit der Mehrheit des iranischen Parlaments, auch mit der Meinung des Präsidenten und der Regierung. Also gerade in Iran – wo bestimmte Kreise immer wieder gesagt haben, wir würden uns einmischen – war meine Antwort an die iranische Adresse: Sie sehen, wir geben eigentlich nur das wieder, was in Iran selber verlangt wird. Und von daher kann man bezüglich demokratischer oder undemokratischer Verhältnisse nicht ‚differenziert‘ sein. Wir haben da vielmehr einen eindeutigen Standpunkt.

Aber dieser ‚eindeutige Standpunkt‘ hat die Beziehungen ja nicht gerade verbessert. Zumindest nicht die Stimmung innerhalb konservativer Kreise in Teheran. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Zukunft der europäisch-iranischen Beziehungen? Wird der bisherige Dialog hierbei Schaden nehmen oder kann er fortgesetzt werden wie bisher?

Gahler: Wir haben bei aller Kritik am Verfahren vor den Wahlen immer betont, dass wir für die Fortsetzung des Dialogs auf allen Ebenen sind. Ich meine hier den parlamentarischen Bereich (es gibt ja noch den Menschenrechtsdialog und andere Punkte, wo wir eine gemeinsame Agenda haben). Auch im Nuklearbereich, wo wir ein Interesse daran haben, dass der Iran dort die internationalen Verpflichtungen der Atomenergiebehörde einhält. Ferner die Bekämpfung des Drogenhandels in der Region. Da ist Afghanistan ja das größte produzierende Land und die Transitwege gehen zum großen Teil durch den Iran. Das Ziel ist in der Regel Europa. Deshalb haben wir ein Interesse an einer Zusammenarbeit mit Iran in diesem Bereich. Aber das soll nicht heißen, dass wir hierbei eine Arbeitsteilung vornehmen: Dass Iran auf der internationalen Ebene, bei der Nuklearfrage, die Forderungen der internationalen Gemeinschaft erfüllt und dann im Gegenzug – so nach dem Motto: Dann lasst Ihr uns mal im Inneren die Demokratie unterdrücken – dass wir dann da wegsehen. Ich hoffe auch, dass das nicht die Haltung unserer Regierungen ist. Das Europäische Parlament jedenfalls wird sich in Sachen Demokratie nicht zu faulen Kompromissen bereit erklären.

Nun gibt es ja im Bereich der Drogenproblematik ganz klar ein gemeinsames Interesse. Aber bei den anderen Themen scheint das Interesse doch mehr einseitig europäisch zu sein, so zum Beispiel beim iranischen Atomprogramm…

Gahler: Gerade in der Nuklearfrage ist den Iranern doch klar geworden, dass die Alternative zu einem Vorgehen innerhalb der IAEO gewesen wäre, dass die ganze Sache vor dem Weltsicherheitsrat gelandet wäre. Und da hätten sie vielleicht doch einen etwas schwereren Stand gehabt – da gibt es auch Vetorechte. Ich glaube, den Iranern ist schon klar, dass sie daran ein Interesse haben und dass diese Frage innerhalb der Atomenergiebehörde geregelt wird. Wenn sie alternativ dazu im Weltsicherheitsrat diskutieren müssten, dann hätten sie wohl einen schwereren Stand.

Ein zentrales Thema ist auch seit vielen Jahren die Frage der Menschenrechte. Hat der Menschenrechtsdialog Ihrer Meinung nach bisher überhaupt etwas gebracht?

Gahler: Das ist immer die Frage, auch bei anderen Ländern, wie China zum Beispiel: Bringt das was? Ich glaube, es stärkt jedenfalls in der innenpolitischen Debatte diejenigen, die für mehr Menschenrechte sind. Wir hatten beim Dialog nicht so sehr den Eindruck, dass da eine europäisch-iranische Debatte stattfand, sondern wir erlebten wirklich eher eine inneriranische Debatte. Es war auch nicht so, dass da nur konservative oder nur progressive Kräfte präsent waren. Vielmehr war das ganze Spektrum aus dem Iran vertreten: Abgeordnete, Professoren, dann aber auch natürlich Vertreter der Justiz, die eher im konservativen Bereich einzuordnen sind. Und da haben wir im Grunde die Debatte innerhalb der iranischen Delegation gehabt. Wenn wir insofern als ein Medium dienen können, dass eine inneriranische Debatte fördert, dann ist das auch schon etwas. Abgesehen davon war vor zwei Wochen im Auswärtigen Ausschuss des Europäischen Parlaments die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi geladen. Und das sind natürlich auch politische Zeichen, die wir setzen und wo wir die demokratischen Kräfte in Iran unterstützen. Ich glaube, insgesamt bringt das was. Und wir werden als Europäisches Parlament sogar mit dem neuen Parlament eine eigene Iran-Delegation einrichten, weil wir den Beziehungen zu dem Land eine so große Bedeutung beimessen.

Wenn man die Beziehungen genauer unter die Lupe nimmt, so liegt die Betonung bei den Iranern doch wohl eher auf der Wirtschaft ...

Gahler: Wir wollen das Land nicht isolieren. Im Gegenteil: Wir wollen den Dialog fortführen, und wir wollen dabei beides: wirtschaftliche und politische Kontakte aufbauen und dabei den Bereich Menschenrechte nicht außen vor lassen. Iran braucht die Zusammenarbeit mit den Europäern mehr als umgekehrt. Und dann muss man eben auch akzeptieren, dass die Tagesordnung nicht nur eine wirtschaftliche ist, sondern auch andere Dimensionen umfasst. Und wir werden auch unsere Regierungen immer wieder darauf hinweisen. Es wird ja im Prinzip an dem Kooperationsabkommen verhandelt, aber wir haben auch von Anfang an der iranischen Seite erklärt: Am Schluss eines solchen Abkommens muss das Europäische Parlament zustimmen. In dem Zusammenhang ist auch klar: Wenn wir in dem Abkommen keine substantielle Menschenrechtsklausel haben – was wir inzwischen ja im ganzen AKP-Bereich haben – und sich die Situation in Iran nicht deutlich verbessert, dann wird es keine Zustimmung des Europäischen Parlaments geben.

Nun lässt sich ja aber nach den iranischen Parlamentswahlen die konservative Wende nicht leugnen. Werden damit nicht auch die Menschenrechtsbemühungen noch mehr beeinträchtigt?

Gahler: Aus innenpolitischen Erwägungen werden die Konservativen jetzt eine Liberalisierung - vor allem im wirtschaftlichen Bereich - zulassen. Das ganze Hickhack vor den Wahlen war natürlich ein Versuch der Konservativen, den Erfolg der Reformer aufzuhalten. Aber auch die Konservativen wissen, wie die Stimmung in der Bevölkerung ist und dass man irgendwo ein Ventil braucht. Trotzdem gönnten sie den Reformern keinen Erfolg. Wichtig ist jedoch, wie sich die iranische Bevölkerung verhält: Bisher hatte sie die Reformer ja mit dafür verantwortlich gemacht, dass nichts passiert ist, und deswegen hat sie sich auch nicht wesentlich für die Reformer eingesetzt, als jetzt die Abgeordneten ihren Sitzstreik hatten. Sie sind auch nicht zur Wahl gegangen, um die Reformer zu stützen. Jetzt ist aber eindeutig klar, wenn jetzt etwas nicht klappt, wer dafür tatsächlich verantwortlich ist. Das heißt, das sind die Konservativen. Und entsprechend wird dann auch innerhalb des Iran über kurz oder lang der innenpolitische Druck doch auch steigen.

Interview: Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004