Absurdes Theater

Es ist pure Realsatire, die das Land am Nil derzeit beschäftigt: Ägyptens Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen eine TV-Puppe wegen Terrorverdachts. Einzelheiten von Karim El-Gawhary aus Kairo

Von Karim El-Gawhary

Zumindest in der Gattung "Polit-Comedy" scheint Ägypten bereits in der ersten Woche des neuen Jahres den Höhepunkt erreicht zu haben. Denn gegenwärtig ermittelt die ägyptische Staatsanwaltschaft offiziell gegen Abla Fahita, eine in Ägypten populäre Fernseh-Puppe, die den Muppet- Charakteren nachempfunden ist.

Auslöser der Ermittlungen sind Vorwürfe des selbsternannten Terroristenjägers und Verschwörungstheoretikers Ahmed Zbaydar (Spider), einem Mubarak-freundlichen Jugendaktivisten, der im ägyptischen Fernsehen die Puppe bezichtigt, Terroristen kodierte Hinweis auf zukünftige Anschläge gegeben zu haben.

Codierte Botschaften für die Muslimbrüder

Das Ganze soll in einem Werbefilm des Telecom-Giganten Vodafone stattgefunden haben, der seit einigen Tagen auf dessen Youtube-Kanal im Internet zu sehen ist. Ahmad Spiders Vorwürfe reichen von einem vierzweigigen Kaktus, der in der Szene vorkommt und der die Vier-Finger-Kampagne, der Anti-Militärputsch-Bewegung und der Muslimbrüder nachempfunden sein soll und einer daran hängenden Weihnachtskugel, die eine Bombe repräsentieren soll.

Eine weitere Puppe namens Mama Toutou, die in dem Clip vorkommt, erklärte Ahmad Spider am Neujahrstag in einer Fernsehshow, stehe für den Code der Muslimbruderschaft, die vor kurzem von den ägyptischen Behörden offiziell zu einer Terrororganisation deklariert wurde. Außerdem befände sich in dem Videoclip ein versteckter Hinweis auf einen geplanten Terroranschlag auf ein Einkaufszentrum.

Das Ganze hätte unter der Rubrik "Bizarres" zu den Akten gelegt werden können. Aber die Staatsanwaltschaft hat inzwischen Vertreter von Vodafone vor Gericht vorgeladen, um den Vorfall zu untersuchen.Vodafone selbst bezeichnet den Wirbel um die Puppe als völlig "irrational".

Wilde Verschwörungstheorien

Bei dem Clip mit der Puppe sei es lediglich darum gegangen, zu erklären, wie man eine verlorene Sim-Karte reaktiviert und Werbung für das Produkt zu machen. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin traurig, dass wir inzwischen in unserem Denken ein solches Niveau erreicht haben", erklärte unlängst Khaled Hegazy, ein Sprecher der Firma Vodafone.

Ein weiterer Höhepunkt wurde erreicht, als der ägyptische Fernsehsender CBC mit einer Doppel-Skype-Schaltung zwischen Ahmad Spider, der die Anzeige erstattete hatte, und der Puppe Abla Fahita aufwartete. Spider wiederholte darin seine Vorwürfe und erklärt, die Puppe sei in Wirklichkeit eine Kreation des britischen Geheimdienstes. Abla Fahita bleibt ganz ruhig am anderen Ende der Skype-Leitung und erklärt: "Wenn man etwas nicht versteht, dann sucht der Kluge es zu verstehen und lernt. Der Rückständige sieht darin ein Teufelswerk".

An einer Stelle der TV-Schalte sagt Ahmad Spider dann tatsächlich zu der Puppe: "Ich werde dich noch diese Woche hinter Gitter bringen". Das Ganze macht deutlich, wie aufgeheizt inzwischen die Atmosphäre in Ägypten ist, dass Vorwürfe von Verschwörungstheoretikern tatsächlich von der Staatanwaltschaft ernst genommen werden.

In den ägyptischen sozialen Medien wie Facebook und Twitter führte das Ganze zu einer wahren Explosion der Häme. Inzwischen kursiert auf Twitter bereits ein # FreeFahita Hashtag.

Karim El-Gawhary

© Qantara.de 2014

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de