Strategie der langsamen Schritte

Auch 30 Jahre nach der islamischen Revolution stellt sich Situation der Frauenrechtsbewegung gravierend dar. Das wird auch am Beispiel der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi deutlich, die jetzt selbst zu einem Justiz-Fall geworden ist. Von Katajun Amirpur

Iranerin vor Khomeini-Bild; Foto:  Foto: Abedin Taherkenareh/dpa
Auch nach 30 Jahren islamischer Revolution beobachten Justiz und Wächterrat mit Argusaugen die Frauenrechtsbewegung, deren Vorstösse sie regelmässig zu blockieren versuchen.

​​Ein harter Schlag für die Frauenrechtsbewegung im Iran: Im vergangenen Dezember war das Beratungszentrum der iranischen Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi von der Polizei in Teheran durchsucht und anschließend geschlossen worden. Computer und andere Unterlagen wurden beschlagnahmt.

In den Räumlichkeiten ihres "Zentrums zur Verteidigung der Menschenrechte" hätte ursprünglich eine Feier zum 60-jährigen Jubiläum der UN-Erklärung der Menschenrechte stattfinden sollen. Das Zentrum betreibe "Propaganda gegen das System", hieß es in der offiziellen Begründung der Behörden.

Vorgeschobene Argumente

Doch der eigentliche Grund ist ein anderer. Ebadis Beratungszentrum hatte die Fakten über die Menschenrechtsverletzungen im Iran an die Vereinten Nationen weitergegeben. Diese Informationen fanden sich in der darauffolgenden UN-Resolution gegen den Iran wieder.

Ebadi hat jetzt eine Klage gegen die Zwangsschließung ihres Büros in Teheran angekündigt. Außerdem solle in einem Schreiben an Justizminister Ayatollah Mahmud Haschemi Scharudi gegen die "Rechtsverletzung" protestiert werden.

Shirin Ebadi, Abdolfattah Slotani und Journalisten in Teheran; Foto: AP
Betroffenheit nach der Schließung ihres "Zentrums zur Verteidigung der Menschenrechte": Shirin Ebadi im Gespräch mit Journalisten in Teheran.

​​Seit mehreren Jahren setzt sich die iranische Anwältin Shirin Ebadi für Rechte von Frauen in ihrem Land ein. Für ihre Leistungen erhielt sie als erste muslimische Frau im Jahr 2003 den Friedensnobelpreis. Das Preisgeld hat Ebadi dazu verwendet, das Beratungszentrum für Menschenrechte zu gründen. Ihre Mitarbeiter verhalfen dort unter anderem Frauen zu einem neuen Bewusstsein.

"Ein solches Bewusstsein entwickelt sich nicht über Nacht", so Ebadi. "Das ist ein langwieriger Prozess. Heute findet die Stimme der Frau in der iranischen Gesellschaft ein größeres Echo als vor 30 Jahren. Mittlerweile gibt es viele gute Bücher und Zeitschriften über die Situation der Frauen, die aus Protest gegen die Ungleichheit von Mann und Frau geschrieben wurden. Diese Bücher werden jetzt heiß diskutiert."

Die Probleme der Frauen im Iran liegen vor allem im rechtlichen Bereich, davon ist Shirin Ebadi überzeugt: "Wir haben Gesetze, die ungleiche Rechte zwischen Mann und Frau festlegen. So kann zum Beispiel ein Mann mehrere Frauen heiraten. Er kann sich von seiner Ehefrau ohne deren Einverständnis scheiden lassen. Nach der Scheidung liegt das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder bei dem Mann, nicht bei der Frau. Das alles sind rechtliche Diskriminierungen."

Die "Eine Millionen Unterschriften-Kampagne"

Frauen demonstrieren für ihre Rechte in Teheran; Foto: DW
Widerstand gegen männerdominierte Gesellschaft - Frauen demonstrieren für ihre Rechte in Teheran.

​​Im Sommer 2006 startete Shirin Ebadi eine Kampagne für Frauenrechte im Iran mit dem Ziel, eine Million Unterschriften zu sammeln. Diese waren nämlich die Voraussetzung dafür, dass das iranische Parlament mit einer entsprechenden Gesetzesinitiative beschäftigt. Seit dem Start der Kampagne vor zwei Jahren wurden 43 Aktivistinnen vorgeladen, zehn von ihnen mussten ins Gefängnis.

Doch die Frauenrechtlerinnen haben auch Erfolge vorzuweisen: Etwa ein Jahr lang hatte eine Gesetzesvorlage im Iran für öffentliche Empörung gesorgt. Das künftige Gesetz sah vor, dass Männer für eine Heirat mit der zweiten Ehefrau keine Erlaubnis der ersten Ehefrau mehr benötigen.

Nach starken Protesten wurde die Gesetzesinitiative schließlich zurückgezogen. Ein hart erkämpfter Erfolg, der zeigt, dass die Aktivistinnen durchaus einiges gegen das konservative Establishment bewirken können, so die iranische Rechtsanwältin Shirin Ebadi.

Auch durch die derzeitigen Repressionen lässt sich die 61-jährige nicht einschüchtern. Sie hat schon mehr ausgehalten – Einzelhaft im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis beispielsweise.

Trotzdem hat Shirin Ebadi nicht vor, den Iran zu verlassen, da sich ihrer Bedeutung für die iranische Frauen und die Menschenrechtsbewegung zu bewusst ist.

Katajun Amirpur

© Deutsche Welle 2009

Katajun Amirpur ist promovierte Islamwissenschaftlerin und Journalistin. Sie ist Autorin des Buchs "Gott ist mit den Furchtlosen. Schirin Ebadi - die Friedensnobelpreisträgerin und der Kampf um die Zukunft Irans", erschienen im Herder-Verlag.

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Die Juristin Shirin Ebadi gilt als couragierte Kämpferin für die Rechte von Frauen und politisch Verfolgten in Iran, wie den iranischen Schriftsteller Faraj Sarkuhi, den sie nach zwei Jahren Haft aus dem Gefängnis frei bekam. Sarkuhi beschreibt den Werdegang seiner früheren Anwältin und heutigen Friedensnobelpreisträgerin, deren Auszeichnung auch eine politische Signalwirkung für Iran bedeutet.

Buchtipp
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Der Kampf für Menschenrechte und Demokratie wird in Iran schon seit langem geführt. Eine seiner Vorkämpferinnen, Schirin Ebadi, die erste muslimische Friedensnobelpreisträgerin, steht im Mittelpunkt des Buches von Katajun Amirpur "Gott ist mit den Furchtlosen". Wera Reusch hat es gelesen.