Beispielhaft für die islamische Welt

Sowohl in Iran, als auch in der Diaspora nehmen Frauen einen immer stärkeren Anteil an der Demokratiebewegung des Landes ein - so das Fazit auf einer Tagung iranischer Frauen im Berliner Haus der Kulturen.

Sowohl in der Islamischen Republik Iran, als auch in der Diaspora nehmen Frauen inzwischen einen immer stärkeren Anteil an der Demokratiebewegung des Landes ein - so das Fazit auf einer Tagung iranischer Frauen im Berliner Haus der Kulturen. Sabine Ripperger berichtet

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Iranerinnen feiern Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi in Teheran

​​Frauenrechte sind Menschenrechte - dieses Verständnis hat Christina Thürmer-Rohr, Professorin an der TU Berlin und Gründerin des Studienschwerpunktes Frauenforschung durch ihre wissenschaftliche Arbeit weltweit befördert.

Von ihr ließen sich rund 700 Iranerinnen, die Situation der Frauen in Deutschland erläutern: Trotz mancher Erfolge würden die optimistischen Erwartungen der heutigen Mädchen im Laufe des Lebens gedämpft: Für Frauen mit Kindern bleibt die berufliche Karriere schwierig. Immer noch verdienen Männer mehr Geld als Frauen obwohl sie vielfach besser ausgebildet sind.

Deutlichere Präsenz in der Öffentlichkeit

In der iranischen Gesellschaft müssen die Frauen die Gleichberechtigung erst einmal zum Thema machen. Nach Einschätzung von Roya Toloui, einer iranischen Kurdin, befindet sich das Land im Übergang von der Tradition zur Moderne.

Roya Toloui, die unmittelbar aus dem Iran zu der mehrtägigen Konferenz in Berlin angereist war, beobachtet eine erstarkende demokratische Frauenbewegung, die jedoch noch einen langen Weg vor sich habe. Inzwischen sei der Anteil der Frauen an der Demokratiebewegung in Iran unverkennbar, die Frauen seien insgesamt auch präsenter geworden.

Optimistisch sei sie auch wegen der Tatsache, dass Begriffe wie "Zivilgesellschaft" bei den Jugendlichen immer mehr Einzug hielten.

Die Zusammenarbeit von Iranerinnen in der Diaspora mit Frauenorganisationen in westlichen Ländern ist nicht immer einfach. Forough Nayeri Tamimi erläuterte am Beispiel der Niederlande ihre Erfahrungen - dem Land, in dem sie seit vielen Jahren lebt:

"Es besteht noch eine große Kluft zwischen farbigen Frauen und weißen europäischen Frauen", so Tamimi, "denn diese betrachten uns immer als Opfer und nicht als aktive emanzipierte Frauen. Das ist ein großes Problem. Aber ich sehe auch positiv, dass wir viele Kontakte zu holländischen Organisationen haben. Die iranischen Frauen sind wirklich gut in die holländische Gesellschaft integriert. Sie haben Jobs. Sie studieren in allen Wissenschaftsgebieten. Und sie sind aktiv. Wir haben aber auch gute Beziehungen zu iranischen Frauen in unserer Heimat, und wir helfen ihnen, an Konferenzen, Seminaren usw. im Ausland teilzunehmen", erklärt die Frauenaktivistin.

Kontakte gibt es auch zu Flüchtlingsorganisationen und zu arabischen Frauenorganisationen, so Tamimi. Sie erhalten Informationen, wie die Frauen besser in die Gesellschaft integriert werden können und ihnen wird im Alltagsleben geholfen.

Integriert und politisch aktiv

Forough Tamimi sieht jedoch Unterschiede zu den beispielsweise in Holland lebenden arabischen Frauen. Aufgrund der Tatsache, dass die meisten iranischen Frauen aus politischen Gründen aus ihrer Heimat flüchten mussten, seien sie auch aktiver und stärker in die Gesellschaft involviert.

So sitze beispielsweise eine Iranerin für die Grünen im holländischen Parlament. In den Universitäten, Hochschulen, in den Sozialbüros arbeiteten iranische Frauen. Diese Frauen seien gebildet und emanzipiert und sprächen sich überwiegend gegen einen fundamentalistischen Staat in Iran aus und gegen ein traditionelles Leben.

Sie hätten moderne Vorstellungen vom Leben, von Individualität, von Heirat und Kindererziehung, so die in den Niederlanden lebende Forough Nayeri Tamimi.

Ähnliche Wertvorstellungen finden sich auch bei den anderen, in westlichen Ländern lebenden Iranerinnen.

Frauenforscherin Christiane Thürmer-Rohr setzt auch künftig auf Dialog, dass die Menschen miteinander sprechen und sich nicht nur ihre Vorurteile gegenseitig vorhalten:

"Wir haben überhaupt nur eine Chance, wenn wir kooperieren, wenn wir in unseren verschiedenen Ansichten und Herkünften usw. zusammenarbeiten und das ist auch das einzige, was eigentlich auch überhaupt interessant ist in der jetzigen Welt", Thürmer-Rohr. "Ich kann einfach nicht davon berichten, dass das in einem großen Ausmaß geschieht, aber ich würde schon sagen, dass die Bereitschaft bei sehr vielen Frauen da ist", meint die Frauenforscherin der TU Berlin.

Wachsendes Selbstbewusstsein

Susan Rakhsh aus Norwegen betonte, dass heute viele iranische Frauen bereit seien, die Auseinandersetzung zwischen Islam und Moderne zu führen - in Iran stärker als in anderen islamischen Ländern. Die neue Generation sei zunehmend nicht mehr bereit, die islamischen Gesetze zu akzeptieren.

Kritische und aktive Nichtregierungsorganisationen - früher etwas Unbekanntes im Iran - seien in den vergangenen zehn Jahren entstanden. Frauen trügen das Kopftuch heute anders, lockerer, teils geblümt. An den Universitäten studierten mittlerweile in manchen Fächern mehr Frauen als Männer.

Jedoch sei der Anteil der Frauen, die einen Job hätten noch gering, denn der Arbeitsmarkt liege nach wie vor in den Händen der Männer.

Die Veränderungen in Iran sind unübersehbar, so Susan Rakhsh. Auch wenn sich die Aktivistinnen der iranischen Frauenbewegung - wie die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi - meist nicht als Feministinnen bezeichnen, sie treten engagiert und mutig für Frauen- und Bürgerrechte ein.

Es werden immer mehr und es sind vor allem auch muslimische Frauen, die sich engagieren. Darin sieht die in Norwegen lebende Iranerin, ein Bespiel für die aktuelle Entwicklung der gesamten Frauenbewegung im Nahen und Mittleren Osten.

Sabine Ripperger

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004

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