Handel mit vielen Hindernissen

Zum ersten Mal haben die Bundesrepublik und weitere Staaten der Europäischen Union mit Hilfe des sogenannten Instex-Mechanismus die von den Vereinigten Staaten gegen den Iran verhängten Sanktionen umgangen. Von Birgit Svensson aus Kairo

Von Birgit Svensson

Es war längst überfällig. Das erste Instex-Geschäft ist nun abgeschlossen. Ein kleines, wie es aus Insiderkreisen in Teheran heißt, aber immerhin. Seit gut einem Jahr besteht die Agentur der Europäer, die die Sanktionen der US-Amerikaner gegen den Iran umgehen soll. Doch geschehen war bislang nichts.

Jetzt endlich konnten von Frankreich, Deutschland und dem Vereinigten Königreich aus medizinische Geräte in das schwer von der Corona-Pandemie betroffene Land geliefert werden. Nachdem das erste Geschäft abgeschlossen sei, werde Instex "an weiteren Transaktionen arbeiten und den Mechanismus weiterentwickeln", ist man im Auswärtigen Amt in Berlin zuversichtlich.

Das "Instrument zur Unterstützung von Handelsaktivitäten" (Instrument in Support of Trade Exchanges, Instex) diene dem Zweck, im Rahmen der laufenden Bemühungen um die Aufrechterhaltung des sogenannten Atomabkommens mit Teheran "eine langfristig tragfähige Lösung für den rechtmäßigen Handel zwischen Europa und Iran zu gewährleisten".

Finanzspritzen für die angeschlagene Wirtschaft

Bereits am 14. März hatte der Sprecher des iranischen Außenministeriums verkündet, dass Teheran medizinische Ausrüstung oder finanzielle Unterstützung aus Ländern wie China, Japan, Qatar, Russland und der Türkei sowie Frankreich, Deutschland und Großbritannien erhalten habe. Die iranische Regierung und Bevölkerung "vergessen in Zeiten der Not niemals ihre Freunde", sagte der Sprecher damals.

Die Islamische Republik Iran gehört – neben Italien, Spanien und den USA – zu den derzeit am schwersten von der Pandemie betroffenen Ländern weltweit. Nach Angaben der Regierung in Teheran haben sich mittlerweile mehr als 58.000 Menschen mit dem neuartigen Coronavirus infiziert, mehr als 3.600 Menschen starben an der Lungenkrankheit Covid-19 nach dem Stand vom 6. April. Die Dunkelziffer dürfte aber erheblich höher liegen.

Instex-Logo; Quelle: DW
Instex – ein zahnloser Tiger gegen die Sanktionspolitik der US-Amerikaner? Die Europäer hatten Instex gegründet, um Firmen vor Sanktionen zu schützen, die die USA nach ihrem einseitigen Ausstieg aus dem Atomabkommen gegen den Iran verhängt haben und die auch ausländische Unternehmen treffen. Ziel ist es, den Handel mit dem Iran zumindest in Teilen aufrechtzuerhalten und damit die Atomvereinbarung zu retten. In einer ersten Phase sollen über Instex nur humanitäre Güter in den Iran geliefert werden, später dann auch andere Produkte. Ursprünglich sollte Instex bereits im vergangenen Sommer die erste Transaktion abwickeln.

Nicht weniger als die Rettung des Atomabkommens sollte das von der EU erdachte Instrument leisten, nachdem US-Präsident Donald Trump 2018 einseitig ausgestiegen war. Über Instex sollte der Zahlungsverkehr bei Iran-Geschäften abgewickelt werden. Firmen sollten so vor US-Sanktionen geschützt werden. Es waren große Worte für einen verzweifelten Versuch der Europäer, den Amerikanern die Stirn zu bieten und die jahrelangen Bemühungen und Hoffnungen auf bessere Beziehungen zum Iran doch noch aufrecht zu erhalten.

