Geschäfte mit dem Tod

Einige Staaten der Europäischen Union liefern seit Jahren Waffen nach Israel und in den Libanon. Der Verhaltenskodex der EU zum Waffenhandel wird dabei umgangen. Einzelheiten von Thomas Jackson

Israelische Panzer an der Grenze zum Gaza-Streifen; Foto: AP
Das Fehlen internationaler Kontrollen wird EU-Waffenexporte in Länder mit Menschenrechtsverletzungen auch weiterhin ermöglichen

​​Im Verlauf der Kämpfe zwischen Israel und Libanon mussten bereits hunderte Menschen ihr Leben lassen. Die Bürger der Europäischen Union reagieren bestürzt.

Jedoch billigen die Staaten der EU seit Jahren, dass Waffen nach Israel und in die umliegenden Staaten geliefert werden – ungeachtet der Bedenken, dass diese Waffen die Stabilität der Region gefährden und Menschenrechtsverletzungen mit sich bringen könnten.

Die Statistiken der Abteilung für Handel der Vereinten Nationen (Comtrade) sowie die jährlichen Exportberichte der betroffenen Staaten zeigen, dass mehrere EU-Regierungen den Export von Maschinengewehren und Bomben in die Region erlaubt haben.

Waffen im Wert von mehreren Millionen Dollar

Großbritannien ließ zwischen Januar und März 2006 den Export von Militärausrüstungen im Werte von zwei Millionen Pfund nach Israel zu, darin befanden sich Bestandteile für militärische Transporthelikopter und U-Boote.

2004 umfassten die Lieferungen aus EU-Staaten nach Israel folgende Transaktionen: Aus der Tschechischen Republik wurde ein Mi 24D-Hubschrauber geliefert - aus Deutschland Munition für Handfeuerwaffen im Wert von über 200.000 Dollar - aus Österreich Einzelteile und Zubehör militärischer Waffen für etwa 380.000 Dollar. Italien exportierte Revolver und Pistolen im Wert von etwa 470.000 Dollar und 340.000 Dollar Munition in den Libanon.

Obwohl diese Lieferungen erheblich sind, kommen sie dem Gesamtwert des legalen Handels bei weitem nicht nahe. Im Unterschied zu den Staaten der EU machen Israel und der Libanon keine Angaben über ihre Waffenimporte. Ermittler müssen sich deshalb auf die Angaben der Exportländer verlassen – und die sind meist unvollständig.

In der Tat ist mangelnde Transparenz ein Hauptproblem bei der Kontrolle des Waffenhandels. Doch selbst wenn Angaben über Waffentransporte in die relevanten Länder verfügbar sind, bleibt noch immer ungewiss, für welche Zwecke jene Waffen verwendet werden. Landen sie in den Händen von Zivilisten oder beim Militär?

Kodex ohne Konsequenzen

Abseits dieses Geschehens existiert in der Europäischen Union seit 1998 ein Instrument, durch das Waffenhandel kontrolliert werden kann. Der "Verhaltenskodex" für Waffenhandel wurde entworfen, um die Maßstäbe, die bei der Entscheidung über Waffenexporte gelten, zu vereinheitlichen.

Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, keine Lizenzen für Waffenexporte zu vergeben, wenn diese in den Empfangsländern zu Verletzungen der Menschenrechte, zu Unterdrückung und Aggression gegen andere Länder führen können oder wenn die Stabilität der Region gefährdet ist.

Die Abmachung fordert die Staaten auch auf, die Haltung des Empfangslandes gegenüber Terrorismus und Respektierung des Völkerrechts zu beurteilen.

Doch der Kodex ist nicht rechtsverbindlich. Er verpflichtet die einzelnen Mitgliedsstaaten nicht, entsprechende Gesetze zu erlassen. Häufig lassen Unklarheiten über den Waffenhandel und den Kodex den EU-Staaten Raum, die Bestimmungen zu umgehen.

Gefährliche Schlupflöcher

Die vagen Formulierungen des Kodexes gewähren den Mitgliedsstaaten eine recht freie Interpretation. Außerdem umfassen die EU-Bestimmungen nicht alle Arten miltiärischer Ausrüstung, Technologien und Komponenten.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass man nur wenig darüber weiß, wer die Waffen letztlich benutzt. Sie könnten schließlich für eine Nutzung durch Zivilisten bestimmt sein. Deshalb ist es schwierig zu beweisen, dass Waffenexporte aus EU-Ländern zu Menschenrechtsverletzungen führen.

Diese Mängel des Verhaltenskodexes und das Fehlen internationaler Kontrolle werden Waffenexporte aus der EU in Länder, in denen Menschenrechte verletzt werden könnten, weiterhin ermöglichen.

Während der Kodex eine Verschärfung vertragen könnte, wird auf lange Sicht nur eine rechtsverbindliche und international einheitliche Reihe von Bestimmungen die Lösung bringen.

Ein internationales Abkommen über den Waffenhandel würde auf dem Völkerrecht basieren und somit eine Verurteilung von Verstößen erleichtern. Eine höhere Transparenz ermöglicht dagegen angemessene Untersuchungen.

Thomas Jackson

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​​© Café Babel 2006

Übersetzung aus dem Englischen: Sabine Altendorf

Qantara.de

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