Zwischen den Fronten

Die zunehmende Vermischung von humanitärer Hilfe und militärischen Einsätzen behindert die Aufbauarbeit im Irak und Afghanistan. Diese Bilanz zieht die Hilfsorganisation medico international. Hans Dembowski berichtet

Die zunehmende Vermischung von humanitärer Hilfe und militärischen Einsätzen behindert die Aufbauarbeit im Irak und Afghanistan, diese Bilanz zieht die Hilfsorganisation medico international. Hans Dembowski berichtet

Foto: AP
'Ärzte ohne Grenzen' in Afghanistan

​​Medico international spricht sich gegen die "Militarisierung der Außenpolitik" aus. Thomas Gebauer, der Geschäftsführer der Frankfurter Ärzteorganisation, warnt, Hilfswerke würden in Ländern wie dem Irak oder Afghanistan zunehmend als Kriegsteilnehmer wahrgenommen.

Einerseits sähen westliche Regierungen karitative Akteure und Aufbauhelfer als Multiplikatoren ihrer Politik. Sie machten Kriege durch Linderung der Not führ- und legitimierbar. Im Gegenzug würden Hilfswerke dann immer wieder Opfer von Angriffen.

Falsche Bündnispartner

Dies sei offenbar auch die Folge der aktuellen Militärstrategie in Afghanistan, erläutert Pressesprecherin Katja Maurer: "Mit den Warlords etc. wird paktiert, um gegen die Taliban und Al Kaida Krieg zu führen und man bringt die Henker von einst wieder an die Macht mit dieser unsäglichen Politik. Und unsere Opfer, die Opfer unserer Partnerorganisation Omar - wahrscheinlich auch die Opfer von Ärzte ohne Grenzen, sind wahrscheinlich von Warlords dieser Kategorie umgebracht worden", so Maurer.

Die medico-Spitze zeigt Verständnis für den aus ihrer Sicht bedauerlichen Entschluss von Ärzte ohne Grenzen, aus Sicherheitsgründen aus Afghanistan abzuziehen. Für die eigene Organisation stellt sich die Frage aber nicht, weil sie sich nicht auf Fachkräfte aus reichen Ländern stützt.

Im Visier der Warlords

Allerdings berichtet medico auch von eigenen Gewaltopfern. Im Frühjahr habe ein Warlord in Afghanistan ein Projekt zur Räumung von Minen angreifen lassen. Fünf medico-Mitarbeiter starben.

Vor allem aber für die ausländischen Mitarbeiter, diejenigen, die zum Beispiel aus Europa ab und zu ins Land müssen, ist die Situation zunehmend bedrohlich, meint Maurer: "Die müssen in ihren Unterkünften bleiben und können gerade noch zum Partner gehen und dort die Projektabwicklung besprechen, aber im Grunde haben die überhaupt keinen Bewegungsspielraum. Also auch für ausländische Mitarbeiter ist dort eine Arbeit faktisch nicht mehr möglich."

Aus Sicht von medico ist neutrales Agieren zwischen den Fronten nicht möglich. Unabhängigkeit sei aber unverzichtbar - darüber seien sich alle deutschen Hilfswerke einig.

Für medico folgt Unabhängigkeit aus eigenen politischen Strategien. Deshalb kooperiert medico mit lokalen Partnern und orientiert sich am Prinzip "soziale Rechte für alle".

Es gehe darum, minimale medizinische Grundversorgung sicher zu stellen und einheimische Initiativen zu unterstützen. Ziel sei, soziale Entwicklung in Gang zu setzen und langfristig zu ermöglichen.

Globalisierung des Solidarprinzips

medico warnt vor einem exklusiven Sicherheitsverständnis, dem zu Folge die reiche Welt geschützt und "überflüssige Bevölkerungen" ihrem Schicksal überlassen werden sollten. Stattdessen fordert medico-Geschäftsführer Gebauer "die Globalisierung des Solidarprinzips". Der Hilfswerk-Manager betont, das sei nicht bloße Theorie. Es gehe um praktische Arbeit.

Entsprechend gab medico im vergangenen Jahr mehr als vier Millionen Euro aus - das entspricht rund 80 Prozent des Gesamtetats - für konkrete Hilfsprojekte. Die Organisation engagiert sich vor allem in Afrika und Lateinamerika.

Ihre Mittel dienen unter anderem dazu, Flüchtlinge in der Westsahara zu versorgen. Außerdem helfen medico-Partner Bürgerkriegsopfern in Sierra Leone, ihre Traumata zu bewältigen, oder beteiligen sich am Aufbau des Basisgesundheitsdienstes in Guatemala.

Hans Dembowski

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004