Die Gärten der Anderen

Das Konzept der "Interkulturellen Gärten" klingt vielversprechend: Brachflächen sollen in Gemeinschaftsgärten umgewandelt werden, in denen Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft Nahrungsmittel anbauen. Doch das Kölner Beispiel zeigt, dass Integrationsarbeit auch kontraproduktiv sein kann. Von Pouyeh Ansari

Das Konzept der "Interkulturellen Gärten" klingt vielversprechend: Brachflächen sollen in Gemeinschaftsgärten umgewandelt werden, in denen Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft Nahrungsmittel anbauen. Doch das Kölner Beispiel der Interkulturellen Gärten zeigt, dass Integrationsarbeit auch kontraproduktiv sein kann. Von Pouyeh Ansari

Mitglieder des Interkulturellen Gartens; Foto: Stiftung Interkultur
Die Stiftung Interkultur wurde ins Leben gerufen, um die verschiedenen interkulturellen Gartenbauprojekte in Deutschland sinnvoll miteinander zu verknüpfen.

​​ Ein großes Stück Brachland in Köln-Niehl dient seit drei Jahren Migranten und Deutschen zum ökologischen Gartenanbau. In kleinen Parzellen werden die verschiedensten Kräuter und Gemüsearten angepflanzt.

Ziel der Gartengemeinschaft ist nicht nur die kollektive Bewirtschaftung des Brachlandes, sondern vielmehr ein gemeinsames und soziales Erlebnis. Deutsche und Zuwanderer sollen einander näher kommen. Gemeinsame Gartenfeste und Unternehmungen verbessern nicht nur die deutsche Sprache der Migranten, sondern machen die Deutschen mit den verschiedensten Kulturen und Gebräuchen vertraut.

In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der so genannten Gemeinschaftsgärten deutschlandweit auf etwa 100 gestiegen. Der erste Interkulturelle Garten wurde 1996 von bosnischen Flüchtlingsfrauen gemeinsam mit anderen Familien unterschiedlicher Herkunft in Göttingen gegründet. Im Jahr 2003 wurde dann in München die "Stiftung Interkultur" ins Leben gerufen, um diese Projekte der interkulturellen Gärten zu unterstützen und die Kommunikation unter den Gärten zu verstärken.

Schöne heile Gartenwelt

In Köln gibt es den Interkulturellen Garten seit 2005. Drei Jahre lang hat es in Köln auch wunderbar geklappt. "Es war eine heile Welt", erinnert sich der iranischstämmige Khosro Sarhang, der seit Anfang an Mitglied im Interkulturellen Garten Köln ist.

Kinder im Interkulturellen Garten; Foto: DW
Der Interkulturelle Garten ist nicht nur Begegnungsstätte zwischen den Kulturen, sondern auch zwischen alt und jung.

​​ Jedoch hat sich das Klima seit einigen Monaten gewandelt, sodass das Integrationsprojekt auf der Kippe steht. Gartenmitglied Anton Auer spricht sogar von einer "gegenläufigen Integration". Was ist passiert?

Aus dem Ursprungsgedanken von gegenseitigem Kennlernen, Unterstützen und Austausch von Wissen hat sich in den letzen Monaten ein regelrechter Streit an zwei Fronten gebildet. Auf der einen Seite steht der Vorstand des Vereins und die "Köln Agenda", auf der anderen Seite einige Mitglieder des Gartens – hauptsächlich Zuwanderer.

Welche Rolle spielt die "Köln Agenda" bei dem Interkulturellen Garten? Als der Garten im Jahr 2005 gegründet worden ist, sollte sie gemeinsam mit der "Stiftung Interkultur" aus München als Förderer fungieren. Pro Jahr unterstützt die "Köln Agenda" den Garten mit rund 1000 Euro.

Bevormundung durch die "Köln Agenda?"

Zunächst zog sich die "Köln Agenda" zurück, so Roland Pareik von der Infostelle der Organisation. Später habe man sich allerdings wieder durch Öffentlichkeitsarbeit für die Gärten integriert. Die "Köln Agenda" ist seit 2005 Mitglied des Vereins, aber schriftlich festgehalten wurde dieser Schritt nie. Ob die "Köln Agenda" offizielles Mitglied ist, ist somit unklar.

Kinder im Interkulturellen Garten; Foto: DW
Zum Scheitern verurteilt? Kritiker sprechen im Zusammenhang mit den "Interkulturellen Gärten" bereits von einer "gegenläufigen Integration".

​​ Doch in dem Punkt liegt auch der Ursprung des Konflikts: Einige Mitglieder des Gartens fühlen sich von der "Köln Agenda" bevormundet. Als quasi städtische Institution lässt sie den Mitgliedern nicht die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, die sie sich wünschen.

Anton Auer war einer der ersten, der bei Vereinssitzungen die Missstände offen ansprach und kritisierte. "Die "Köln Agenda" benutzt den Garten nur, um PR mit einem Vorzeigeprojekt mit Vorzeigemigranten zu machen und so Fördergelder für sich zu beantragen", ärgert sich der Kölner.

Der Konflikt hat sich mittlerweile so weit zugespitzt, dass sich einige Mitglieder des Gartens von der "Köln Agenda" instrumentalisiert fühlen.

Diese wollen mehr Eigenverantwortung. Schließlich soll es ein Integrationsprojekt sein, das sie nicht nur mit der deutschen Sprache vertraut machen soll, sondern auch mit deutschen Rechtsgrundlagen und Vereinssatzungen.

Vorzeigeprojekte mit Vorzeigemigranten führen vom richtigen Weg ab und schaffen nur eine größere Kluft zwischen Deutschen und Zuwanderern. Die Idee, die hinter den interkulturellen Gärten steht, ist wunderbar – nur muss sie auch richtig umgesetzt werden. Eine Teilung in zwei Parteien, wie sie in Köln derzeit geschieht ist in der Tat eine "gegenläufige Integration".

Pouyeh Ansari

© Qantara.de 2008

Logo Europäisches Jahr des Interkulturellen Dialogs 2008

​​Dieser Artikel entstand im Rahmen des gemeinsamen Projekts "Meeting the Other" mit dem Online-Magazin Babelmed.net im Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs. Mehr Informationen zu diesem Projekt finden Sie hier

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