Die Rebellin unterwirft sich

Frankreichs aufmüpfige Rapperin Diam's, die Stimme der Pariser Vorstadtjugend, sucht ihr Heil nicht mehr in der Rebellion, sondern im Islam. Das verstört nicht nur Frankreichs Feministinnen. Einzelheiten aus Paris von Axel Veiel

Frankreichs aufmüpfige Rapperin Diam's, die Stimme der Pariser Vorstadtjugend, sucht ihr Heil nicht mehr in der Rebellion, sondern im Islam. Das verstört nicht nur Frankreichs Feministinnen. Einzelheiten aus Paris von Axel Veiel

Diam's; Foto: diams-lesite.com/Xavier de Nauw
Von der Pariser Vorstadt-Göre zum gefeierten Hip-Hop-Star der arabischen Einwanderer-Communities: die französische Rapperin Diam's

​​Diam's ist eine Stimmakrobatin. Wie sie in ruppigem Stakkato, dann wieder in gefälligem Ligato ihrer Wut und ihrer Trauer Luft macht – das hat etwas. In Anlehnung an ihren Song "I am somebody", einer auf ihrem neuen Album "SOS" abgelegten, gut zehnminütigen Lebensbeichte, könnte man auch sagen: Diam's ist jemand.

Seit zwei Jahren gilt die 1,68 Meter kleine Frau mit dem Kurzhaarschnitt und dem Lausbubenlächeln als Frankreichs größte Rapperin. Mit dem Album "Dans ma Bulle" hatte die Pariser Göre aus der Vorstadt 2007 die Männerdomäne des Rap gestürmt und in Frankreich mehr Platten verkauft als jeder andere Musiker.

Die Jugend jubelt ihr seither zu. Vor allem die an den Rand der Metropolen gedrängten Nachfahren arabischer oder subsaharischer Einwanderer feiern den Hip-Hop-Star.

Aufschrei der sozial benachteiligten Jugend

Halb Französin, halb Zypriotin, bot sich die mit bürgerlichem Namen Mélanie Georgiades heißende Rapperin als Identifikationsfigur an. Sie sang sich ihren Frust über das Leben in den Wohnsilos von der Seele, rief auf zur Revolte – eine freie Frau, eine erfolgreiche Immigrantin, die weniger freien, weniger erfolgreichen Altersgenossinnen und -genossen Mut machte.

Auch im Ausland horchte man auf. Aufmerksam registrierte die internationale Hip-Hop-Gemeinde, dass Rap in Frankreich noch ist, was er in den USA einmal war: ein Aufschrei benachteiligter, in Ghettos aufwachsender Jugendlicher.

Ein Banlieu in Paris, Foto: AP
Für die Generation der sozial benachteiligten, in Ghettos aufgewachsenen Jugendlichen stellt Diam's mit ihrer Musik bis heute ein Sprachrohr und großes Vorbild dar.

​​Jetzt hat die 29jährige ein neues Album herausgebracht. Musikalisch ist die vor kurzem erschienene CD der alten ebenbürtig. Und doch ist alles anders. Teenies, die eben noch so wie Diam's werden wollten, halten erschrocken inne. Feministinnen, die sie auf den Schild gehoben haben, rufen: Verrat!

Diam's streitet nicht mehr für Freiheit und Gleichberechtigung, sondern für die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau. "Weil man niemals die Rollen ändern wird", wie sie im Song "Asphaltrose" versichert. Wenn der Ehemann eine Kalaschnikow sei, so singt sie weiter, sei sie selbst gerne die Schulter.

Was den Anhang aber besonders schockt: Die Rapperin handelt auch danach. Das Magazin "Paris Match" hat die Anfang 2000 zum Islam übergetretene Frau im Oktober vor einer Moschee abgelichtet. Ganz in Schwarz steht sie da, verhüllt bis auf Augen, Nase, Mund und Kinn.

Jene Diam's, die eben noch für Frauenrechte stritt und ihre "Generation Non Non" zum Widerstand gegen das andere Frankreich aufgerufen hat, das "die Armen verrecken lässt, die Eltern ins Hospiz steckt und den Beaujolais feiert".

Trost für eine kranke Seele

"Diam's' Schleier ist ein Rückschritt, eine Niederlage", empört sich die Schriftstellerin Djemila Benhabib und erinnert daran, dass der Islam Polygamie und eheliche Gewalt erlaube.

Die Frauenrechtsorganisation "Weder Huren noch unterwürfig" beklagt eine "traurige Botschaft an eine ganze Generation". Und eine in der Pariser Vorstadt Créteil unterrichtende Lehrerin erzählt im Schutze der Anonymität, dass 16-, 17jährige Mädchen den Kopf schüttelten. "Diam's hat nichts kapiert", laute das Urteil.

Diam's; Foto: diams-lesite.com
Will sich weder in ihren religiösen Lebensstil reinreden noch von von irgendwem belehren lassen: Mélanie Georgiades aka Diam's

​​"Die Ärzte haben meine Seele nicht heilen können, also habe ich mich der Religion zugewandt", bescheidet die Rapperin ihren Kritikern. Dass sie seelisch verwundet war, hatte sie schon offenbart, als ihr die Religion noch nicht viel bedeutete.

Als Scheidungskind war sie mit der Mutter 1984 nach Frankreich gekommen und ohne Vater aufgewachsen. "Ich war ein Mädchen, das vom Leben nichts mehr erwartete, in meinem Schulmäppchen war Wut", singt Diam's dazu.

Mit 15 versuchte sie, sich umzubringen. Im Rap fand sie Rettung, bis sie Opfer ihres Erfolgs wurde, bis sie dem Druck der Fans, der Paparazzi, des Musikmanagements nicht mehr gewachsen war. Fast ein Jahr lang suchte sie Hilfe bei Psychiatern. Dann wandte sie sich Allah zu.

Dazu steht sie. Nicht einmal mehr Fragen zu ihrem neuen religiösen Lebenswandel lässt sie zu. Sie hat den Kontakt zu Journalisten abgebrochen. Sie will sich nicht verbiegen lassen. Wenn sie sich einst Diam's genannt habe, dann schließlich deshalb, "weil Diamanten so hart sind, dass sie höchstens durch andere Diamanten gebrochen werden können".

Axel Veiel

© Neue Zürcher Zeitung 2010

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