Tauschbörse als Hängepartie

Instex hat seinen Sitz in der Rue de Bercy 139 in Paris. Ein Brite ist der Manager, ein Deutscher der Präsident. Ansonsten sitzen Ministerialbeamte der drei Außenministerien im Aufsichtsrat. Sechs weitere Staaten sind Ende November der Agentur beigetreten: Belgien, Dänemark, Finnland, Holland, Norwegen und Schweden. Allerdings halten sich einige von ihnen eher bedeckt - aus Angst vor den Amerikanern.

Michael Bock ist der Präsident und ein krisenerprobter Diplomat. Als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland war der 66-Jährige in Kairo, als dort der Arabische Frühling ausbrach, Langzeitherrscher Husni Mubarak gestürzt wurde und der Aufstand für Demokratie und Bürgerrechte schließlich scheiterte.

Er erlebte später in Kolumbien, wie die Rebellenorganisation FARC sich mit der Regierung einigte und einen zerbrechlichen Frieden aushandelte. Als Pensionär fragte man ihn, ob er sich zutraue, Instex zum Leben zu erwecken. Michael Bock sagte Ja, ohne genau zu wissen, worauf er sich einließ.

"Mittlerweile ist dies ein Rund-um-die-Uhr-Job mit ungewissem Ausgang und ständigen Hängepartien", so Bock. Selbst von Corona blieb der Präsident von Instex nicht verschont. Allerdings erwischte ihn das Virus nicht im Iran, wo er in letzter Zeit öfters hinreiste, sondern in Paris, wo er häufig zu Konsultationen weilt. Nach drei Wochen Quarantäne und einigen Hamsterkäufen sei er inzwischen aber wieder genesen und die Arbeit könne weitergehen. Ob Instex den Niedergang der iranischen Wirtschaft abfangen könne, wagt Bock indes zu bezweifeln. Denn der Schaden sei schon jetzt enorm hoch.

Irans gelähmte Ökonomie

Die US-Regierung von Präsident Donald Trump hatte im Mai 2018 das internationale Abkommen mit dem Iran zur Kontrolle von dessen Atomenergieprogramm gebrochen und wieder drastische Sanktionen gegen das Land verhängt. Humanitäre Hilfsgüter wie Medikamente und medizinische Ausrüstung sind von diesen Sanktionen zwar formal ausgenommen. Jedoch kann der Iran praktisch keine entsprechenden Waren auf dem internationalen Markt kaufen, weil die Banken aufgrund der US-Sanktionen keine Geschäfte mit Teheran absichern wollen.

Leergefegte Straßen in der iranischen Hauptstadt Teheran; Foto: picture-alliance
Fest im Griff der Corona-Pandemie: Der Iran zählt zu den Ländern die im internationalen Vergleich am stärksten vom Virus betroffen ist. Mindestens bis zum 8. April soll im Land der Ausnahmezustand weiter herrschen. Die Devise bis dahin lautet: zu Hause bleiben, Kontakte vermeiden, alte Angewohnheiten vergessen und lernen, das Leben der Corona-Pandemie anzupassen. Präsident Hassan Rohani und das Gesundheitsministerium hoffen, bis dahin die Krise in den Griff zu bekommen - Beobachter halten dieses Vorhaben für unrealistisch. Überschattet wird die Krise noch durch die drakonischen Sanktionen der USA.

In allen Bereichen der Wirtschaft ist eine Verschlechterung zu verzeichnen, doch besonders die medizinische Versorgung leidet. Das Mullah-Regime hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, dass es nicht in der Lage sein werde, sein Öl weiterhin zu verkaufen. Deshalb scheint es derzeit unfähig, auf die eingetretene Situation zu reagieren.

Vor eineinhalb Jahren hat Teheran noch insgesamt 2,5 Millionen Fass pro Tag verkauft. Jetzt liegt der Verkauf bei 300.000 bis 500.000 Fass pro Tag, und selbst das läuft nicht alles über offizielle Kanäle. Die im iranischen Budget bereits eingeplanten Erlöse sind also nicht so hoch ausgefallen wie erwartet.

Auf der Einnahmenseite hat der Iran somit ein massives Problem, und im nächsten Kalenderjahr, das am 21. März begann, sind im Staatsbudget auch keine Einnahmen aus dem Ölgeschäft mehr eingerechnet. Der Effekt der Sanktionen ist also sehr schnell eingetreten. Im Mai 2019 sind die letzten US-Ausnahmegenehmigungen für acht Staaten, die noch Öl importieren durften, gefallen.

