Friedensgespräche mit den Taliban
Irgendein Deal wird kommen

Kabuls politische Elite ist angespannt. Während Washington seit geraumer Zeit mit den aufständischen Taliban in Qatar einen Friedensdeal aushandelt, fühlt sich die Kabuler Regierung übergangen. Einig sind sich aber alle Akteure, dass ein Frieden bald her muss. Von Emran Feroz

Von "bedeutenden Fortschritten" sprach Zalmay Khalilzad jüngst nach seiner Rückkehr aus Doha. Khalilzad ist nicht irgendjemand, sondern — im Gegensatz zum afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani — der Mann der Stunde. Der US-Chefunterhändler, der die Friedensgespräche mit den Taliban in Qatar führt, hat selbst afghanische Wurzeln und beeinflusst die amerikanische Politik am Hindukusch seit fast vier Jahrzehnten.

Nach den jüngsten Gesprächen, die immerhin ganze sechs Tage andauerten, könnte ein Abzug der internationalen Truppen – die Hauptforderung der Taliban – bald Realität werden. Berichten zufolge steht ein Abzug der US-Truppen binnen 18 Monate im Raum. Zwei Drittel der rund 22.000 ausländischen Soldaten sind US-Amerikaner.

"Kein Afghane will hier eine dauerhafte Stationierung ausländischer Truppen", sagte Ghani während einer Ansprache direkt nach den Gesprächen in Doha. Kurz darauf bezeichnete der Präsident Khalilzad in einem ausführlichen Interview mit dem afghanischen Privatsender Tolo als einen "Freund". Doch Ghani holte auch aus: "Er ist ein Amerikaner. Ich bin der Präsident Afghanistans", hieß es unter anderem.

Über die Köpfe der Zivilbevölkerung hinweg?

Umso problematischer ist die Tatsache, dass alle Verhandlungen in Qatar ohne Vertreter der afghanischen Regierung stattfanden. Die radikalislamischen Taliban machten mehrmals ihr Desinteresse an den Gesprächen mit Kabul deutlich und meinten, dass man nicht mit einer "Marionetten-Regierung" verhandeln wolle.

Aus diesem Grund hegen viele Afghanen den Verdacht, dass ein Friedensdeal über ihre Köpfe hinweg beschlossen werden könnte und vor allem amerikanischen Interesse bedient, allerdings nicht afghanische. Dies betrifft in erster Linie Afghanistans Polit-Elite, die nun um den Verlust ihrer Macht fürchtet.

US-Präsident Donald Trump besucht hochrangige Vertreter des US-Militärs in Fort Meyer, Arlington; Foto: picture-alliance
"America First" – auch im Afghanistankonflikt: In Kabul wächst die Sorge, die USA könnten ihre Truppen aus Afghanistan abziehen, bevor ein langfristiger Frieden mit den radikalislamischen Taliban erreicht ist. US-Präsident Donald Trump will rund die Hälfte der derzeit in Afghanistan stationierten 14.000 US-Soldaten abziehen. Noch steht dafür aber kein Zeitplan fest. Die USA wollen ihre Gespräche mit den Taliban am 25. Februar in Doha fortsetzen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Ghanis Regierung im Falle eines Truppenabzugs schnell kollabieren würde. Ein Grund hierfür sind nicht nur die Taliban, sondern auch zahlreiche innerafghanische Streitigkeiten zwischen militanten Warlords und korrupten Politikern, die den afghanischen Staat gegenwärtig sehr fragil erscheinen lassen.

Kein Rückzugsort für Al-Qaida und Co.

Die Hauptsorge Washingtons ist eine Entwicklung Afghanistans, wie sie sich in den 1990er Jahren und vor 2001 abspielte, sprich, das Land darf nicht wieder zum Rückzugsort von extremistischen Terrorgruppen wie Al-Qaida werden. Diese Forderung wurde allem Anschein nach auch von den Taliban akzeptiert. Hinzu kommt auch, dass die "terroristische Gefahr" aus Afghanistan oftmals dramatisiert und aufgeblasen wurde.

"Die transnationale terroristische Bedrohung aus Afghanistan wurde schon immer übertrieben dargestellt", meint etwa der afghanische Analyst Borhan Osman von der International Crisis Group. "Seit Jahren beschäftige ich mich mit den teils abstrusen Behauptungen seitens amerikanischer und afghanischer Offizieller, die unter anderem behaupten, dass 20 terroristische Gruppierungen in Afghanistan aktiv seien."

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