Afghanistan - ein ethnisches Mosaik

Systematische Verfolgung durch die Taliban: Nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul fürchten die Hazara erneut Verfolgung und Massaker an ihrer Minderheit.
Systematische Verfolgung durch die Taliban: Nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul fürchten die Hazara erneut Verfolgung und Massaker an ihrer Minderheit.

Unter den 40 Millionen Afghanen gibt es keine ethnische Gruppe, die über eine entscheidende Mehrheit verfügt. Das hat zur Folge, dass im Grunde alle Gruppen mit ethnischer Verfolgung rechnen müssen. So steht es im "Peoples under Threat Index" der Beobachter von "Minority Rights Group International".

Kabul - Die ethnische Vielfalt am Hindukusch birgt seit mehr als einem Jahrhundert starken politischen Zündstoff. Das dürfte auch bei der Bildung einer neuen Regierung nach der Machtübernahme der Taliban eine Rolle spielen.



Unter den 40 Millionen Afghanen gibt es keine ethnische Gruppe, die über eine entscheidende Mehrheit verfügt. Das hat zur Folge, dass im Grunde alle Gruppen mit ethnischer Verfolgung rechnen müssen. So steht es im "Peoples under Threat Index" der Beobachter von "Minority Rights Group International". Hier wurde Afghanistan auf den viertletzten Platz gesetzt.



Paschtunen:



Mit mehr als 42 Prozent der Bevölkerung sind die Paschtunen die größte ethnische Gruppe in Afghanistan. Die Paschtunen sind mehrheitlich sunnitische Muslime, die Paschtu sprechen. Sie haben seit dem 18. Jahrhundert eine vorherrschende Rolle in der afghanischen Politik.



Viele paschtunische Herrscher haben ihrer Ethnie sogar ein "Recht zum Regieren" zugeschrieben, was ihnen die Missgunst anderer Gruppierungen eintrug. Die Taliban, die nun erneut in Kabul die Macht übernahmen, entstammen den Paschtunen. Selbst in der Zeit, als die USA am Hindukusch das Sagen hatten, standen mit den Präsidenten Hamid Karsai und Aschraf Ghani zwei Paschtunen an der Spitze des Landes.



Tadschiken:



Die Tadschiken sind die zweitgrößte ethnische Gruppe. Sie stellen gut ein Viertel der Bevölkerung. Die wichtigste Sprache der Tadschiken ist ein Dialekt des Persischen, der Dari heißt und in Afghanistan als Standard-Sprache dient.



Die Tadschiken leben vor allem im Norden und Westen des Landes, mit Schwerpunkten im Pandschirtal, der westlichen Stadt Herat und einigen nördlichen Provinzen. Das Pandschirtal wurde berühmt, weil von dort aus Widerstand gegen das sowjetische Militär in den den 1980er Jahren, aber auch gegen die Taliban-Herrschaft geleistet wurde.



Die Tadschiken sind politisch nicht vorherrschend, haben aber einige prominente Führungsfiguren hervorgebracht. Der Mudschahedin-Führer Ahmed Schah Massud - der "Löwe des Pandschirtals" - führt diese Liste an. Aus den Reihen der Tadschiken stammt auch Burhanuddin Rabbani, der von 1992 bis 1996 Präsident war.



Hasara:



Die Hasara, die vermutlich aus Zentalasien und von turksprachigen Völkern abstammen, stellen rund zehn Prozent der Bevölkerung. Sie leben vor allem im Zentrum des Landes, sprechen einen Dari-Dialekt und sind vorwiegend schiitische Muslime. Sie wurden aus religiösen und ethnischen Gründen seit mehr als einem Jahrhundert verfolgt. Die Verfolgung verschärfte sich unter den Taliban, denn sie sehen in den Schiiten Ungläubige. Extremistengruppen wie der Islamische Staat gingen so weit, Schulen und Krankenhäuser mit Bomben anzugreifen.



Usbeken:



Auch zu den Usbeken zählen rund zehn Prozent der afghanischen Bevölkerung. Sie leben vor allem im Norden des Landes, nahe der Grenze zu Usbekistan. Die Usbeken sind ein Turkvolk und mehrheitlich sunnitische Muslime. Der berühmteste afghanische Warlord ist der Usbeke Abdul Raschid Dostum, der mit den Sowjets gegen die Mudschahedin kämpfte, bevor er die Seiten wechselte und sein eigenes Machtzentrum in Masar-i-Scharif einrichtete. Dostum half den USA bei der Beendigung der Taliban-Herrschaft in Afghanistan 2001. Später schloss er sich der Regierung Ghanis als erster Vize-Präsident an.



Andere Ethnien:



Mit der afghanischen Verfassung von 2004 wurden mehr als ein dutzend Ethnien anerkannt. Zusätzlich zu den vier größten Gruppen sind dies etwa die nomadisch lebenden Aimak, die Turkmenen und die Balosch sowie die Nuristani im Nordosten des Landes, die im 19. Jahrhundert zum Islam zwangskonvertiert wurden. (AFP)

 

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