Unter amerikanischem Druck

Die Amerikaner machen erheblichen Druck, "maximalen Druck", wie Trump seine Iranstrategie nennt, und legen den gesamten Ölhandel Irans praktisch lahm. Da die europäische Wirtschaft sehr stark mit den USA verflochten ist, wird ein Umgehen der Sanktionen äußerst schwierig.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte es Anfang September versucht und eine Kreditlinie von 15 Milliarden Dollar für den Iran angekündigt, die auf Öllieferungen basieren sollte, aber nie gekommen ist. Denn nur drei Wochen später brannten Ölfelder in Saudi-Arabien. Die US-Regierung machte den Iran für den Angriff verantwortlich. Auch Frankreich, Deutschland und Großbritannien, die Gründer von Instex, hielten den Iran für schuldig. Dass die jemenitischen Huthis den Anschlag in Saudi Arabien verübten, wie sie vorgaben, glaubte niemand.

US-Außenminister Mike Pompeo; Foto: Reuters
Bloße Absichtserklärungen? Die USA sind Außenminister Mike Pompeo zufolge inzwischen grundsätzlich bereit, angesichts der Coronavirus-Pandemie ihre Sanktionen gegen den Iran und andere Staaten zu überdenken. Pompeo erklärte jüngst auf eine Frage von Journalisten, die USA überprüften ständig diese Maßnahmen. "Könnten wir jemals umdenken? Natürlich", sagt er. Pompeo sagte noch am 20. März zu der Frage, die Sanktionen gegen den Iran im Atomstreit beträfen ohnehin nicht medizinische und andere humanitären Güter.

Knapp eine Woche nach den Angriffen auf die Ölanlagen verhängten die USA neue Sanktionen gegen Irans Zentralbank und Staatsfonds wegen angeblicher Finanzierung terroristischer Aktivitäten. "Wir haben jetzt alle Einkommensquellen Irans abgeschnitten", sagte Finanzminister Steven Mnuchin. Die USA warnten alle Regierungen, nicht mehr mit Irans Zentralbank zu kooperieren. Der Deal Macrons mit Teheran war vom Tisch.

Fallender Erdöl-Export

Ob Instex jemals Geschäfte in diesem Umfang wird abwickeln können, bleibt die große Frage. Denn der Agentur bleiben nur noch Tauschgeschäfte, nachdem der Finanztransfer mit Iran durch die internationale Vernetzung und den Einfluss Amerikas fast gänzlich zum Erliegen kam.

Doch für Tauschgeschäfte hat der Iran nicht viel mehr als Öl zu bieten. Das Verhältnis der sonstigen Warenströme bezeichnet der Präsident von Instex als 20 zu 80. Die Europäer exportierten vier Mal mehr in den Iran als von dort importiert wurde. Nur Griechenland und Italien kauften Öl aus dem Iran.

Was sonst noch aus dem Iran kam, war minimal: Perserteppiche aus Isfahan, Pistazien aus Rafsandschan und Kerman, der Provinz, aus der der von den Amerikanern getötete General Qassem Soleimani stammte. "Wir überlegen jetzt, ob wir als Warenvermittler tätig werden können", sagt Michel Bock, "dass wir iranische Medizintechnik, die für den Westen nicht geeignet ist, nach Afrika verkaufen und dafür westliche Produkte in den Iran liefern."

Es würden derzeit verschiedene Modelle angedacht, die aber noch nicht spruchreif seien. Das Problem mit Instex seien aber nicht so sehr die Iraner, sondern die Europäer. Solange Großbritannien im Aufsichtsrat ist, sitzen auch die Amerikaner mit am Tisch. Trotzdem hofft Bock, dass mit dem jetzigen 500.000 Euro-Geschäft ein Anfang gemacht, ein Startschuss gegeben ist für weitere, umfangreichere Deals.

Birgit Svensson

© Qantara.de 2020