Sunnyboy zwischen Paris und Beirut

Der junge Libanese Ibrahim Maalouf spielte Trompete für Amadou & Mariam, Lhasa und Bumcello, und eine klassische Karriere hat er auch schon bravourös absolviert. Auf seinem Debütalbum koppelt er jetzt Orient und Elektronik zu einer einzigartigen Klangsprache. Von Stefan Franzen

Der junge Libanese Ibrahim Maalouf spielte Trompete für Amadou & Mariam, Lhasa und Bumcello, und eine klassische Karriere hat er auch schon bravourös absolviert. Auf seinem Debütalbum koppelt er jetzt Orient und Elektronik zu einer einzigartigen Klangsprache. Stefan Franzen traf ihn in Marseille.

Ibrahim Maalouf; Foto: /&copy Wikipedia/Commons
Weltmusik-Klänge zwischen Orient und Okzident - Libanons Trompeter Ibrahim Maalouf.

​​Mitschnitte von klassischen Konzerten zeigen ihn noch als Knaben mit Lockenkopf, doch nun sitzt der 27jährige mit Ultrakurz-Frisur am Tisch. Er zappelt fast vor Energie und hat gerade einen umjubelten Auftritt auf der Marseiller Weltmusikmesse Babel Med hinter sich.

Inmitten von Arrangements aus rockiger Energie und kühler Elektronik agierte er da mit seiner Trompete, die ein besonderes Geheimnis in sich birgt.

Die Trompete mit vier Ventilen

"Mein Vater Nassim hat in den 1960ern ein Instrument entwickelt, die vier Ventile hat, eines mehr als die europäische Version. Das ermöglichte ihm, die arabischen Skalen mit ihren Vierteltönen zu spielen. Sein Traum war es, dass sich diese Trompete im ganzen arabischen Raum ausbreitet, aber für die Hersteller war das zu aufwändig. Bis heute gibt es nur wenige Instrumente dieser Bauart und ich bin einer der wenigen, die diese Tradition fortführen."

Von klein auf gewöhnte der Vater den jungen Ibrahim an diese besondere Trompete. Als Jüngling schlug der im Libanon geborene, aber ständig zwischen Paris und Beirut pendelnde Musiker eine klassische Karriere am Pariser Konservatorium ein.

Er war gar Schüler von Altmeister Maurice André und spielte Barockkonzerte wie ein junger Gott. Parallel dazu stellte aber immer die traditionelle arabische Musik ein Teil seines Repertoires dar, und so wurde Ibrahim Maalouf zum einzigen Trompeter, der in beiden Welten eine Heimat fand.

Eine Brücke zwischen Okzident und Orient

"Ich habe das Privileg mit einem Instrument, das per se okzidental ist, orientalische Musik zu spielen", erläutert der Nachwuchsstar. "Und deshalb fühle ich mich wirklich wie eine menschliche Brücke. Dazu kommt, dass ich durch die andauernden Reisen zwischen dem Libanon und Frankreich beide Identitäten in mir spüre."

CD-Cover von Maaloufs Debütalbum Diasporas
Elektronische Beats, Rock- und Jazz-Vokabular und orientalische Melodien: Maaloufs Debütalbum "Diasporas"

​​Maalouf fühlt sich in Paris zuhause, zugleich hat er aber auch ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, wenn er in den libanesischen Bergen bei seinen Verwandten ist.

"Bei uns Libanesen ist es so, dass wir immer für eine gewisse Zeit zurückkehren müssen in die Heimat, und meine Familie hat das auch während des Krieges gemacht. Da gibt es etwas, das einfach stärker ist als die Angst vor den Bombardements."

Aus diesen verschiedenen Identitäten entstand schließlich Ibrahim Maaloufs eigene Musik, die er nun, nach errungenen Preisen im klassischen Zirkel und nach den Kollaborationen mit Weltmusikstars wie Lhasa de Sela und Amadou & Mariam mit seinem Debüt "Diaspora" verwirklicht hat.

Das Debütalbum "Diasporas"

Die klassische Karriere hat ihm das technische Rüstzeug mitgegeben, um nun in jegliche Richtung gehen zu können. Und das tut er mit seinen Lieblingsmusikern aus Montréal, die er von der Arbeit mit Lhasa kennen gelernt hatte. Elektronische Beats, Rock- und Jazz-Vokabular paart er mit orientalischen Melodien und seinen Visionen.

Dizzy Gillespie; Foto: AP
Großes musikalisches Vorbild für Maalouf: Jazz-Legende Dizzy Gillespie

​​"Diasporas" habe er das Album genannt, weil er sich solidarisch fühle mit den Communities, die in der Fremde leben. Und er hat auch ein ganz klares Bild vor Augen, wie man aus der Globalisierung das Beste machen kann:

"Im Titelstück hört man eine Métro und ist die U-Bahn nicht ein Sinnbild für das Miteinander von Kulturen? Schwarze, Araber, Juden, Christen, Chinesen reisen hier zusammen und ich stellte mir vor, dass es eine U-Bahn gibt, die dich in zwei Minuten von Paris nach Beirut, dann weiter nach Tokio und New York bringt. Das ist wie ein Motto für das Album."

Hommage an den Vater und Dizzy

Auf dem es noch weitere Ausflüge zwischen den Welten gibt. Als Hommage an Vater Nassim hat er seine Trompete zu einer richtigen Blaskapelle übereinander geschichtet –so wird der Traum des Papas von einer orientalischen Viertelton-Fanfare doch noch Realität.

Und auch ein Tribut an einen anderen Brückenbauer zwischen dem Jazz und der arabischen Welt findet sich darauf: Mit seiner Version von Dizzy Gillespies "Night In Tunisia" ehrt der junge Maalouf den alten Doyen der Jazztrompete:

"Er hat die Trompete und den Jazz selbst revolutioniert, aber zur gleichen Zeit hat er eine unglaubliche Lebensfreude und Energie verbreitet. Dieses Lächeln, das er immer hatte!"

Und wer den espritgeladenen Sunnyboy Ibrahim Maalouf anschaut, bezweifelt nicht, das aus ihm ein Orient-Dizzy des 21. Jahrhunderts werden könnte.

Stefan Franzen

© Qantara.de 2008

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