Zuhause beim Drogenbaron

Seit Jahren erkauft sich die libanesische Hisbollah Militärgeheimnisse aus Israel – im Austausch für Heroin oder Kokain, die im Libanon hergestellt werden. Alfred Hackensberger mit einer Reportage aus dem Bekaa-Tal, das als Drehscheibe des Drogenhandels fungiert.

Opiumpflanze; Foto: AP
Bekannt als Handels- und Umschlagsplatz für Opium und andere Drogen - das Bekaa-Tal

​​"Wie immer alles ruhig", sagt Mohammed als er von einer Kontrolltour zurückkommt. Die Kalaschnikow legt er neben seinem zweijährigen Sohn auf die Couch, der sofort damit zu spielen beginnt. Die Frau des Hauses schmunzelt darüber nur und serviert Tee.

Waffen gehören in dieser Gegend zum Hausstand, wie etwa ein Kühlschrank oder ein Fernseher. Bei Besuchen oder Familientreffen stellt man sie wie Schirme neben die Eingangstür.

Mohammed ist einer von etwa 20 Drogenbaronen im Bekaa-Tal, das sich 150 Kilometer bis an die syrische Grenze hinzieht. Mit seiner Familie wohnt er in einem abgelegnen Dorf in einem fünfstöckigen Haus, in dem nur die oberste Etage ausgebaut ist. Der Rest ist im Rohbau.

Auf der Dachterrasse ist eine Maschinengewehrstellung angebracht, an jeder Ecke stehen große Suchscheinwerfer für die Nacht. Wachposten sind 24 Stunden im Dienst. Sie tragen Sturmgewehre mit Granatwerfern und sind über Funk miteinander ständig in Verbindung. Polizei oder Militär ließen sich hier zwar selten blicken, aber man wisse ja nie, meint Mohammed und schlürft am heißen Teeglas.

Meistens kämen sie jedoch nur, um für die Presse ein paar Marihuana- oder Opiumfelder zu räumen und damit zu beweisen, dass die libanesische Regierung etwas gegen das Drogenproblem tue. Mohammed grinst dabei übers ganze Gesicht.

Drogen bestimmen den Alltag

Das Bekaa-Tal, ein auf 1.000 Meter über dem Meeresspiegel gelegenes Plateau, ist exterritoriales Gebiet. Staatliche Autoritäten haben hier kaum etwas zu sagen. Abseits der großen Hauptstrasse, existieren nur noch Pisten, ohne jegliche Hinweisschilder. Soldaten sitzen reglos in ihren Posten, ohne auch nur den Kopf nach den wenigen vorbeifahrenden Autos zu drehen.

Wer sich nicht auskennt, kann stundenlang unterwegs sein, ohne ein Haus oder einen Menschen zu sehen. Eine verlassene Gegend, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Es gibt nur kleine Weiler, mit zwei, drei Häusern, wo einen der Herr des Hauses mit der Frage empfängt, wie viel an Heroin, Kokain oder Crack er in den Kofferraum laden soll.

Die industrielle Produktion und der Handel mit den Drogen bestimmen den Alltag. Der Konsum beschränkt sich keineswegs auf Jugendliche, auch Hausfrauen, Mütter oder der Großvater können hier Kokain schnupfen, Heroin und Crack rauchen.

Geheimnisverrat in Israel

Aus dem Bekaa-Tal stammen die 33 Kilogramm Heroin, die am 25. März dieses Jahres an der israelischen Nordgrenze zum Libanon beschlagnahmt wurden. Die größte Menge, die dort je entdeckt wurde. Bereits im Februar hatten israelische Behörden einen anderen Schmugglerring ausgehoben, an dem Unteroffizier Louai Balut beteiligt war.

Zerstörung der Opiumernte im Libanon; Foto: dpa
Aussichtsloser Kampf? - Zerstörung von Mohnanbaufeldern im Bekaa-Tal.

​​Der israelische Soldat soll per Telefon Informationen über Truppenstationierung entlang der Grenze zum Libanon an die Hisbollah gegeben haben. Kein Einzelfall, denn seit 2000 wurden insgesamt 24 Militärs, Polizisten und Zivilisten verhaftet, die am Drogenhandel aus dem Libanon nach Israel beteiligt waren.

Drogenbaron Mohammed ist bei diesem Thema nicht sehr gesprächig. "Die Drogen gehen von hier überall hin, natürlich auch nach Israel", erklärt er lapidar. "Aber das machen nicht wir." Er grinst verschmitzt, als habe er damit alles gesagt.

Drogen – ein Nebenprodukt der Invasion von 1982

Während des libanesischen Bürgerkriegs (1975-1990) war der Zedernstaat einer der größten Heroin- und Haschischproduzenten der Welt.

Nach dem Ende des bewaffneten Konflikts wurde der Anbau durch die neue Regierung zunehmend eingeschränkt, dafür importierte die libanesische Drogenmafia jedoch Rohstoffe aus anderen Ländern. Morphinbase kam aus Afghanistan oder dem asiatischen Goldenen Dreieck und Kokabase aus Südamerika. In den Labors im Bekaa-Tal wurde daraus Heroin, Kokain und Crack.

Das lukrative Potential der Drogen erkannten auch die israelischen Soldaten, die mit der Invasion 1982 in den Libanon kamen und als Besatzungstruppen 18 Jahre bleiben sollten. Über die Kontakte der Südlibanon Armee (SAL), die Miliz, mit der man eng zusammenarbeitete, war alles leicht, schnell und billig zu beschaffen.

Berufsrisiko

Die geschäftlichen Beziehungen aus dieser Zeit bestehen bis heute weiter. Libanesische Familien, deren Mitglieder einst für israelische Behörden arbeiteten, leiten noch heute den Drogenhandel nach Israel. Dazu gehören die Klans der Biro und Nahara. Ramzi Nahara war ein Polizeiinformant in den 80er Jahren, wechselte später die Seite zu Hisbollah und wurde 2002 durch eine mysteriöse Autobombe im Libanon getötet.

Mohammed Biro empfing in den 80er Jahren bei sich zuhause den damaligen israelischen Verteidigungsminister Moshe Arens. Biro starb 2003 im Gefängnis in Israel, nachdem er in Ungnade gefallen war. In diesem Metier ein Berufsrisiko.

Elhanan Tannenbaum, der israelische Geschäftsmann, der von Hisbollah entführt worden und 2004 Teil eines Gefangenenaustausch war, wollte ebenfalls mit Heroin sein großes Glück machen. Er wurde von Kais Obeid, einem Araber mit israelischem Pass, nach Abu Dhabi gelockt, wo Tannenbaum dann von Hisbollah gekidnappt und in den Libanon gebracht wurde.

Kais Obeid, der 2000 aus Israel völlig spurlos verschwand, soll heute ein großes Netzwerk von Libanon aus dirigieren, das auf Drogenschmuggel nach Israel spezialisiert ist.

Der indirekte Krieg

Kais Obeid arbeitet eng mit der Hisbollah zusammen, die große Teile des Bekaa-Tals kontrolliert. Die Partei Gottes ist offiziell gegen jede Art von Drogen. Allerdings will man es sich dort mit den mächtigen Familienklans nicht verderben, denen auch nur mit Waffengewalt beizukommen wäre.

Außerdem dienen die Drogen nun einem guten Zweck: Beschaffung von militärischen Geheimnissen. Die Hisbollah versteht den Drogenhandel als "indirekten Krieg" gegen Israel, der sich sicherlich auch im 34-Tage-Krieg vom Sommer 2006 als nützlich erwies.

Alfred Hackensberger

© Qantara.de 2008

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