NAZO bietet Hilfe zur Selbsthilfe

Die deutsche Filmemacherin Elke Jonigkeit lernte während ihrer Dreharbeiten in Afghanistan die schwierige Situation der einheimischen Frauen hautnah kennen. Durch den Verein NAZO will sie die Frauen unterstützen.

Die deutsche Filmemacherin Elke Jonigkeit lernte während ihrer Dreharbeiten in Afghanistan die schwierige Situation der einheimischen Frauen hautnah kennen. Durch den Verein NAZO will sie die Frauen und damit den Wiederaufbau des Landes unterstützen. Sigrid Dethloff berichtet

Renoviertes Ausbildungszentrum von NAZO in Afghanistan, Foto: NAZO
Renoviertes Ausbildungszentrum von NAZO in Afghanistan

​​Allein in diesem Jahr sind bei Kämpfen und Anschlägen in Afghanistan mindestens 400 Menschen ums Leben gekommen. Dennoch ist die mediale Aufmerksamkeit stark zurückgegangen. Andere Länder, wie der Irak, sind in den Vordergrund getreten.

Zudem haben Bilder von Schießereien und Unruhen in Afghanistan viele Geldgeber, darunter auch Hilfsorganisationen, verunsichert. Sie halten versprochene Gelder für den Wiederaufbau zurück.

Selbständigkeit fördern

Das Projekt NAZO der deutschen Filmemacherin Elke Jonigkeit will dem entgegenwirken. Konzipiert als ein Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekt will NAZO das Selbstbewusstsein afghanischer Frauen stärken und ihre Selbständigkeit fördern.

Der Name NAZO leitet sich von der afghanischen Dichterin Nazo Tohay ab. Sie lebte um 1700 und führte eine nationale Bewegung an, die zur Gründung Afghanistans beitrug.

Elke Jonigkeit dreht seit 1985 Dokumentarfilme in Afghanistan. Ihr letzter Film "Die Frauen von Kabul - Sterne am verbrannten Himmel" (2002) brachte sie auf die Idee, gemeinsam mit den afghanischen Frauen, mit denen sie gedreht hatte, NAZO zu gründen. Sie hat sich viele Lebens- und Leidensgeschichten angehört und dabei im Laufe der Zeit ein schlechtes Gewissen entwickelt, weil sie den Menschen nie etwas zurückgeben konnte, sagt die Filmemacherin.

Männer beherrschen den Alltag

Unter dem Namen NAZO arbeiten zwei Vereine. Im Mai 2002 gründete sich in Kabul der Verein "NAZO Afghanistan" und im Januar 2003 in Nordrhein-Westfalen "NAZO Deutschland e.V." In Deutschland veranstaltet der Verein Filmvorführungen, Ausstellungen, Vorträge, Lesungen oder auch afghanische Modenschauen.

Elke Jonigkeit beschafft die Gelder, die "NAZO Afghanistan" vor Ort benötigt, um Projekte zur Selbsthilfe professionell durchführen zu können. Die Frauen in Kabul, die die Schrecken des Krieges, Bürgerkrieges und der Taliban erleben mussten, verfügen über die nötigen Kenntnisse und die Sensibilität, um erkennen zu können, was in ihrem Land machbar ist.

Der afghanische Alltag wird noch immer vom Mann bestimmt. Er entscheidet als Vater, Bruder, Ehemann oder Sohn, was die Frau tun darf und was nicht.

Das kann so weit gehen, dass sie ihr Leben lang das Haus nicht verlassen darf, weder um einzukaufen, noch um einen Arzt aufzusuchen, in die Schule zu gehen oder einen Beruf auszuüben. Und schon gar nicht, um eine Teestube zu besuchen. Vor Gericht ist ihre Stimme nur die Hälfte wert. Zwei Frauenstimmen wiegen so viel wie eine Männerstimme.

Die Analphabetenrate bei Frauen liegt noch immer über 90 Prozent. Eine Frau bekommt im Durchschnitt sieben Kinder, doch 30 Prozent der Frauen überleben Schwangerschaft und Geburt nicht. 80 Prozent der Kinder sind unterernährt, und fast jedes zweite von ihnen stirbt.

Frauen sind das Rückrat der Nation

Nähkurs im NAZO Ausbildungszentrum, Foto: NAZO
Nähkurs im NAZO Ausbildungszentrum

​​Trotz aller Unruhen hat es laut Elke Jonigkeit noch nie eine so hoffnungsvolle Zeit in diesem Land gegeben. Gerade deshalb müssen die Frauen Afghanistans gestärkt werden. Sie bilden in den Augen Jonigkeits das Rückgrat der Nation.

Nur wenn die Frauen in die Lage versetzt werden, sich und ihre Familien selbst zu ernähren und sich aus ihrer Abhängigkeit vom Mann zu befreien, kann das Land den Wiederaufbau schaffen. NAZO will dafür wichtige Vorraussetzungen schaffen, indem es den afghanischen Frauen Bildung und Qualifizierung ermöglicht.

"NAZO Deutschland" und "NAZO Afghanistan" haben in rund zwei Jahren ein Ausbildungszentrum aufgebaut, in dem vor allem Schneiderinnen ausgebildet werden. Bald sollen weitere Lehrgänge angeboten werden, wie zum Beispiel Schmuck-Design.

Es werden kaufmännische Schulungen, die speziell auf den afghanischen Alltag zugeschnitten sind, angeboten, damit die Frauen später ein eigenes Geschäft eröffnen können. Gesundheits-, Hygiene- und Rechtsberatungen runden das Programm ab. Auch ein Kindergarten ist gerade eingerichtet worden.

Die Rolle der Frau in der Gesellschaft soll sich wandeln. Afghaninnen sollen erkennen, dass ihr eigenes Wohl und das ihrer Familie in ihren Händen liegen, und dass sie ihr Leben selbst gestalten können.

Sigrid Dethloff

© Qantara.de 2004

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Circe-Film GmbH gegründet, von Elke Jonigkeit und Hartmut Kaminski