Ein Löwe als Glücksbringer

Seit 1967 unterhalten die Zoos von Köln und Kabul eine Partnerschaft. Damals wurde der Zoo in Afghanistan mit zwei Löwen aus Köln eröffnet. Julia Elvers von der Deutschen Welle sprach mit dem Kölner Zoodirektor Gunther Nogge.

Seit 1967 unterhalten die Zoos von Köln und Kabul eine Partnerschaft. Damals wurde der Zoo in Afghanistan mit zwei Löwen aus Köln eröffnet. Der Kölner Zoodirektor, Gunther Nogge, erzählt.

Kaum war die afghanische Hauptstadt im November 2001 von der Nordallianz befreit, ging das Bild eines 'alten Löwen' um die Welt, der überall Mitleid erregte. Mit zerzauster Mähne und nur einem Auge versinnbildlichte das kranke Tier den Terror der Kriegsjahre besser als tausend Worte.

Mitleid mit Raubtier brachte Spendengelder ein

"Der Löwe hat natürlich Schlagzeilen gemacht“, erinnert sich Gunther Nogge, Zoodirektor der Stadt Köln, „vom Kölner Boulevardblatt Express bis zu CNN - und hat eine Spendenfreudigkeit ausgelöst. So sind die Menschen nun einmal. Für Tiere, die leiden, ist man eher bereit, Geld zu geben als für Menschen, die es eigentlich nötiger gehabt hätten - zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls. Da ist fast eine halbe Million Dollar zusammengekommen, die jetzt auch zum Wiederaufbau des Zoos zur Verfügung steht."

Der kranke Löwe sollte angeblich aus Köln und mittlerweile 36 Jahre alt sein. Ein ungewöhnlich hohes Alter für Löwen, die in Zoos normalerweise 18 bis 20 Jahre alt werden. "Kölner Löwe rettet Kabul-Zoo" lautete die Schlagzeile. Sollte es sich tatsächlich um ein Raubtier aus Köln handeln? Zoodirektor Nogge war skeptisch. Und tatsächlich: Da hatte irgendjemand geschwindelt.

"Es hat ja eine Zeit der Bruderschaft gegeben zwischen der damaligen DDR und Afghanistan, als es nun mal gerade kommunistisch war“, erzählt Nogge. „Das war Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre. Und in dieser Zeit ist im Kabuler Zoo der alte Kölner Löwe verstorben, und jetzt ist ein neuer aus dem Tierpark Berlin dorthin gekommen. Das hat nur keiner gewusst - oder zumindest hat es keiner gesagt. Und auch mir wurde immer - auch jetzt noch in Afghanistan -gesagt: 'Ja, das ist Euer alter Löwe gewesen.'"

Zoodirektor Gunther Nogge selbst war Ende der sechziger Jahre für vier Jahre in Kabul als Dozent für Zoologie tätig und half mit, den Zoo aufzubauen. Während der sowjetischen Besatzungszeit brach der Kontakt zu den Afghanen allerdings ab. So lüftete sich das Geheimnis um den einäugigen Löwen erst nach der Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen den Zoos in Kabul und Köln.

"Also, die Schlagzeile muss jetzt eigentlich korrigiert werden. Es ist kein Kölner Löwe. Aber es ist immerhin doch ein Löwe, der die Spendenmittel aufgebracht und damit den Kabuler Zoo gerettet hat", so Nogge.

Zoologische Gärten fördern Umweltbewusstsein

Auch wenn man bislang eigentlich kaum von einem Zoo sprechen kann. Im Kabuler Zoo gibt es immer noch nur wenige Tiere zu sehen: einen Löwen, ein oder zwei Wölfe, eine Gazelle, zwei Bären und ein paar Vögel. Im Moment gibt es für die Afghanen natürlich wichtigere Probleme als den Wiederaufbau eines Zoos. Dessen ist sich auch Gunter Nogge bewusst. Dennoch unterstreicht er die Bedeutung zoologischer Gärten:

"Ein Zoo macht die Menschen erst einmal mit der Fauna ihres Heimatlandes bekannt. Und nur, was man kennt, ist man auch bereit, zu schützen. Darauf ist man stolz und dann auch bereit, etwas zur Erhaltung dieser Tierwelt und Natur im weiteren Sinne zu tun. Das heißt, Zoos spielen in der Bewusstseinsbildung über Natur und Umweltschutzprobleme dort eine mindestens so große, wenn nicht größere Rolle, als bei uns in Deutschland."

Unter Taliban war Zoobesuch erlaubt

Beliebt war der Zoo bei den Afghanen schon immer. Nicht nur die Einwohner Kabuls besuchten ihn fleißig. Auch Besucher aus den afghanischen Provinzen schauten gern im Kabuler Zoo vorbei. Vor allem unter den Taliban wurde er gut genutzt - weil er eines der wenigen Freizeitangebote darstellte, die erlaubt waren.

Und auch heute, in Zeiten des Wiederaufbaus, spielt der Kabuler Zoo eine besondere Rolle, weiß der Kölner Zoodirektor Nogge:

"Weil die Leute einmal herauskommen wollen aus ihrem Alltag und aus der Misere und einfach mal etwas anderes sehen wollen - und wenn es nur ein paar Tiere sind. Sie sind dann auch bereit, das Geld zu bezahlen und den Zoo zu besuchen. Das erinnert mich ein bisschen an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Köln. Hier ist es ja nicht anderes gewesen. Die Stadt war völlig am Boden zerstört. Auch der Zoo war zerstört und geschlossen. Aber als eine der ersten Einrichtungen wurde der Zoo wieder geöffnet. Das war Pfingsten 1947. Die Leute sind zu Tausenden dahin geströmt - einfach weil sie einmal wieder auf andere Gedanken kommen wollten. Und so ist es in Kabul heute auch."

Schon jetzt kommen täglich mehrere hundert, am Wochenende sogar tausend bis zweitausend Menschen in den Kabuler Zoo.

Tierimport von Kabul nach Köln

Nach seiner Gründung 1967 waren übrigens mehrere Tiere von Köln nach Afghanistan eingeflogen worden. Heute ist das Ziel, ausschließlich afghanische Tiere zu halten. Also keine Giraffen oder Zebras - die Menschen sollen vielmehr die Tiere ihrer Heimat kennen lernen. "Bewusstseins-Schaffung für das natürlich Erbe Afghanistans" lautet die Devise. Von der afghanischen Tierwelt hat nicht nur der Kölner Zoo, sondern die gesamte europäische Zoogemeinschaft profitiert.

"Es gibt eine ganze Reihe von Tierarten, deren Ursprünge auf diese Partnerschaft zwischen dem Kabuler Zoo und dem Kölner Zoo zurückgehen“, erzählt Gunther Nogge. „Ein Beispiel sind die persischen Leoparden, die man auch als afghanische Leoparden bezeichnen könnte, weil sie in den Gebirgen Persiens und Afghanistans vorkommen. Da gibt es heute zwischen 120 und 150 Tiere in Europa - und die gehen alle zurück auf einen Import aus Kabul nach Köln, neben ein, zwei anderen Tieren, die irgendwann mal aus Iran nach - ich glaube - Leipzig oder Münster gekommen sind."

Julia Elvers

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