Geläuterte Rebellen

Heavy-Metal-Bands wurden noch zu Beginn der 1990er Jahre von religiösen Hardlinern als "Satanisten" gegeißelt und verfolgt. Heute können sie in Ägypten unbeschwerter in der Öffentlichkeit auftreten. Arian Fariborz hat sich in der Szene vor Ort umgehört.

Von Arian Fariborz

Schwarze Kleidung und harte Beats: Heavy Metal in Kario; Foto: Arian Fariborz
In den 90er Jahren orientierten sich die 'Metal-Heads' in Kairo noch an westlichen Bands, mittlerweile kreieren sie ihre eigenen düsteren musikalischen Variationen.

​​Schneller, härter, lauter erschallen die Gitarrenriffs und Schlagzeug-Beats aus dem Halbdunkel des Theaterauditoriums der weltberühmten neuen Bibliothek Alexandrias. Vor der Bühne steht im Halbkreis eine Gruppe Jugendlicher – alle um die 20 Jahre alt, die Haare kurz geschoren oder schulterlang. Sie tragen Pentagramme als Halsschmuck, Tatoos und schwarze T-Shirts mit Aufschriften wie "Metallica", "Dreams of Madness", "Pure Norwegian Black Metal", "Killadelphia" oder "Religion sickens me".

Die Stimmung ist bereits zum Auftaktkonzert der "Third Metal Night" in Alexandria auf dem Siedepunkt. Dass Hardrock- und Heavy-Metal-Konzerte in einem Land mit einer konservativen und überwiegend muslimischen Gesellschaft überhaupt möglich sind, mutet auf den ersten Blick ziemlich ungewöhnlich an. Und erstaunlich ist das Musikphänomen erst recht, wenn man die Vorgeschichte der so genannten "Metalheads" in Kairo und Alexandria kennt.

Razzien gegen Metal-Bands

Zu Beginn der 1990er Jahre war diese Musikszene noch viel weiter entwickelt, erinnert sich der in Kairo lebende Journalist und Blogger Hossam el-Hamalawy, der damals selbst in der Metal-Szene aktiv war. "Doch 1997 war schließlich alles vorbei, nachdem die Sicherheitsbehörden Razzien gegen Metal-Bands und Fans durchgeführt hatten."

Foto: Arian Fariborz
Der "Baron's Palace" in Kairo-Heliopolis – Hangout für die Metal-Szene in Ägyptens Hauptstadt

​​Der Grund: Die ägyptische Boulevardpresse sowie regierungsnahe Zeitungen hatten das Gerücht in die Welt gesetzt, Heavy-Metal-Fans seien in Wirklichkeit nichts anderes als Satanisten, die dämonische Riten, wilde Sex- und Drogenorgien in einer leer stehenden illustren Villa, dem "Baron's Palace" im Kairoer Stadtteil Heliopolis, veranstalteten.

"Wir sind dort nie eingebrochen", erzählt el-Hamalawy, "sondern haben nur die Wächter vor der Villa mit ein paar ägyptischen Pfund bestochen, um hinein zu kommen. Dann ging man in den Palast, der völlig unrenoviert war, und man konnte alles sehen: die riesigen Betten, alles wirkte düster und ziemlich gruselig. Und man dachte sich: 'Wow! Echt cool hier!' Dann ist man aber auch wieder von dannen gezogen."

Ein schwarzes T-Shirt als Beweisstück

Foto: Arian Fariborz
Ein Schritt heraus aus dem Underground: Konzertplakat für einen Hardrock-Gig im Kairoer Stadtteil Zamalek

​​Da sich die von den Medien gestreuten Gerüchte hartnäckig hielten, sah sich die Regierung veranlasst, zum Schlag gegen die vermeintlichen Satanisten auszuholen. Über 100 Metal-Fans wurden festgenommen – viele von ihnen waren sogar unter 13 Jahre alt. In den Haftanstalten kam es zu pausenlosen Verhören, es wurde auch von Folterungen einiger "Metalheads" berichtet. "Das war völlig wahnwitzig", berichtet el-Hamalawy. "Die Sicherheitskräfte stellten die gesamten Wohnungen der Metal-Fans auf den Kopf, konfiszierten CDs und suchten nach jedem schwarzen T-Shirt, das sie finden konnten. Das reichte als Indiz völlig aus, um als Satanist gebrandmarkt zu werden."

Medien-Hype und Hexenjagd

Die festgenommenen Jugendlichen wurden im Fernsehen vorgeführt. Man stellte ihnen absurde Fragen darüber, wie sie angeblich in Gottesdiensten im Baron's Palace dem Teufel huldigen und Katzen rituell opfern würden. Doch nicht nur die Massenmedien und das autoritäre Mubarak-Regime witterten den großen Skandal.

Auch christliche und muslimische Kleriker ereiferten sich und diffamierten die "Metal-Heads" als Teufelsanbeter und Junkies. Schließlich mussten sie sich sogar vor dem Mufti der al-Azhar, dem Zentrum der sunnitischen Gelehrsamkeit, verantworten – und "dem Satan abschwören".

Foto: Arian Fariborz
Schwarzes Kopftuch statt 'Headbanger'-Mähne: Metal-Konzert in der neuen Bibliothek in Alexandria

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"Von wegen Satanisten", empören sich die Bandmitglieder der Kairoer Band "Divine". "Das waren alles unsere Freunde, sehr respektable Leute. Die Medien haben allerhand merkwürdiges Zeug fabuliert, aber zum Glück ist letzten Endes nie offiziell Anklage gegen sie erhoben worden!" Der inszenierte Medienskandal und die überzogene moralische Entrüstung in der ägyptischen Öffentlichkeit kam in Wirklichkeit dem Mubarak-Regime sehr gelegen, berichtet Hossam el-Hamalawy. "1996/97 war die wirtschaftliche Lage in Ägypten äußerst schlecht, die Aufstände der radikalen Islamisten hielten weiter an. Und wir hatten den Eindruck, dass die Regierung nach etwas suchte, um die Aufmerksamkeit der Leute von den eigentlichen Problemen des Landes abzulenken."

Ein neuer Aufbruch der "Metalheads"

Um nicht erneut ins Visier der Massenmedien und der Polizei zu geraten, geben sich Ägyptens "Metalheads" heute wesentlich umsichtiger und angepasster – möglichst keine illegalen Konzerte, keine Drogen, keine Schlägereien und keine Stippvisiten im "Baron's Palace". Doch tut dies der musikalischen Qualität ihrer Musik keinen Abbruch. Im Gegenteil: Wurden zu Beginn der 1990er Jahre fast ausschließlich westliche Metal- und Hardrocklegenden wie "Metallica", "Slayer" oder "Iron Maiden" gecovert, gehen ägyptische Bands heute eigene Wege und kreieren lokale musikalische Genres, wie etwa den elegischen "Oriental Black Metal".

Und obwohl früher Tausende ägyptische Metal-Fans und -Bands zu den legendären "Monsters of Rock"-Konzerten pilgerten, hat sich die Szene inzwischen von den harten Schlägen von einst erholt: Spätestens seit 2002 befindet sich das Land am Nil wieder im Metal-Fieber: Rund 60 bis 70 Bands soll es inzwischen wieder in Kairo und Alexandria geben, Tendenz steigend.

Arian Fariborz

© Qantara.de 2009